Timeflyer. Doris Bühler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Doris Bühler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847660262
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fast die ganze Breite der Wand ein. In einigen der Fächer standen Bücher, in einem anderen zerbrechliche Gebilde aus Glas. Daneben, in einem silbernen Rahmen, das Foto einer hübschen dunkelhaarigen jungen Frau.

      Als er hinter sich ein Geräusch hörte, wandte er sich irritiert um. Da hatte sich etwas bewegt, er konnte jedoch nicht ausmachen, was es gewesen war. Dann fiel sein Blick auf das Bett, und er sah Viola, wie sie langsam die Bettdecke, die sie sich vor seinem Eintreten über den Kopf gezogen hatte, wieder zurückschob. Trotz des Dämmerlichtes war das Blau ihrer Augen leuchtender, als je zuvor. "Komm," sagte sie leise, “mir ist kalt. Du mußt mich wärmen."

      Eine Sekunde lang stand er nur stumm da und schaute sie an, doch sein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Okay, sagte er sich, warum nicht? Schließlich war es genau das, was ihm jetzt noch fehlte. Er schloß die Tür hinter sich und drehte den Schlüssel herum.

      "Rutsch ein Stück," sagte er, ließ das Handtuch von seinen Hüften auf den Boden gleiten und stieg zu ihr unter die Decke. Seine Hand tastete als erstes nach ihrem Busen, der ihn von Anfang an fasziniert hatte, und er fühlte, wie sich unter seiner Berührung die Brustwarzen aufrichteten und sich die prallen vollen Rundungen mit einer Gänsehaut überzogen.

      "Puh, der Kaffee schmeckt stark und bitter,” sagte Viola später, als Kalle in einer ihrer Jeans und in einem gestreiften T-Shirt hereinkam. "Aber du mußt trotzdem eine Tasse trinken, zum Wegschütten ist er einfach zu schade. Vielleicht kann man ihn mit heißem Wasser ein bißchen verdünnen."

      "Stellen wir uns einfach vor, es wäre Espresso," schlug Kalle vor und hielt ihr seine Tasse hin. “Oder arabischer Mokka.”

      Sie schenkte ihm ein. Dabei fiel ihr Blick auf die viel zu großen Jeans, die er trug, und sie mußte lachen. "Wenn wir dich eine Weile rausfüttern würden, könnten sie dir eines Tages vielleicht passen,” meinte sie. Dann betrachtete sie ihn nachdenklich und fügte hinzu: "Was hälst du eingentlich von der Idee?”

      Er verstand nicht, was sie meinte. “Von welcher Idee?”

      Sie sah ihn aus schmalen Augenschlitzen an. “Du suchst doch eine neue Unterkunft. Eigentlich könntest du auch bei uns wohnen.”

      "Sag das noch mal!"

      "Ja, du könntest bei uns einziehen, - warum eigentlich nicht?" Sie rührte in ihrer Kaffeetasse. "Wir haben noch ein Zimmer übrig. Das ist zwar nur klein, und es steht auch nicht viel drin, außer einem alten Sofa, unserem Bügelbrett und ein paar Sachen, die wir nicht sehr häufig brauchen. Aber besser als bei Josch und Biene wäre es allemal."

      "Das kannst du doch nicht einfach über die Köpfe deiner Mitbewohnerinnen entscheiden, oder?”

      Sie hob die Schultern. "Ich glaube nicht, daß sie etwas dagegen hätten.”

      “Sie kennen mich doch gar nicht.”

      “Das Risiko ist auf beiden Seiten, - du kennst sie doch auch nicht.”

      Kalle überlegte. "Ist vielleicht ein Haken dabei?" fragte er mißtrauisch.

      Ihre blauen Augen blitzten spöttisch. "Vielleicht! Aber den mußt du selbst herausfinden."

      "Dann lassen wir's doch lieber."

      "Sei kein Frosch! Oder macht es dir etwa Spaß, bei Josch und Biene in dieser kleinen stinkenden Kammer zu hausen? Du brauchst mir nichts vorzumachen, ich weiß bescheid. Ich kenne ihre Wohnung und weiß, wie es bei ihnen aussieht."

      "Aber du bietest mir dieses Zimmer doch nicht aus lauter Menschenfreundlichkeit an, ohne eine bestimmte Absicht, oder?"

      Sie lächelte und schwieg.

      "Warum, Viola?" bohrte er weiter.

      "Warum nicht? Das Zimmer ist frei, und du bist ein netter Kerl. Uns fehlt schon lange ein Mann im Haus. Zu unserem persönlichen Schutz zum Beispiel." Sie lachte. "Oder wenn das Fenster klemmt, der Wasserhahn tropft oder das Klo verstopft ist."

