DIE HAVARIE. Klaus J. Hennig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Klaus J. Hennig
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844239164
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abgefunden, daß es hier im Maul der ewig hungrigen, gierigen Stadt Rom so zuging, wie es die Judäer von der Stadt Babylon weit hinten im Osten erzählten, in der ihr Gott die Turmbauer bestraft hatte. Standen hier auf dem Forum, im Bad oder in der Basilika, drei Männer zusammen, hatten sie die Wahl zwischen fünf Sprachen.

      »Name? Beruf? Wohnsitz?«

      »Das hat der da schon alles aufgeschrieben. Bin ich Schauspieler oder Rindvieh, daß ich alles immer wieder kauen muß?«

      Tullius sah von seiner Akte auf. Der Kerl vor seinem Tisch war nicht unsympathisch. Kein Soldat natürlich, zu klein dafür, zu dick. Ein Zivilist, der sich keine Sorgen machen mußte, in der nächsten Woche noch etwas zu beißen zu haben. Er war auch nicht wirklich wütend oder aufgeregt, ein bißchen Losblubbern lag wohl in seiner Art. Strohfeuer, schnell wieder gelöscht. Schauspieler war der bestimmt nicht, zu klein auch dafür, zu dick, und dann diese Aussprache, verhaspelt, irgendein fremder Akzent darin.

      »Schauspieler also nicht. Was sind Sie denn?«

      »Das hab ich doch gesagt! Ihm da drüben. Oder?«

      Er zeigte auf den Schreiber. Tullius klopfte auf seine Tischplatte. Wer hatte hier das Sagen?

      »Nun mal bitte! Also?«

      »Phidon. Oder Fidus, je nachdem. Kaufmann in Mdina-Rabat, auf Malta. Kennen Sie die Stadt?«

      »Selbstverständlich nicht. Also - was wissen Sie über die hier anstehende Schiffshavarie? Ich habe Sie schließlich deswegen vorladen lassen. Weil Sie Malteser sind, meine ich. In einer Bucht dieser Insel, mit flachen Stellen, wo bei einem Sturm vor knapp zwei Jahren ein Handelsschiff auf Felsen gelaufen ist und von den Wellen zerschlagen wurde. Mit einer Art Strand, auf den sich die Besatzung retten konnte. Vermutlich Ende Oktober, vor knapp zwei Jahren also. Die Orion aus Myra in Lycien. Hatte Weizen geladen. Besatzung und Passagiere zusammen zweihundertvierundsechzig Mann. Militär und Gefangene dabei. Was wissen Sie darüber?«

      »Nichts.«

      Nun war der auch noch eingeschnappt. Rohe Eier, diese Zivilisten. Tullius versuchte es mit einem weniger barschen Ton, kam sich jetzt selbst wie ein Schauspieler vor.

      »Was meinen Sie mit nichts? Ein Schiff geht verloren und seine Ladung, doch kein einziges Menschenleben – so was spricht sich doch herum! Da wird doch drüber geredet! Sind Sie wirklich von Malta? Wo waren Sie denn im besagten Oktober? Vor zwei Jahren.«

      »Zu Hause.«

      »Und kennen Sie eine Bucht, auf die diese Beschreibung zutrifft?«

      »Sicher. Ich hol doch mein Salz von da.«

      »Wie?«

      »Na, an der Westseite von dieser Bucht, wo der Fels nich so hoch ist, da hab ich meine Saline. Da sind so flache Becken ausgehauen, also das können Sie auf Malta mal überall machen, solange der Kalkstein noch naß ist, können Sie den leicht mal sägen oder schneiden, mit 'm Messer können Sie das, aber wer das mal bei meiner Saline gemacht hat, weiß keiner nich. Die ist mal alt, das waren vielleicht schon welche von Karthago, bei uns weiß das keiner. Ist mal 'ne gute Saline. Da schwappen schon bei mittlerem Seegang die Wellen über und füllen die Becken. Ein paar Tage mal gutes Wetter, und ich kann das Salz zusammenschieben lassen. Dafür reicht ein Mann. Nur, wenn's mal eilig ist, bring ich 'n Zweiten mit oder wenn mal besonders viel Salz angefallen ist, der soll da aber nicht übernachten. Dann machen die nur Scheiß. Da ist kein Schiff nicht havariert. Nicht in Ihrem Oktober, auch nicht davor und danach. Da fährt doch keiner nich hin. Die Häfen sind mal alle im Osten und im Süden von Malta. Aber so ein Unglück wie Sie sagen, war auf ganz Malta nicht. Schon lange nicht mehr. Genau wie Sie sagen, noch und noch hätten sie drüber geredet, und dann hätt' ich das auch mal gehört.«

