Sturmernte. Andre Rober. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andre Rober
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847623489
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und lenkten vom tatsächlichen Täter ab. Da er als Erster die Leiche untersuchen würde, hatte sich auch Schwarz das Ganzkörperkondom, wie die Ermittler den Einmaloverall scherzhaft nannten, übergezogen.

      Wir sind dann soweit, rief er in Richtung Sarah und Thomas und hob zur Bekräftigung die rechte Hand.

      Können wir?

      Sofort!

      Sarah und Thomas gesellten sich zu Schwarz und dem Team der Spurensicherung. Sarah wandte sich an Schwarz.

      Bevor wir loslegen, noch eine kleine Bitte. Könnten Sie einen kurzen Blick auf die beiden jungen Leute werfen, nur um zu entscheiden, ob wir sie heimbringen lassen können oder ob vielleicht doch besser ein Psychologe und ein Krankentransport gerufen werden soll?

      Kann ich machen, entgegnete er.

      Wie lange sind die beiden denn schon hier?

      Etwa zwei Stunden, die meiste Zeit haben sie gestanden, die letzte halbe Stunde im Polizeiwagen gesessen, antwortete Sarah.

      Schwarz ging zuerst zu der jungen Frau, wechselte ein paar Worte mit ihr, fühlte kurz den Puls und beobachtete sie währenddessen scharf. Dann ging er zu Herrn DaCelli und begutachtete auch seinen Zustand.

      Dieser versuchte gerade, mit einem Taschentuch die schwarze Farbe von seinen Fingern zu wischen, mit deren Hilfe ihm kurz zuvor die Fingerabdrücke abgenommen worden waren.

      Er wandte sich zu Thomas, der hinter ihm an den Wagen getreten war, um und nickte kurz, um anzuzeigen, dass er nichts gegen eine Entlassung der beiden einzuwenden hatte. Dann richtete er sich nochmals an das junge Pärchen.

      Sie werden möglicherweise in den nächsten Tagen mit Angstzuständen konfrontiert werden, die leichten Panikattacken gleichen. Das wäre eine typische Reaktion auf das Schockerlebnis, das Sie heute hatten. Das kann, muss aber nicht auftreten. Je nachdem wie Sie auf so etwas reagieren, sollten Sie sich von Ihrem Hausarzt vielleicht ein Beruhigungsmittel verschreiben lassen, welches Sie dann im Bedarfsfall einnehmen. Ansonsten würde ich Ihnen heute zu Ablenkung raten, zum Beispiel die Zeit miteinander oder mit Freunden zu verbringen. Meistens treten diese Stresssymptome nachts auf, deswegen ist es besser, nicht alleine in einer Wohnung zu sein, sondern jemanden in Rufweite zu haben. Ansonsten denke ich, werden Sie darüber hinaus keine Probleme zu erwarten haben und das Ganze relativ bald verarbeiten. Haben Sie noch Fragen an mich oder die Polizei?

      Die beiden sahen sich kurz an und schüttelten dann den Kopf. Thomas wollte aber noch einen Punkt klarstellen.

      Auch wenn Sie sicher das Bedürfnis haben werden, über das Geschehene zu sprechen, tun Sie das nur untereinander oder mit einem zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten wie einem Arzt. Ihnen ist klar, dass es sich hierbei um ein Gewaltverbrechen handelt, und zum derzeitigen Zeitpunkt können wir noch nicht entscheiden, wie wir mit der Öffentlichkeit, sprich der Presse, umgehen werden. Ein zu frühes Bekanntwerden des Vorfalles könnte die Ermittlungsarbeit entschieden behindern. Wann und vor allem was wir der Öffentlichkeit mitteilen, muss unserer alleinigen Entscheidung unterliegen. Ist Ihnen das bewusst?

      Leicht eingeschüchtert von Thomas’ grußlosem, autoritärem Auftreten sahen sie ihn nur mit großen Augen an und nickten abermals schweigend.

      Gut! Wenn Sie Fragen haben oder Ihnen etwas einfällt, hier ist meine Karte.

      Er reichte dem jungen Mann den weißen Karton.

      Zögern Sie nicht, mich anzurufen.

      Er blickte noch einmal von einem zum anderen.

      Dann wünsche ich Ihnen beiden trotz allem, was Sie erlebt haben, noch einen schönen Tag! Die Kollegen werden Sie und Ihre Bikes jetzt nach Hause bringen.

      Er reichte ihnen nacheinander die Hand, die sie etwas zögerlich ergriffen.

      Klein!! Packen Sie die Fahrräder der beiden in den Kofferraum und bringen Sie sie nach Hause.