      "Das sind ja schöne Aussichten."

      "Dafür könntest du jeden Tag ein Bad nehmen."

      Kalle schwieg und dachte nach.

      "Du darfst allerdings nicht glauben, daß wir dich wie einen Pascha behandeln würden. Gleiche Pflichten für alle!"

      "Dann bleib ich doch lieber bei Josch und Biene, dort kriege ich wenigstens meine Wäsche gewaschen," konterte er.

      "Wir haben eine Waschmaschine, die so einfach zu bedienen ist, daß selbst du es lernen könntest, damit umzugehen."

      Ihre Blicke trafen sich. Er wünschte, er hätte in dem Blau ihrer Augen lesen können, was in ihr vorging, aber es war, als starre er gegen eine undurchdringliche Wand.

      "Ja oder Nein?" fragte sie schließlich.

      "Muß ich mich gleich entscheiden?"

      "Ja."

      "Noch bevor ich die anderen Mädchen kennenlerne?"

      "Ja. Denn wenn du Nein sagst, erübrigt es sich, daß ich mit ihnen rede."

      Kalle war nicht wohl in seiner Haut. Es war einfach zu schön, um mit rechten Dingen zuzugehen. Was hatte Viola mit ihm vor? Sie kannte ihn doch gar nicht. Suchte sie auf Biegen und Brechen einen Freund, an den sie sich klammern konnte, und den sie dann nie wieder losließ? Das wäre nicht gerade das, was er sich erträumte. Oder lag sie im Clinch mit den anderen Mädchen und wollte sie ärgern oder eifersüchtig machen? - Andererseits, was hatte er zu verlieren? Er konnte jederzeit wieder gehen, wenn es ihm nicht gefiel. Notfalls zurück zu Josch und Biene, sie würden ihn ganz sicher wieder aufnehmen, bevor sie ihn auf der Straße schlafen ließen.

      "Also gut, ich nehme dein Angebot an," sagte er schließlich und streckte ihr die Hand hin. Sie schlug ein. “In Ordnung,” sagte sie und stand auf. “Komm mit, und schau’ dir das Zimmer an.”

      Als Fredy kam, um abzurechnen und Kalle in Violas Jeans im Wohnzimmer sitzen sah, lachte er, und Kalle hatte das unangenehme Gefühl, daß er genau wußte, was passiert war.

      “Kalle wird bei uns einziehen,” sagte Viola ohne mit der Wimper zu zucken, “es wäre nett, wenn du ihn in die Schwanenstraße fahren könntest, damit er seine Sachen holen kann.”

      “Halt!” warf Kalle ein. “Du solltest deine Freundinnen vorher fragen. Vielleicht sind sie gar nicht mit mir einverstanden.”

      “Ich kenne sie gut genug. Sie werden meine Entscheidung akzeptieren, da bin ich mir ganz sicher.”

      Kalle hatte befürchtet, Josch und Biene könnten ihn für undankbar halten, wenn er sie mit seinem Auszug so überrumpelte. Andererseits hielt er es aber auch für möglich, daß sie froh waren, endlich wieder allein und unter sich zu sein. Als er ihnen sein Vorhaben mitteilte, äußerten sie sich allerdings weder positiv noch negativ.

      Kalle drückte Biene den Umschlag mit der Tagesprämie in die Hand, die ihm Fredy zugeteilt hatte. “Das ist für dich, Biene,” sagte er und zwinkerte ihr zu. Er hatte ihr zusätzlich noch etwas Geld fürs Wäschewaschen dazugesteckt. “Ich muß mich bei dir bedanken, weil du mich so lange mit versorgt hast.”

      Sie lächelte. “Von mir aus hättest du ruhig noch länger bleiben können, Kalle, das weißt du. Und falls es dir bei den Mädchen nicht gefällt...”

      Josch warf ihr einen schnellen Blick zu. “Halt den Mund!” sagte er streng, und an Kalle gewandt: “Darfst das nicht falsch verstehen, kannst jederzeit wieder zurückkommen. Sie meint nur, falls es irgendwie Schwierigkeiten geben sollte...”

      “Schwierigkeiten? Denkt ihr, wir könnten uns vielleicht nicht vertragen? Ich werde ihnen ganz sicher keinen Grund liefern, sich mit mir zu streiten.”

      “Nein, nein, hast ja recht! Wirst schon wissen, was zu tun ist,” antwortete Josch und klopfte ihm auf die Schulter.

      Zum Abschied schüttelte Kalle Josch noch einmal die Hand und nahm Biene in den Arm. Sie fühlte sich federleicht und zerbrechlich an. “Danke für eure Hilfe.