Sturmernte. Andre Rober. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andre Rober
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847623489
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sagte sie.

      Aber wir wollten nur einen Cache möglichst unzugänglich verstecken. Wissen Sie, wir sind Geocacher.

      Sie sind bitte was?, entgegnete Sarah, die diesen Ausdruck noch nie gehört hatte.

      Geocacher!, wiederholte Herr DaCelli.

      Geocaching ist so etwas wie die moderne Form der Schnitzeljagd oder des Schatzsuchens. Haben Sie noch nicht davon gehört?

      Sarah schüttelte den Kopf.

      Nein, nie! Das müssen Sie mir wohl erklären, sagte sie.

      Auf der ganzen Welt verstecken Leute wie wir in wasserdichten Verpackungen kleine „Schätze“. Darin ist immer ein sogenanntes Logbuch, etwas zum Schreiben und eine Reihe kleiner, meist wertloser Gegenstände, wie etwas aus einem Überraschungsei, ein Spitzer, ein Monchichi oder ein Schlüsselanhänger. Andere Geocacher machen sich dann auf die Suche, um diese „Schätze“ zu finden.

      Und das verstecken Sie irgendwo in der Natur... weltweit, sagen Sie? Und was haben Sie davon? Das findet doch kein Mensch!

      Sarah begriff den Sinn des Ganzen noch nicht.

      Die junge Frau fuhr mit den Erklärungen fort.

      Wenn man einen Cache versteckt hat, veröffentlicht man ihn mit entsprechenden Hinweisen, meist den GPS-Koordinaten auf der Geocaching Homepage im Internet. Man kann die Koordinaten unverschlüsselt angeben, oder mit verschiedenen Hinweisen verschleiern, manchmal ist es nur ein einziger Cache, manchmal findet man an einem Versteck die Hinweise für ein zweites, dort für ein drittes und so weiter. Das ist unheimlich spannend!

      Das wichtigste Handwerkszeug ist ein Hand-GPS, ergänzte Herr DaCelli.

      Er nestelte an seiner Jackentasche herum und brachte ein Garmin E-Trex, einen etwa handygroßen GPS-Empfänger zum Vorschein.

      Für gewöhnlich beginnt man damit, Caches, die im Internet angezeigt sind, zu suchen. Wenn man einen gefunden hat, nimmt man etwas vom Inhalt raus, tut etwas Neues rein, und schreibt das dann mit Datum und Codenamen in das Logbuch. Später „logged“ man dann diesen Cache auch im Internet unter seinem Codenamen als „gefunden“. Man kann also immer im Internet nachlesen, was sich in dem Cache befindet, wer ihn wann gefunden hat und welche Gegenstände von wem rausgenommen oder hineingelegt wurden. Wenn man mehr Erfahrung hat, kann man auch selber Caches verstecken und im Internet anzeigen, und genau das hatten wir heute vor.

      Da sie nun über ihre gemeinsame Leidenschaft und nicht mehr über den Fund der Leiche sprechen konnten, sprudelten die beiden jungen Leute fast vor Begeisterung.

      Und um es anderen Cachern schwer zu machen, haben Sie sich eine besonders unwegsame Stelle ausgesucht?, fragte Sarah.

      Ja, so kann man es sagen. Dienstags haben wir beide erst um zwölf Uhr Vorlesung und da haben wir gestern Abend auf den Karten nach einer Stelle gesucht, die etwas schwerer zugänglich ist. So sind wir hier gelandet, antwortete Frau Müller und schwieg dann etwas hilfesuchend, da das Thema wieder auf den Fund der Leiche zu kommen drohte.

      Sarah entnahm der Antwort auch, dass die beiden offensichtlich Studenten waren. Sie winkte ab.

      Verstehe, sagte sie.

      Und wie werden diese Caches dann versteckt und vor allem verpackt? Das Ganze muss doch vor der Witterung geschützt werden!

      Diesmal griff Herr DaCelli zu dem Rucksack, an dem sich auch die Trinkflasche befunden hatte. Er zeigte Sarah eine transparente Tupperdose von der Größe eines DIN A4-Blattes, etwa drei Finger tief. Darin konnte Sarah ein Notizbuch, zwei Stifte und diverses Kleinzeug erkennen.

      Das ist eigentlich dicht genug und auch sehr haltbar, sagte Herr DaCelli, aber es wird dann noch in zwei, drei Plastiktüten gewickelt, damit es sauber bleibt und beim Öffnen kein Dreck oder Wasser hineingelangt.

      Sarah nickte und schürzte nachdenklich die Lippen. In einiger Entfernung hörte sie das unverwechselbare Geräusch von Thomas’ 650er Einzylinder-Enduro, die sich den Berg nach oben kämpfte. Die Schotterpiste mit seiner kräftigen und agilen Geländemaschine hinaufzuheizen machte ihm sicherlich Spaß und er würde dementsprechend schnell da sein. Sarah betrachtete noch einmal kurz die Utensilien. Mehr würde sie von den Beiden nicht erfahren können.