      Ohne sich noch einmal umzudrehen, ging er mit Schwarz wieder zu Sarah, die noch am Wegrand auf sie wartete und beobachtete, wie sich die Spurensicherung langsam vortastete, hier und da kleine nummerierte Hütchen aufstellte und diese Stellen aus verschiedenen Blickwinkeln fotografierte. Das Ermittlerteam war drei Dutzend Meter weit vorangekommen. Auf der kurzen Strecke hatten sie schon mindestens fünf Schuhabdrücke mit Gips ausgegossen und alle paar Sekunden erhellte das Blitzlicht einer Kamera das grüne Unterholz. Hoffentlich würde sich beim Fundort herausstellen, dass der Täter nicht eben diesen Weg genommen hatte. Dann war zwar die soeben geleistete mühevolle Arbeit umsonst, aber dafür die relevanten Spuren nicht in Mitleidenschaft gezogen.

      Hoffen wir mal, dass der Täter nicht die Autobahn benutzt hat, murmelte Schwarz der darauf anspielte, dass dieser Weg nicht weniger als sieben Mal begangen wurde, von dem jungen Pärchen hin und zurück, von den beiden uniformierten Kollegen hin und von Klein auch wieder zurück.

      Die Chancen stehen gut, erwiderte Thomas.

      Er wies auf den weiteren Verlauf der Fahrstraße auf der anderen Seite des kleinen Tales.

      Im Prinzip könnte er von überall dort hinuntergegangen sein. Und soweit mich mein Orientierungssinn nicht täuscht, führt ein gutes Stück weiter unten sogar noch ein Forstwirtschaftsweg vorbei. Noch ein wenig enger als dieser, den benutze ich manchmal mit dem Mountainbike, wenn ich vom Schauinsland runterkomme. Auch von da kann er die Leiche dorthin gebracht haben. Gut, er hätte sie dann hundert, vielleicht zweihundert Meter bergauf schleppen müssen. Jetzt warten wir erst mal ab!

      Nach einer Weile, in der Sarah, Thomas und Schwarz schweigend von oben zusahen, waren die drei Spurensicherer bis zu dem kleinen Erdwall vorgedrungen, der die Sicht auf den eigentlichen Fundort versperrte. Nun begannen die drei auch den Abstieg.

      Je näher sie der Stelle kamen, desto angespannter wurde Sarah. Sie wollte sich auf das, was sie gleich sehen würden, innerlich vorbereiten. Die Leiche, die sie vor ein paar Jahren in der Wohnung gefunden hatte, war der einzige Leichnam gewesen, der sich in einem nennenswerten Zustand der Verwesung befunden hatte. Die wenigen Toten, die sie während ihrer Arbeit im doch eher beschaulichen, fast provinziellen Freiburg zu Gesicht bekommen hatte, waren allesamt erst kurz vorher aus dem Leben gerissen worden. Da sie aber die Bilder von damals immer noch im Gedächtnis hatte und auch noch genau wusste, wie sie sich gefühlt und wie sie auf den Anblick reagiert hatte, fragte sie sich, wie sie diesmal mit der Situation zurechtkommen würde. Thomas, der sich mit Schwarz über sein Wochenende am Gardasee unterhielt, merkte, dass sie still geworden war. Er drehte sich um.

      Alles ok bei dir?, fragte er.

      Geht schon, antwortete sie.

      Ich versuche nur, für den Anblick gleich gewappnet zu sein.

      Ja, mir ist auch jedes Mal etwas mulmig. Aber ich rede mir immerzu ein, dass das gut ist, um nicht vollkommen abzustumpfen, gestand er mit nachdenklicher Miene.

      Trotzdem gehört das zu den wenigen Dingen, die einem den Job mitunter verleiden können.

      Diese Ehrlichkeit überraschte Sarah und erfreute sie zugleich. Die Änderung seines Verhaltens ihr gegenüber fand sie immer offensichtlicher. Noch vor zwei Monaten hatte sie ihn für kalt wie Hundeschnauze gehalten. Immer kontrolliert und professionell, ohne Regung. Und jetzt teilte er ihr sogar ungefragt etwas von seinen Gefühlen mit.

      Als die drei, Schwarz an der Spitze, auf dem kleinen Erdwall ankamen, konnten sie zum ersten Mal einen Blick auf den eigentlichen Fundort werfen. Doch der erste Eindruck war zweifellos der Geruch, der sie augenblicklich umfing. Die Mischung aus süßlichen Noten und dem sehr scharfen Ammoniak wurde überdeutlich von dem Geruch von faulen Eiern durchzogen. Die Zusammensetzung des bestialischen Gestanks war so spezifisch, dass Sarah sofort die Bilder von damals wieder im Kopf hatte. Aber sie kam im Moment erheblich besser damit zurecht, als sie befürchtet hatte.

      Mentholsalbe oder Nasenklemme?, fragte Schwarz und stellte seine Tasche vor sich auf den Boden.

      Mentholsalbe, bitte, antwortete Thomas.

      Als Schwarz und er sich einen dicken Strich der aufdringlich riechenden Salbe zwischen Oberlippe