Timeflyer. Doris Bühler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Doris Bühler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847660262
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      Dany zündete sich eine Zigarette an und sagte zu Viola: “Ich finde, eigentlich ist es deine Sache, es ihm zu erklären.”

      Viola nickte und schaute ihn mit ihren leuchtend blauen Augen an. “Wir haben die Wohnung jetzt seit fast zwei Jahren,” begann sie. “Zuerst wohnte ich hier mit Dany allein. Das heißt, genaugenommen ist es Danys Wohnung. Sie nahm mich bei sich auf, weil wir... Freundinnen geworden waren. Du verstehst, was ich meine?”

      “Ja.”

      “Nein!” Sie seufzte resigniert. “Du verstehst es eben nicht! Was ich meine, ist, daß Dany nicht nur meine Freundin ist, sondern sie ist... ist...”

      “Du brauchst nicht ins Detail zu gehen, ich kann mir tatsächlich denken, was du meinst,” antwortete Kalle gereizt.

      Dany blies langsam den Rauch aus. Sie hatte die hübschen langen Beine übereinandergeschlagen und beobachtete ihn aus schmalen Augenschlitzen. “Bist du sicher?”

      “Mein Gott, ich bin weder blind noch beschränkt,” sagte Kalle ärgerlich. “Ihr seid ein Paar, na und? Von mir aus könnt ihr machen, was ihr wollt. Das geht mich nichts an, und das interessiert mich auch nicht. Nur, - was hat das alles mit mir zu tun.”

      Viola schluckte. “Ich habe nicht erwartet, daß du es gemerkt hast,” meinte sie. “Wie ich schon sagte, zuerst habe ich mit Dany allein hier gewohnt, doch dann ist meinen Eltern etwas über uns zu Ohren gekommen. Sie haben mich zur Rede gestellt, aber ich habe es abgestritten. Ich habe ihnen gesagt, alles, was sie gehört haben, sei nur dummes Geschwätz gewesen. Daraufhin haben sie uns meine Schwester geschickt. - Ja, Petra ist meine Schwester. Meine Stiefschwester. Sie soll, wenn man so will, auf mich aufpassen, soll zu Hause genau Bericht erstatten, verstehst du?”

      “Das einzige, was ich nicht verstehe, ist, warum ihr ein Geheimnis daraus macht. Wir leben doch nicht mehr im Mittelalter.”

      Dany zog an ihrer Zigarette und lachte trocken. “Siehst du, genau das predige ich ihr jeden Tag.”

      Viola sah Kalle unglücklich an. “Du kennst meine Eltern nicht,” sagte sie leise. “Mein Vater ist Pfarrer in einer kleinen Gemeinde, in der jeder jeden kennt. Für ihn wäre es eine Katastrophe, wenn herauskäme, daß ich....”

      Kalle zuckte die Schultern. “Schön und gut, aber das ist euer Problem. Ich wüßte nicht, wie ich euch dabei helfen könnte.”

      “Eines Tages hatten wir dann eine brillante Idee," fuhr Viola fort. "Jedenfalls dachten wir das. Wenn wir einen netten Freund für Petra fänden, dachten wir, dann hielte sie vielleicht den Mund, verstehst du? Sie weiß genau, daß es unsere Eltern nicht gern sehen würden, wenn sie schon einen Freund hat, sie ist erst sechzehn. Aber wenn es mit euch beiden geklappt hätte, dann hätten wir sagen können: Okay, Kleine, wenn du schweigst, dann schweigen wir auch. - Eine blöde Idee, ich weiß, aber...”

      “Und ihr dachtet, ich wäre der Richtige für sie?”

      “Ich dachte es,“ sagte Viola. “Du bist genau der Typ..."

      “Weil ich gleich am ersten Tag...?”

      Sie warf ihm einen schnellen, beschwörenden Blick zu, und er verstand. “...weil ich mich gleich am ersten Tag hab einladen lassen und bereit war, zu bleiben?”

      Viola atmete auf. “Du kommst mit Mädchen gut zurecht. Und du bist genau der Typ, auf den sie fliegt, das wirst du selbst schon gemerkt haben. Ich dachte, wenn sie erst einmal um dich herumtanzt... Petra ist ein lieber Kerl. Es hätte ja sein können, daß du darauf eingegangen wärst, - daß du dich vielleicht sogar in sie verliebt hättest.”

      Kalle schüttelte den Kopf. “Tut mir leid, daß ich euch enttäuscht habe. Sie ist zwar wirklich ein netter Kerl, aber ich habe mich nicht in sie verliebt. Und ich hatte auch niemals vor, mich in irgendeiner Weise mit ihr einzulassen.”