      Ok, ich denke, das war es erst einmal. Vielen Dank für die Informationen. Wenn Sie bitte noch wie besprochen etwas warten würden?

      Sie sah Einverständnis in den Augen und nickte ihnen noch einmal aufmunternd zu. Dann steckte sie den Notizblock weg und ging zu Herrn Klein, damit er die Personalien festhalten konnte.

      Geocaching!, dachte sie, das ist genau nach Thomas‘ Geschmack. Und sie war sich sicher: entweder er wusste nicht, was das war, oder aber er praktizierte es bereits mit Enthusiasmus.

      Was zum Teufel machen diese jungen Leute um die Zeit mitten im Wald?

      Thomas Bierman hatte seine Honda XR650R oberhalb des Streifenwagens abgestellt, den Helm über die Lenkstange gehängt und Klein freundlich, Sarah hingegen sehr herzlich begrüßt. Dass dies seine erste Frage war, hatte Sarah erwartet.

      Sie wollten einen Geocache verstecken, und zwar einen von der Sorte, wo man richtig in die Pampa muss. Deswegen haben sie sich eine abgelegene Stelle gesucht.

      Sarah gab sich wissend und sagte sonst nichts dazu. Sie beobachtete ihn scharf. Ein kurzes Stirnrunzeln war die einzig erkennbare Reaktion. Er dachte kurz nach.

      Ja, das wäre natürlich eine stimmige Erklärung.

      Sie war sich noch nicht sicher, ob das eine ironische Erwiderung aufgrund vollkommener Ahnungslosigkeit war, oder ob er dieses Fakt kurz analysiert und auf seine Glaubwürdigkeit hin beurteilt hatte.

      Hältst du es für notwendig, zu überprüfen, ob die Internet-Codenamen existieren und auch tatsächlich zu den beiden gehören?

      Sarah lächelte innerlich. Verdammt, dachte sie, natürlich weiß er, was Geocaching ist! Sie schüttelte den Kopf.

      Ich halte sie für glaubwürdig. Ich habe ihre Ausrüstung gesehen, GPS, Frischhaltedose und das ganze Zeug. Zwei verliebte Studenten mit einem gemeinsamen Hobby. Wenn die Ausweise in Ordnung sind, würde ich sie entlassen. Zumal, warum eine Leiche mit größtem Aufwand verstecken und an einer Stelle platzieren, wo sie nach menschlichem Ermessen niemals gefunden wird, und dann die Meldung machen und sich so ins Spiel bringen? Die Leiche scheint auch schon eine Weile hier draußen zu liegen, der Mann sprach von einem ziemlichen Gestank...

      Thomas nickte kurz. Er verließ sich häufig auf Sarahs Urteil, was die Einschätzung von Menschen anging.

      Ok, die Codenamen soll Klein trotzdem notieren, die zwei Minuten nehme ich mir nachher im Büro. Wenn es darum geht, vom Betreiber der Geocaching-Homepage die Namens- und Adressdaten zu bekommen, brauchen wir eh einen richterlichen Beschluss. Den fordern wir aber nur an, falls sich Hinweise auf die beiden ergeben sollten.

      Damit verstießen sie gegen einen der Grundsätze, wenn es um die Eingrenzung eines möglichen Täterkreises ging. Es wurde schon in der Ausbildung immer wieder betont, dass die Person, die einen Leichenfund meldete, grundsätzlich zunächst einmal zu den Verdächtigen zu zählen ist. Allzu oft wiesen die Statistiken ausgerechnet den ahnungslosen und verzweifelten Anrufer bei der Polizei zu guter Letzt als Täter aus. Vor allem bei Verbrechen im häuslichen Bereich und einer Tat, die erst frisch begangen wurde, war der Finder zumindest statistisch signifikant oft auch der Täter. Komischerweise hielt sich offenbar ziemlich hartnäckig der Irrglaube, dass, wenn man sich selber verdächtig macht und bewusst in die Ermittlungen hineinmanövriert, dieses Verhalten von der Polizei als entlastend gewertet würde. Dass nicht zuletzt wegen der durch den Einsatz von Computern gewonnenen erhöhten Datentransparenz und mehr noch durch den immer weiter zunehmenden Einsatz von Psychologen und Profilern solche Taktiken nach hinten losgehen, schien nicht bekannt oder wurde aus Selbstüberschätzung ignoriert. Doch in diesem Fall war die Sachlage komplett anders und so waren auch für Thomas Bierman die beiden jungen Leute wohl nur bedauernswerte Menschen, für die der Zufall die Rolle der Entdecker eines Verbrechens