      »Gibt es einen Felsen oder ein Riff in besagter Bucht?«

      »Na sicher! Mitten drin. Mal 'n echter Karwenzmann.«

      »Sie meinen damit einen Felsen von beträchtlicher Größe und Erscheinung?«

      »Genau. Der steht da im Wasser. Wenn da mal 'n Schiff draufstößt, dann kommt da kaum einer raus. Soll'n mal sehen wie die Wellen da durcheinander laufen! Schon bei wenig Wind. 'N sehr guter Schwimmer braucht mal 'ne Menge Glück, wenn er die eine Stelle finden will, wo er an Land hochkriechen kann. Ist doch alles Steilufer da, verstehen Sie, für 'n Mann im Wasser mal sicher zu hoch.«

      »Ja gut, ich war schließlich noch nicht da. Deswegen befrage ich Sie ja hier. Ich wüßte auch nicht, was ich da sollte.«

      »Damit haben Sie mal recht, da müssen Sie auch nich hin. Ist nichts zu holen da, außer mein Salz, klar! Aber sonst? Alles trocken, alles ödes Land so sechs, sieben Meilen um die Bucht. Ziegenweide höchstens mal im Frühjahr. Bringt nichts ein. Weiß gar nicht mal, wem das gehört. Zahl' ja nicht mal Wegegeld, wenn ich mein Salz hole.«

      »Wie bitte? Kein Eigentümer dort? Kein Gutsbetrieb?«

      »Na wie denn? Da überlebt doch keine Katze! Meinem Arbeiter muß ich sogar das Trinkwasser auf die Saline bringen lassen, sein Essen, alles – bloß kein Salz nich! Tschuldigung, sollte mal'n Witz sein.«

      »Ich lache dann in der Mittagspause, wenn Sie erlauben. Zwei Fragen noch. Erstens. Gibt es an ihrer Bucht eine Felsenhöhle, in der eine größere Gruppe Menschen Schutz suchen könnte? Und gibt es, zweitens, giftige Schlangen auf der Insel Malta?«

      »Nein.«

      » Was – nein? Etwas genauer wenn's geht!«

      »Alles nein! Da ist keine Höhle nich, vielleicht 'n Mauseloch, aber mal keine für Leute zum drin sitzen. Und Schlangen hat's ja noch nie gegeben bei uns. Wie sollen die denn nach Malta kommen? Über Meer? So was hab ich ja noch nie gehört!«

      »Haben Sie eventuell von einem Legaten Publius gehört? Dessen Vater in besagtem Oktober sehr krank war, Malaria vermutlich, und ein gewisser Paulus aus Tarsus soll ihn geheilt haben? Und der soll großen Zulauf von Kranken gehabt haben danach?«

      »Unser Legat heißt mal nich Publius, der hat auch keinen Vater nich mehr. Und wenn bei uns mal einer krank ist, kommt der Arzt. Haben wir reichlich von. Uns kommt kein Fremder nich ins Haus. Mit Malara – meinen Sie da das Sumpffieber mit? Was mal kommt und geht?«

      »Ich meine Malaria! Ja, es heißt auch Wechselfieber oder Sumpffieber.«

      »Klar. Kenn ich von Griechenland, gibt's aber bei uns nicht, hat's noch nie nich gegeben bei uns. Kann ich Sie mal versichern! Viel zu trocken, Malta ist zu trocken dafür. Kein Sumpf nich bei uns. Krankheiten mal reichlich, könnten wir von abgeben, Ärzte auch, aber keine Malara nich.«

      »Malaria! Also schön, ich habe keine Fragen mehr.«

      »Sag ich doch, Malara. Muß ich hier nicht mal schwör'n?«

      »Was? Was um Himmels Willen wollen Sie denn schwören?«

      »Na die Wahrheit und alles!«

      »Jetzt doch noch nicht. Nicht in einer Voruntersuchung. Jetzt ist erst mal Pause.«

      Der Salzhändler ging zur Tür, etwas enttäuscht wie es schien. Tullius erhob sich mühsam, sein Bein war ihm eingeschlafen, fast gefühllos geworden. Er stützte sich auf den Tisch und wartete auf das stechende Kribbeln, mit dem das Gefühl und die Kraft wieder einschossen. Der Schreiber packte seine Siebensachen, Tullius guckte ihm zu als ob er das noch nie gesehen hätte. Während er seine Ledertasche schloß, zierliche Bronzeschnallen vom Zaumzeug eines Pferdes aus einem guten Stall, geklaut und in irgendeiner Kneipe in Zahlung gegeben vermutlich, sprach er nur halblaut.

      »Sie hätten ihn aber vereidigen können.«

      »Selbstverständlich. Aber hier wird doch gelogen, daß sich die Balken biegen. Wenn ich den Kephallonier nachher auch vereidigen wollte, das müßte ich ja dann wohl auch, dann habe ich mindestens einen Meineid in der Akte, vielleicht sogar zwei. Und wer weiß, was sie uns hier noch alles über ihre Inseln auftischen ... Los, hol mir mal schnell den Malteser zurück, der ist sicher noch im Haus. Schnell, Mann! Ich hab was vergessen, beeil' dich!«

      Tullius