      Die beiden Mädchen schwiegen.

      “Das bedeutet also, ihr müßt weitersuchen,” sagte Kalle und stand auf. “Und ich werde mich wohl oder übel nach einer neuen Wohnung umsehen müssen.”

      “Nein!” riefen beide wie aus einem Mund.

      “Natürlich nicht, Kalle,” beteuerte ihm Viola. “Wir mögen dich, und wir haben uns an dich gewöhnt....” Sie lächelte hilflos.

      Er hob die Schultern. “Aber ich hab die Erwartungen nicht erfüllt, die an euer Angebot geknüpft waren. Jetzt muß ich Platz machen für einen anderen, mit dem ihr vielleicht mehr Glück habt. Glaubt ihr denn, ich würde mich jetzt hier noch wohlfühlen?”

      “Das tut uns sehr leid.”

      Müde fuhr er sich mit der Hand über die Stirn und seufzte. Leb wohl Badezimmer, dachte er, leb wohl Waschmaschine, Fernseher, gemütliches Wohnzimmer.. Es wäre auch zu schön gewesen. Das also war der Haken, den er befürchtet hatte. Dieses unbestimmte, unangenehme Gefühl hatte sich letztendlich also doch als richtig erwiesen. In gewisser Weise war er sogar froh darüber, daß er nun endlich wußte, woran er war. “Ich werde versuchen, etwas anderes zu finden, aber ich weiß natürlich nicht, wie schnell es klappen wird.”

      “Kalle!”

      “Schon gut, c’est la vie!” Er ging zur Tür, wandte sich dann aber noch einmal um und sagte: “Ich habe einen Freund mitgebracht. Er hatte einen kleinen Unfall und kann heute nacht nicht mehr nach Hause. Wenn ihr nicht wollt, daß er im Wohnzimmer auf der Couch schläft, schlafe ich dort, dann kann er in meinem Zimmer übernachten.”

      “Natürlich kann er auf der Couch schlafen, Kalle” sagte Dany, und Viola fügte schnell hinzu: “Wir haben nichts dagegen.”

      Auf dem Flur lief ihm Petra über den Weg, sie war gerade nach Hause gekommen. “Hallo, Kalle, du bist aber früh dran heute.” Sie hängte ihren Mantel an die Garderobe. “Kommst du mit rüber zum Fernsehen?”

      “In meinem Zimmer wartet ein Freund von mir...”

      “Na, den bringst du mit. - Habt ihr schon was gegessen? Ich habe einen Mordshunger. Wenn du willst, mach’ ich euch was mit.”

      Sie knipste das Licht im Wohnzimmer an und schaltete den Fernseher ein. “Nun komm schon, hol deinen Freund. Im Zweiten kommt ein spannender Krimi.”

      Dann steckte sie den Kopf in Violas Zimmer. “Hallo, ihr Hübschen, habt ihr schon gegessen?”

      “Ja. Danke, Kleines,” hörte man Dany antworten.

      “Wollt ihr euch denn wieder den ganzen Abend nur verkriechen? Schaut euch doch mit uns zusammen den Film an.”

      “Wir kommen später.”

      “Okay!” Petra stürmte in die Küche und begann, laut klappernd und vor sich hin trällernd, das Abendbrot zu richten.

      Als sie Pit sah, hielt sie bestürzt inne. “Was ist denn mit dir passiert?”

      Pit verzog das geschwollene Gesicht. “Ich hab das Pech gehabt, jemandem in die Faust zu laufen,” spaßte er, obwohl ihm eigentlich nicht danach zumute war. Selbst das Lächeln, zu dem er sich durchrang, fiel ihm schwer.

      Petra setzte das Tablett ab und deckte den Tisch, ohne dabei den Blick von ihm zu wenden. “Kannst du denn überhaupt essen mit dieser Lippe?” fragte sie voller Mitleid.

      “Du wirst ihn wohl füttern müssen,” neckte Kalle.

      Aber sie bohrte weiter. “Jetzt erzähl mal, wie ist das passiert.” Und sie ruhte nicht eher, bis sie die ganze Geschichte kannte.

      Es verging kein Tag mehr, an dem Pit nicht im Wohnturm vorbeikam und sich von Petra versorgen und bemitleiden ließ, oder daß er sie abholte, um mit ihr auszugehen. Spätestens nach einer Woche war jedem klar: Zwischen den beiden hatte es gefunkt. Kalle wußte nicht, ob er darüber lachen oder weinen sollte. Im Grunde hätte er froh sein sollen, daß jetzt endlich jemand gefunden war, der die Rolle übernahm, die eigentlich ihm zugedacht gewesen war. Andererseits sah er sich aber gerade deshalb genötigt,