Timeflyer. Doris Bühler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Doris Bühler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847660262
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sie.

      Kalle hatte nicht mit einer Einladung gerechnet. Schon gar nicht, nachdem er bemerkt hatte, daß ihr sein Blick auf ihren Busen nicht entgangen war. "Wenn es dir nichts ausmacht."

      "Wenn es mir was ausmachen würde, hätte ich dich wohl kaum gefragt, oder?"

      Er schaute sie an und lächelte. "Okay."

      Fredy hielt in der Nähe des Gottesauer Tores vor einer Wohnanlage, die aus mehreren turmähnlichen Gebilden bestand; jeder Turm setzte sich aus terrassenförmig ineinandergeschachtelten Wohnungen zusammen. Dazwischen rankte viel Grünes, und die roten und lila Blüten von Geranien und Petunien auf den Balkonen brachten ein wenig Farbe in die graue Landschaft aus Beton.

      "Die Abrechnung machen wir später," sagte Fredy, "ich muß mich zuerst um Barbara kümmern."

      Da die Ladenfront am Fuße des Wohnturms bis zur Straße hin überdacht war, erreichten Viola und Kalle das Treppenhaus, ohne noch einmal in den Regen hinaus zu müssen. Er folgte ihr durch nackte häßliche Gänge, graue Betontreppen hinauf, und obwohl die Wohnungstüren auf jeder Etage in einer anderen leuchtenden Farbe gestrichen waren, wirkte das Treppenhaus düster und schmutzig, kühl und klamm, und es zog so heftig, daß sie in ihren durchnäßten Kleidern vor Kälte schauderten.

      Kalle war nie zuvor in einer solchen Wohnanlage gewesen. "Gemütlich wie in einer Tiefgarage,” stellte er sarkastisch fest und rieb sich frierend die Arme.

      Unbeirrt lief Viola weiter. "Wart's nur ab. Schließlich wohnen wir nicht im Treppenhaus."

      Im Gang der roten Türen blieb Viola vor einer von ihnen stehen und zog ihren Schlüsselbund aus der Hosentasche. An der Wand neben der Tür waren drei Namensschildchen angebracht, die Kalle interessiert studierte.

      “Daniela Baumann, Viola Rüdinger, und Petra Klein,” las er. Er stutzte. "Du wohnst nicht allein hier?"

      "Nein," kam ihre Antwort, während sie aufschloß.

      "Was werden die anderen Mädchen sagen, wenn ich hier einfach so hereinschneie...?"

      "Erstens geht es niemanden etwas an, wen ich mitbringe, zweitens sind die beiden sowieso nicht zu Hause, und drittens, warum sollte jemand Anstoß daran nehmen, wenn du bei mir noch schnell einen Kaffee trinkst?" Sie schob ihn in den Flur. "Nun geh schon!"

      Kalle sah sich um. Durch eine offenstehende Tür fiel sein Blick in das Wohnzimmer, und er staunte, wie hübsch es eingerichtet war. Es wirkte gemütlich und erinnerte ihn ein bißchen an zu Hause. Auf einer alten Couch aus den 50er Jahren, zwischen Kissen in selbstgehäkelten Bezügen, saß eine Porzellanpuppe mit echtem Haar und Schlafaugen. In einer der Zimmerecken hing eine Blumenampel aus Makramee, in einer anderen ein Mobile aus bunten strohgeflochtenen Fischen. Und überall gab es Grünpflanzen und Bilder an den Wänden. All die verspielten kleinen Extras wiesen darauf hin, daß hier weibliche Hände am Werk gewesen sein mußten. Er lächelte. Er hatte drei Schwestern, deshalb kannte er sich in diesen Dingen aus.

      "Schön habt ihr's," stellte er bewundernd fest.

      "Ja, wir fühlen uns auch sehr wohl hier.”

      Viola öffnete eine Tür, die in eine kleine Küche führte. “Ich kümmere mich schnell um den Kaffee. Aber setz dich noch nirgendwo hin, du machst sonst alles naß."

      Kalle lehnte sich an den Türpfosten und schaute ihr zu, wie sie zwei Tassen aus dem Schrank nahm und auf einem kleinen Tablett absetzte. “Mit Milch und Zucker?” fragte sie.

      "Ja."

      Aus einer Schublade nahm sie Teelöffel, aus dem Kühlschrank eine Dose Milch, und dann suchte sie nach dem Zucker, den sie nirgendwo finden konnte. "Verdammt!" schimpfte sie, "wenn doch dieses Mädchen nicht so schrecklich unordentlich wäre."

      "Diese Wohnung muß doch ziemlich teuer sein,” mutmaßte Kalle, “teilt ihr euch die Miete?"

      "Sie gehört Dany. Petra und ich geben ihr nur etwas dazu. Soviel wir eben können."

      "Was hat Dany für einen Job, daß sie sich das leisten kann?"

