DIE HAVARIE. Klaus J. Hennig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Klaus J. Hennig
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844239164
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Siebenschläfern, die in ihren Waldnestern eigentlich bis zum Frühling durchschlafen wollten. Mit Knoblauch, Zwiebeln und eingelegten Oliven, es konnte auch einmal Kohl sein; die Tontöpfe kamen in den Ofen, wenn das Brot heraus war, und blieben dort über Nacht.

      Schließlich brachte man Geld unter die Leute, wie sollten sie denn sonst daran kommen? Die saßen doch auf ihren Höfen und was sie brauchten, fertigten sie selbst an. Außer Geld natürlich. Lohnarbeit für ein paar Asse gab es allenfalls in einer Stadt oder im Transportgewerbe auf dem Fluß. War aber selten, denn Sklaven gab es auch hier. Der Soldat hatte bares Geld, nicht soviel wie ein Kaufmann, aber ein Legionär konnte auch nicht pleite gehen. Ins Grab ja, manchmal sogar früher als andere, aber pleite? Alte Soldaten, die sich kein Land kaufen wollten, verliehen ganz gerne mal ein paar Sesterzen, um sie später als Denare zurück zu bekommen. Stieß einem etwas zu, dann trieb immer noch der Zahlmeister die Außenstände aus den kleinen Kreditgeschäften ein und verfuhr damit nach dem Testament, das der schon unter dem Rasen Liegende auf der Schreibstube hinterlegt hatte. In einer Legion herrschte schließlich Ordnung.

      Auch die Legion gab Geld aus, hielt eine Menge Gewerbe am Leben. Die Steinmetze für die Grabmäler fanden immer auch Arbeit auf den Baustellen des Militärs. Die Vertragshändler für Verpflegung, Pferdefutter, die Pferdehändler, die Schmiede, die Gerber, die Zeltmacher - der Legionär konnte eine Menge selber machen im Lager, aber eben nicht alles. Unter Claudius wurden dann die feuergefährlichen Werkstätten außerhalb des Lagers angesiedelt, in diesen Budendörfern sammelte sich eine Menge Volks.

      Außerdem - wer war man denn? Dreihundert Denare, weiß Gott nicht alles Silber der Welt, waren einem aber sicher. Alles bekam man nicht auf die Hand, die Legion behielt einiges ein davon, für die Verpflegung, für die Rücklagen nach der Entlassung oder für eine ordentliche Bestattung. Dagegen standen die Zulagen, für Salz, für Sohlennägel, für die Feiertagsmahlzeiten. Geldgeschenke, wenn dem Kaiser ein Sohn geboren wurde oder er irgend ein Jubiläum feierte. Die Sonderzahlungen für eine kämpfende Legion gab es jetzt schon für die Kaisermanöver, denn an einen anständigen Feldzug war kaum noch zu denken, und es gab sie abzugslos auf die Hand, man konnte sogar Kredit darauf bekommen.

      Tullius' Frau, rothaarig und nicht gerade mager, war keine Städtische aus Mainz, wo er sie aufgegabelt hatte. Oder sie ihn? Jedenfalls hatte sie ihn öfter einmal aus der Kneipe, in der sie bediente, auf ihre Stube mitgenommen, die Mitbewohnerin verschwand dann immer ganz still, und sie hatte eingewilligt, als er ihr eine andere Bleibe zu mieten anbot, in der sie ihm dann außerhalb des Lagers die Küche machte, wie das in den Baracken hieß.

      Als er sich schließlich das Entlassungsgeld holen konnte, fragten sie ihn, ob er auch sein Testament wiederhaben wolle. Er nahm es und warf es abends ins Feuer, seit einigen Jahren schon hatte ihm niemand sagen können oder wollen, wo die darin Bedachten abgeblieben waren. Der Junge, rothaarig wie die Mutter, mußte inzwischen acht oder neun sein. Er war noch nicht wasserdicht gewesen, als er ihn zum letzten Mal auf dem Arm hatte. Die Stube war aufgeräumt, blitzsauber wie immer, und die Nachbarin hatte ihm auszurichten gehabt, daß sie nicht wiederkämen. Und daß er nicht auf die Idee kommen sollte, nach ihnen zu suchen. Mehr wüßte sie nicht, hatte die Nachbarin gesagt. Weiteres war nicht zu erfahren, und diese rothaarigen Keltinnen verstanden sich auf allerhand, nur nicht aufs Schreiben. Das war ihnen sogar von ihren Priestern verboten.

      Tullius hatte sich auch noch sein Sterbegeld aushändigen lassen. Er war jetzt an die Vierzig, und niemand würde ihn hier an der Mosel auch nur einen Tag länger als nötig sehen. Noch einmal zehn Jahre dranhängen, selbst bei dann dreifachem Sold? Mit den Huren in Trier oder Koblenz, Mainz? In diesen Wintern? Er war schon jetzt kein ganz armer Mann mehr. Die Keltische hatte ihm bestellen lassen, sie ginge dorthin, wo sie hingehörte, und genau das schien ihm nun auch für ihn selbst das Richtige. Er hatte ihr in all den Jahren das Sagen gelassen, auch über ihn, jedenfalls in den häuslichen Angelegenheiten. Was sie für selbstverständlich gehalten hatte. Mit dieser Miene weiblicher Mißbilligung für die törichten Spiele der Männer, die er schon von seiner Mutter, sogar von seinen kleinen Schwestern her kannte. Ob das eine Art Eifersucht war? Weil ihnen irgend etwas fehlte, so wie sie ja auch nicht im Stehen pissen konnten?

