Sturmernte. Andre Rober. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andre Rober
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847623489
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      Andre Rober

      Sturmernte

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

       Kapitel 11

       Kapitel 12

       Kapitel 13

       Kapitel 14

       Kapitel 15

       Impressum neobooks

      Kapitel 1

       „Denn sie säen Wind und werden Sturm ernten“

      (Hosea 8,7)

      So fühlt es sich also an! Komischerweise war genau das ihr erster Gedanke. Es gab keinen Moment der Verwunderung, keinen Moment des Begreifens, was eigentlich gerade geschehen war. Sie wusste es in dem Augenblick, als es passierte und so war die Frage, die sie sich schon des Öfteren gestellt hatte, mit einem Mal beantwortet. So fühlt es sich also an. Mit geschlossen Augen, ohne Angst oder gar Schmerz wahrzunehmen, horchte sie voller Neugier auf die Flut von Signalen, die ihr Körper in diesen Sekunden aussandte. Alles andere war auf einen Schlag unwichtig. Was sie hierher geführt hatte, was sie hier wollte, alles war wie ausgeblendet. Sie war urplötzlich ganz nah bei sich und gab sich den unterschiedlichen Gefühlen hin, wollte jedes einzelne davon genau erspüren.

       Drei Wochen zuvor

      Sarah Hansen stand in ihrem Büro und sah abschätzig mit leicht angehobenen Augenbrauen auf den Schreibtisch gegenüber. Vor wenigen Augenblicken war die 31-jährige Kriminalkommissarin ins Zimmer getreten. Ihr Kollege Thomas Bierman war noch nicht da. Das war um kurz vor acht Uhr nichts Außergewöhnliches und schon gar nicht der Grund ihres Anstoßes. Was sie, wie schon so oft, irritierte, war das Chaos auf dem Schreibtisch, der dem ihren gegenüberstand. Der Kontrast, hervorgerufen durch die Tatsache, dass ihr eigener Arbeitsplatz ein Musterbeispiel an funktioneller Aufgeräumtheit darstellte, verschärfte noch den Anblick des schier undurchdringlichen Dickichts aus Papieren, Stiften, Akten, leeren Coladosen, Protein-Riegeln, zwei oder drei McDonald’s Verpackungen und diversen anderen Abfällen. Was für eine Sauerei! Wenn sie sich nicht täuschte, lugte unter einem Motorradmagazin – was auch immer dieses auf dem Schreibtisch zu suchen hatte – sogar eine Beweismitteltüte hervor. Diese gehörte nun wirklich, wenn schon nicht in die Asservatenkammer, doch zumindest in eine der abschließbaren Schreibtischschubladen! Obwohl die attraktive junge Frau alleine im Raum war, verzog sie, wie für ein unsichtbares Publikum, ihr Gesicht zu einer missbilligenden Grimasse und sog hörbar die Luft durch die Nase. Dann schüttelte sie resignierend den Kopf, strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und trat ein paar Schritte in Richtung Garderobe, um ihr leichtes Sommerjackett auf einen Bügel zu hängen. Es war Anfang Mai und schon sommerlich warm. Am frühen Morgen, hatte sie das Jackett zwar noch gebraucht, aber der Tag versprach zu einem echten Frühsommertag zu werden. Der Wetterdienst hatte stolze 24 ° C angesagt und beim Blick aus dem Fenster konnte Sarah lediglich ein einziges kleines Wölkchen am Himmel erkennen. Sie trat vor die Garderobe und runzelte erneut die Stirn: die immerhin sieben Kleiderbügel waren allesamt belegt. Kein einziger von einem Kleidungsstück, das ihr gehörte. Wie schaffte Thomas es, immer wieder das Büro abends mit weniger Kleidungsstücken zu verlassen, als er es am Morgen betreten hatte? Egal! Der Zustand der Garderobe war in ihren Augen die konsequente Fortführung des Chaos‘ auf dem Schreibtisch, nur mit dem Unterschied, dass jenes Chaos diesmal in einen Bereich übergriff, der auch von ihr genutzt wurde. Sie nahm sich vor, Thomas wieder einmal auf diesen Missstand hinzuweisen und befasste sich sogar mit dem Gedanken, ihm anzubieten, den Haufen von Kleidungsstücken, mit dem die Garderobe zugedeckt war, und diverse Gegenstände, die seinen Schreibtisch verunstalteten, mit dem Auto nach Hause zu bringen. Mit seinem Motorrad würde er schätzungsweise fünf Mal hin- und herfahren müssen, um den Berg an Klamotten und anderen Utensilien effektiv abtragen zu können. Was sie nicht begreifen konnte war die Tatsache, dass ein Mensch, den man guten Gewissens als einen echten Chaoten bezeichnen konnte, derart brillant und strukturiert Fakten zusammentragen und die entsprechenden Rückschlüsse daraus ziehen konnte. Hätte sie Thomas privat kennengelernt, wäre „Ermittler bei der Mordkommission“ der letzte Beruf gewesen, den gewissenhaft auszuführen sie ihm zugetraut hätte. In ihm hätte sie, gut gebaut und durchtrainiert wie er war, eher einen Animateur gesehen, vielleicht einen Profisportler in einer ausgefallenen Disziplin, Kiten oder Sky-Surfen. Bassgitarrist in einer Rockband würde ihm auch gut stehen, oder besser noch: ein Video- oder Performancekünstler. Nicht in der extrovertierten, schrillen Art eines Jonathan Mese, sondern ein gehöriges Maß stiller und subtiler. Aber Polizist? Niemals wäre ihr dieser Gedanke kommen, allein wegen der fast schulterlangen, schwarzgelockten Haare und der Tattoos, die, abhängig von seiner Kleidung, manchmal am Hals oder den Unterarmen zu sehen waren! Die mittlerweile fast drei Jahre, die sie nun mit ihm als Partner zusammenarbeitete, hatten sie eines Besseren belehrt. Seine fachlichen Qualitäten als Kollege waren der eine Grund dafür, dass sie über die Auswüchse seines chaotischen Verhaltens meist lächelnd hinwegsehen konnte. Der zweite Grund war, dass sie ihn einfach sehr gern hatte. Auch wenn er ihr durch seine abgeklärte und distanzierte Art bisher wenig Möglichkeiten geboten hatte, ihn näher kennenzulernen, übte er eine für sie schwer zu definierende Anziehung auf sie aus. Sein Gesicht war zwar markant, aber weit davon entfernt, als attraktiv bezeichnet werden zu können. Es wurde von einer ziemlich großen Nase dominiert, die eindeutig irgendwann einmal übel zugerichtet worden war. Man hatte seinerzeit offensichtlich keine allzu großen Anstrengungen unternommen, die Deformationen wieder geradezubiegen. Auch eine sehr gut sichtbare Narbe am Kinn sowie die Tatsache, dass eine schlimme Akne im Jugendalter nicht richtig behandelt wurde, trugen wenig dazu bei, seine äußere Erscheinung besonders positiv erscheinen zu lassen. Aber vielleicht genau wegen der Kombination aus Verschlossenheit und der offensichtlichen unerfreulichen Erfahrungen, die er in seinem Leben schon gemacht haben musste, unterschied ihn von dem, was man gemeinhin als die Norm bezeichnete. Auf alle Fälle war er ein ganz klein wenig geheimnisvoll, wobei trotz seines zum Teil fast abweisenden Verhaltens seine dunklen Augen immer eine tiefe Wärme ausstrahlten. Immerhin: vor einigen Wochen war sie zum ersten Mal auch