      Viola lachte trocken. "Gar keinen, sie studiert. Sie hat nur reiche Eltern, das ist alles."

      Viola hatte den Zucker gefunden, stellte ihn neben die Tassen und drückte Kalle das Tablett in die Hand. "Trag das schon mal ins Wohnzimmer," sagte sie, “ich setze solange den Kaffee auf. Und dann sollten wir uns schnell mit trockener Kleidung versorgen, bis der Kaffee soweit ist. Mir ist richtig kalt in den nassen Sachen."

      Kalle sah die Gänsehaut auf ihren nackten Armen und nickte, auch ihm war kalt.

      Als er zurückkam, war Viola in einem der Zimmer am Ende des Korridors verschwunden. “Komm rein!" rief sie ihm zu, und als er die nur angelehnte Tür vollends öffnete, warf sie ihm ein Handtuch entgegen. "Da! Trockne dich ab. Du siehst immer noch aus, als wärst du in einen Bach gefallen."

      Kalle rubbelte sich das nasse Haar. "Hast du vielleicht auch irgendwo einen Kamm?"

      "Im Bad. Vorn links, letzte Tür."

      Vor dem großen Spiegel im Badezimmer frottierte er sich noch einmal gründlich die Haare und kämmte sich. Dabei fiel sein Blick auf die Badewanne. Sehnsüchtig schaute er sich nach ihr um, und plötzlich hatte er eine Idee... Er lief in den Flur zurück. “Viola...?"

      Sie zog gerade das nasse Shirt über den Kopf, als er zurückkam. Er stutzte und sah ihr verblüfft zu.

      "Ja?" Sie bemerkte seinen Blick. "Was starrst du mich so an! Zieh dir lieber auch die nassen Klamotten aus. Wir werden schon was Passendes für dich finden."

      Es fiel ihm schwer, seinen Blick von ihrem nackten Busen zu wenden, der jede ihrer Bewegungen mitmachte.

      "Nun mach schon, zieh deine Hosen aus. Anderenfalls darfst du dich nirgendwo hinsetzen," drohte sie.

      Inzwischen hatte er sich wieder gefangen. "Viola, ich würde gern... Hättest du was dagegen, wenn ich... bade?"

      Sie zog sich ein frisches T-Shirt über den Kopf. “Was willst du?” fragte sie verwundert. “Baden?”

      "Weißt du, ich habe schon ewig kein richtiges Badezimmer mehr gesehen,” versuchte er, ihr seinen Wunsch zu erklären. “Und die Dusche in der Firma ist auch nicht das Wahre. Ein Bad wäre für mich jetzt wirklich das Größte.”

      Sie hob die Schultern. "Ja, gut. Von mir aus kannst du auch baden, wenn es dich glücklich macht. Beeil dich halt, der Kaffee ist bald fertig.”

      Während er das Badewasser einließ, pfiff er vor sich hin. Neugierig öffnete er die Fläschchen und Dosen, die auf den Regalen und Ablagen standen. Aus einem Flakon mit Schaumbad roch es nach Flieder, das war der schönste Duft, der ihm seit Wochen unter die Nase gekommen war. Zufrieden ließ er einen kräftigen Schuß von der lila Flüssigkeit in die Wanne rinnen. Das duftende heiße Wasser war herrlich, es prickelte auf der Haut und wärmte ihn bis auf die Knochen. Er rutschte bis zum Hals hinein, ließ die Füße über den Wannenrand hinausragen, schloß die Augen und fühlte sich wohl. Das erste Mal seit Wochen fühlte er sich wunderbar. Mann, dachte er seufzend, hier könnte man's aushalten.

      Er hatte keine Ahnung, wie lange er in der Wanne zugebracht hatte. Als er herausstieg, fiel ihm ein, daß er vergessen hatte, Viola nach einem Badelaken zu fragen, und zum Anziehen hatte er auch nichts mitgenommen. Er trocknete sich mit einem der Handtücher ab, die über der Trockenstange hingen, wickelte es sich wie einen Lendenschurz um die Hüften und tappte barfuß über den Flur bis zu Violas Zimmer. "Viola?"

      Sie antwortete nicht. Ihre Tür war nur angelehnt, und als er sie ein wenig weiter aufdrückte und bemerkte, daß sie nicht nicht da war, trat er ein und schaute sich neugierig um. Das Zimmer war klein und dunkel, vom Fenster her fiel nur wenig Licht herein. Das Stückchen Himmel, das über den Betonmauern der Nachbarwohnungen zu sehen war, war grau und wolkenverhangen. Das Gewitter war zwar vorüber, aber es regnete noch immer, und irgendwo tropfte der Regen in monotonem Rhytmus auf einen blechernen Gegenstand.

      Neben dem Fenster stand ein kleiner runder Tisch mit zwei Sesseln,