Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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das bei der Stimmung in Deutschland möglich sein?« fragte der Kaiser.

      »Sire,« sagte Klindworth, — »wenn ein bewegtes Wasser im Winter nicht zusammenfrieren will, — so wirft man Eisenstäbe hinein und sofort bildet sich die Eisrinde. Das französische Schwert in die deutsche Bewegung geworfen, würde bewirken, was jene Eisenstäbe thun, die Wellen würden still stehen und sich zu fester Masse vereinigen.«

      »Aber die Süddeutschen?« fragte der Kaiser, — »Völker und Regierungen?«

      »Sie haben jetzt schon die Hoffnung auf Oesterreich verloren,« sagte Klindworth — »sie fühlen sich in der Hand Preußens, mit einigen Versprechungen, mit einigen freundlichen und drohenden Worten wird es nicht schwer sein, sie auf jene Seite hinüberzuziehen, zu der sie — davon bin ich überzeugt — jetzt schon den anständigen und ehrenvollen Uebergang suchen.«

      Der Kaiser schwieg.

      »Dagegen,« fuhr Klindworth sich belebend fort, »wenn jetzt Preußen erreichen darf, was es will, — das heißt zunächst und wesentlich territoriale Vergrößerungen, — die vollständige Annexion von Hannover, von Hessen u. s. w., — wenn dann nur durch mäßig angewandten Druck die souveräne Selbstständigkeit der Süddeutschen gewahrt wird, — so ist das Resultat nicht die Einigung der deutschen Nation, dieß populäre Ideal aller Turner, Sänger und Biertrinker, — sondern im Gegentheil die Spaltung derselben und es bleibt als Preis so vielen Blutes nur die Vergrößerung Preußens. Die sittliche Entrüstung, diese Emotion, welche der Deutsche so sehr liebt, wird sich gegen Preußen richten und die Sympathie der Nation Oesterreich wieder zugewendet werden können.«

      »Wird das möglich sein?« fragte der Kaiser.

      »Gewiß,« antwortete Klindworth, — »wenn Oesterreich sich mit einem andern Geist durchdringt und eine vernünftige Politik macht mit Benutzung derjenigen Faktoren, die heute nun einmal bewegend und mächtig geworden sind, — leider sage ich — aber man muß mit den wirklichen Größen rechnen!«

      »Das heißt?« fragte Napoleon.

      »Sire,« sagte Klindworth, »wenn Preußen sich durch Annexionen vergrößert und die Führung in Norddeutschland übernimmt, so wird es gezwungen werden zu einem starren, rücksichtslosen Regiment, — denn leicht werden sich die deutschen Stämme nicht assimiliren — es wird seine eiserne Hand auf Norddeutschland legen und dieselbe zugleich in fortwährender Drohung gegen Süddeutschland erheben müssen. — Dann muß Oesterreich sich erheben in innerlich gekräftigter Macht, als der Hort der partikularen Autonomie und Selbstständigkeit — und der Freiheit.«

      Napoleon lächelte.

      »Der Freiheit?«

      »Warum nicht?« rief der Staatsrath, »man heilt die schwersten Krankheiten durch Anwendung der gefährlichsten Gifte.«

      »Wer wird der geschickte Arzt sein,« fragte der Kaiser lachend, »dessen Hand der kranken Austria dieses Gift in richtigen Dosen einflößen kann? — Graf Mensdorff? oder Metternich?«

      »Ich glaube diesen Arzt gefunden zu haben,« sagte Klindworth ernst und ohne sich irre machen zu lassen.

      Der Kammerdiener trat ein.

      »Oberst Favé ist im Vorzimmer, Sire!«

      Der Kaiser erhob sich.

      »Einen kleinen Augenblick!« sagte er.

      Klindworth stand auf und trat dem Kaiser näher.

      »Dieser Arzt,« sagte er mit gedämpfter Stimme — »ist Herr von Beust!«

      Betroffen und erstaunt blickte der Kaiser ihn an.

      »Herr von Beust?« rief er, — »der Protestant? Glauben Sie, daß der Kaiser —«

      »Ich glaube es,« sagte Klindworth, — »übrigens ist Herr von Beust hier,« sagte er, indem sein scharfes Auge länger und fester als sonst sich mit durchdringendem Blick auf den Kaiser richtete, »Eure Majestät können ja selbst sondiren, ob meine Meinung begründet ist.«

      Napoleon lächelte.