      Jedenfalls hatte sie auf den Tag seiner Entlassung, an dem er es legal machen wollte, die Ehe und das römische Bürgerrecht für die beiden keltischen Feuerköpfe, nicht mehr zuwarten wollen. Nun war dieser Tag da, und Tullius fühlte sich wie ein vor die Tür getretener, alter Köter. Ob sie auch schon grau wurde? Vor sechs Jahren noch war sie eine brennende Scheune gewesen, in jeder Hinsicht.

      Es war ein grauer, windiger Morgen als Tullius seinen Sack geschnürt und sich auf den Weg gemacht hatte. Das für die Reise ausgewürfelte Orakel war weder gut noch schlecht.

      »Wende nicht jeden Stein um, damit du nicht auf einen Skorpion triffst«.

      Er hatte die fünf Knochen in den Reisesack gesteckt und würde sie so schnell nicht wieder benutzen. Skorpione in der Eifel! Noch hatte er alle unter der Mütze! Dieser Galgenvogel hinter seinem Markstand hatte wissen wollen, warum er unbedingt auf den Glückswürfeln aus den Hinterläufen der Ziege bestanden hatte, vom Schaf seien sie zwar auch nicht billiger, aber er hätte da noch welche vom Schwein, und für den Gallier sei doch gerade das Schwein... Wortlos hatte ihm Tullius das Geld hinübergeschoben. Noch niemals hatte er eine Ziege einen Fehltritt machen sehen und sie waren die waghalsigsten Kletterer von allen. Aber was verstand dieser Marktschreier davon? Er, Tullius, wußte jedenfalls, wo es Skorpione gab. Da wo er jetzt hingehen wollte.

      Viele Tage auf guten Straßen, so wie auch er sie mit seinen Männern gebaut hatte. Allein, mit wechselnden Gefährten, den Wind fast immer von rechts. Das lange Gehen schreckte ihn nicht, obschon Gewaltmärsche seit Jahren nicht mehr von ihm verlangt worden waren. Der zweite Tag war immer der schwerste wie er wußte, aber auch wußte, wie dem Rechnung zu tragen war, mit längeren Pausen und weniger Meilen. Er opferte den drei Matronen am Weg, wie das die Keltische auch immer gehalten hatte, und irgendwann gab es keine Matronen mehr, da begannen die Leute anders zu sprechen, akzeptierten immerhin sein Soldatenlatein. Der Wind kam nun öfter aus anderen Richtungen, auch wurde es wärmer.

      Kultivierte Ackerflächen drängten den Wald auf die Höhen zurück, an den Bäumen in den Tälern hing Obst. Zwischen den Baumreihen kein Unterholz. Nicht schlecht für die Kavallerie. Abgesessen konnte man sich in Bereitschaft halten und ungehindert, schon im Galopp, aus der Deckung solcher Plantagen hervorbrechen. Überraschung war der halbe Sieg. Auf sanft abfallenden Feldern stellte er seine Kohorten in Schlachtordnung auf, mit der Sonne im Rücken, und vor einer senkrecht aufsteigenden Felswand sah er den idealen Platz für ein Legionslager. Sie ersparte auf der Länge einer ganzen Seite die Arbeit an Wall und Graben, bis ihm einfiel, wie leicht von da oben anzugreifen war mit Steinen und Feuer, Pfeil und Wurfspeer. Weitergehend erteilte er sich einen mittelschweren Verweis, Beförderungssperre nicht unter sechs Monaten.

      Seinem Jungen hätte er jetzt allerhand beibringen können: Bogenschießen, Speerwurf, auch wie man einen Stärkeren von den Füßen holt. So was braucht jeder Junge. Sah ja seiner Mutter verrückt ähnlich, nicht nur die Haare. Die Sommersprossen, Augen, Wimpern, Hände, alles. Als ob sie ihn ganz selbst, allein aus sich heraus gezeugt hätte. Eigenen Anteil konnte er nicht erkennen an ihm, niemand hatte das vermocht, obwohl er ihm doch zu guter Letzt noch die Ohren gesäumt hatte. Da war sie schon hoch im neunten Monat, einen Bauch wie eine Kuh, die nassen Klee gefressen hatte, aber geil wie eine rossige Stute. Er hatte dumm geglotzt, als sie ihm damit gekommen war: Na los, jetzt werden die Ohren umsäumt! Wie? Sie hatte in ihr rotes Dickicht gegriffen und ein Ohr freigelegt - ob er blind sei? Diesen Außenrand da am Ohr, den Saum, den hätte doch fast jeder, sogar er. Könne man doch fühlen. Und der Kleine sollte so was nicht haben, mit platten Ohren herumlaufen, daß alle über ihn lachten?

      Er hatte gemeint, sich in den letzten Wochen vor der Geburt einen Knoten in den Pimmel machen zu müssen, aber diese Rothaarigen... Schließlich hatte er es ihr von hinten gemacht, mit vorsichtigen kleinen Stößen, so wie man möglicherweise Säume umnähte. Ihren Riesenbauch dabei vorsichtig festgehalten, und, als es ihr kam, Angst gehabt, daß es schon die Wehen sein könnten. Einer der seltenen Ficks, die man niemals vergißt. Zwei Tage danach, er hatte im Lager die Nachtwachen kommandiert, ließen ihn die Weiber morgens nicht in die Stube. Er solle oben im Lager