      »Wer mit Ihnen spielt,« sagte er, »muß die Karten auf den Tisch legen, — warten Sie bei Pietri, ich möchte Sie noch sehen, nachdem ich mit Ihrem Arzte des künftigen Oesterreichs gesprochen.«

      Ein befriedigtes Lächeln umzog die breiten Lippen des Staatsraths, der sich mit tiefer Verbeugung durch die Portière zurückzog.

      Der Kaiser schellte.

      »Oberst Favé!«

      Der Oberst, ein mittelgroßer magerer Mann mit kurzem schwarzen Haar und kleinem Schnurrbart, im schwarzen Ueberrock — halb Militär, halb Hofmann in seiner Haltung, erschien in der Thür. Er hielt den Flügel derselben für den sächsischen Minister geöffnet und entfernte sich wieder, nachdem dieser eingetreten.

      Herr von Beust trug einen grauen, weit zurückgeschlagenen Ueberrock von leichtem Sommerstoff über dem schwarzen Frack, auf welchem der weißglänzende Stern der Ehrenlegion sichtbar war. Sein leicht ergrautes Haar war sorgfältig frisirt und gelockt, — das weite schwarze Beinkleid bedeckte fast ganz den auffallend kleinen Fuß im zierlichen Stiefel. Sein feines und geistreiches Gesicht mit dem fast durchsichtigen Teint, dem beredten Munde und den lebhaften, klaren Augen war blasser als gewöhnlich und zeigte heute nicht das ihm sonst eigentümliche freundliche und gewinnende Lächeln. Ein schmerzlicher Zug spielte um seinen Mund und tiefe Abspannung lag auf seinem nervös gezogenen Antlitz.

      Er näherte sich dem Kaiser mit jener leichten und sichern Eleganz des vornehmen Hofmannes und verneigte sich schweigend.

      Napoleon trat ihm mit verbindlichem Lächeln entgegen und reichte ihm die Hand.

      »So schmerzlich auch die Veranlassung sein mag,« sagte er mit sanfter Stimme, — »ich freue mich, den bedeutendsten und geistvollsten Staatsmann Deutschlands bei mir zu sehen!«

      »Den unglücklichsten, Sire,« sagte Herr von Beust traurig.

      »Der Unglücklichste ist nur der, der die Hoffnung verliert,« antwortete der Kaiser, indem er sich niederließ und Herrn von Beust durch eine Geberde voll anmuthiger Höflichkeit zum Sitzen einlud.

      »Sire — ich bin gekommen, um aus Eurer Majestät Munde zu vernehmen, ob ich noch Hoffnung hegen und meinem Souverän bringen kann?«

      Der Kaiser ließ die Spitze seines Schnurrbartes durch die Finger gleiten.

      »Sagen Sie mir,« sprach er dann, »wie Sie die Lage der Dinge in Deutschland ansehen, — ich bin begierig, ein Bild davon aus Ihrem Munde zu vernehmen, — dem Munde des Meisters in Auffassung und Darstellung —« fügte er mit verbindlichem Lächeln und leichter Neigung des Hauptes hinzu.

      Das blasse Gesicht des Herrn von Beust belebte sich.

      »Sire,« sagte er, »ich habe mein Spiel verloren! — Ich hoffte,« fuhr er fort, »eine neue föderative Gestaltung des nationalen Lebens in Deutschland zu schaffen, den Ehrgeiz Preußens definitiv in seine Schranken zurückzuweisen und den deutschen Bund zu neuer Kraft und Autorität in freier Entwicklung den Forderungen der Zeit entsprechend hinüberführen zu können, — ich habe mich getäuscht — ich habe ohne die Zerrissenheit Deutschlands, ohne die Schwäche Oesterreichs gerechnet. — Das Spiel ist verloren,« wiederholte er seufzend, — »wenigstens hat Sachsen alles Seinige gethan, um es zu gewinnen.«

      »Und ist keine glückliche Wendung des Spiels mehr möglich?« fragte der Kaiser.

      »Ich glaube nicht daran,« sagte Herr von Beust. »Man hofft in Wien noch auf die Südarmee, auf eine Wiederaufnahme der Offensive — ich glaube an das Alles nicht, — von einem Schlage, wie der bei Königgrätz, erholt sich ein Staat nicht leicht, selbst wenn sein inneres Leben nicht solcher Stagnation und Fäulniß verfallen ist, wie dasjenige Oesterreichs. — Preußen ist Sieger in Deutschland,« fuhr er fort, »und es wird das Recht des Siegers mit eiserner Hand geltend machen, — wenn nicht ein mächtiges Veto ihm entgegentritt.«

      Sein