DIE HAVARIE. Klaus J. Hennig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Klaus J. Hennig
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844239164
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Zuständigkeiten, deutlicher Befehle und korrekter Durchführungen, schriftlicher Berichte. Auf Latein, nicht auf Kufnukisch. Kein Gemauschel, kein Wenn und Aber, nichts Unrömisches dabei. Schien ja doch noch Hand und Fuß zu bekommen, die Sache...

      DA aber Paulus einen hauffen Reiser zusamen

       raffelt / vnd legt es auffs fewr / kam ein Otter

       von der hitze / vnd fuhr Paulo an seine Hand. 4Da aber die Leutlin sahen / das Thier an seiner Hand hangen / sprachen sie vnternander / Dieser Mensch mus ein Mörder sein / welchen die rache nicht leben lesset / ob er gleich dem Meer entgangen ist. 5Er aber schlenckert das Thier ins fewr / vnd jm widerfuhr nichts vbels. 6Sie aber warteten / wenn er schwellen würde oder tod nider fallen. Da sie aber lange warteten / vnd sahen / das jm nichts vnge- hewres widerfur / verwandten sie sich / vnd spra- chen / Er were ein Gott. //

      Nun also doch noch Geschwafel. Es wäre ja auch zu einfach gewesen. Sollte er einen Gott in Gestalt eines dingfest gemachten Kriminellen nach verschwundenem Weizen fragen? Doch dieser Hauptmann, sein Name stand wohl irgendwo weiter oben, mußte selbstverständlich zu finden sein. Brief ans Heeresamt und abwarten. Der Mann hatte ja Bericht erstatten müssen. Selbst bei Mannschaftsverlust Null war doch Ausrüstung, Verpflegung etc. abhanden gekommen, mußte also Ersatzanforderung gestellt haben, ausführlich begründet, schriftlich, mit Kopien an jeden Schreibstubenfurzer. Erst mal Bestimmungsstandort der Einheit feststellen, alles weitere später, nächste Woche oder wann immer. Stabsfeldwebel außer Diensten D. Aelius Tullius ordnet hiermit Vertagung an, schließlich wurde auch Rom nicht an einem Tage ...

      V

      

Angewidert hatte Tullius die in der Innenstadt gelegenen Kneipen hinter sich gelassen, keine Lust verspürt, neben einem von den Kotzbrocken zu stehen, die schon während der Amtsstunden kaum ein Wort an ihn richten mochten, einen wie ihn nur mit Mühe überhaupt wahrnahmen. Dabei waren deren Ärsche auch bloß aus zwei Hälften.

      Er war den Decumanus hinunter getrottet, an der Gabelung nicht zur Porta Marina, sondern nach rechts zu den alten Kais, wo er sicher sein konnte, daß keiner das Gesicht verzog, wenn ihm mal ein Furz entfuhr. Die amtlichen Kornmesser sangen ihre Zahlen nicht mehr so gutgelaunt aus wie noch am Morgen, mußten wohl Überstunden abreißen. Tullius gönnte es diesen eingebildeten Affen; ehemalige Schauerleute, die dem Kaiser geschworen hatten, niemals jemanden zu bescheißen. Führten sich auf, als wären sie berühmte Schauspieler oder echte Aristos.

      Die Kneipe war rammelvoll, als würde der Thekenküster heute kein Geld annehmen. Aber Tullius schaffte es bis ans Tresenende, wo er mit dem Rücken zur Wand stand, wie immer. Wie immer wurde ihm ein gefüllter Becher vor dem Bauch auf den Marmor geknallt. Wortlos. Ein Fuhrmann neben ihm malte mit seinem krummen Finger Muster auf die Theke. Zog einen wackeligen Kreis aus der Rotweinlache, setzte dann Halbkreise rund herum. Eine Blume? Er war schon gut abgefüllt und roch streng nach seinem Beruf, kein Ochsenkutscher, Maultierschinder. Stammte anscheinend aus dem Umbrischen, sprach mit dicker Zunge, schwerfällig wie eben einer vom Lande.

      »Kumma, is 'ne Rose. Für'n Stiel unne Blätter brauch' ich jetz' aba grün'n Wein. Bestell ma'. Hellgrün, wegen dem Frühling!«

      »Des! Wegen des Frühlings! Aber erstmal kriegen wir hier bald Herbst.«

      Tullius stand eingekeilt, er konnte sich seinen Gesprächspartner nicht aussuchen. Hätte weiß Gott lieber still in einer Ecke gehockt und sich diesen Scheißtag noch einmal durch den Kopf gehen lassen.

      »Gienau! In Spanien soll's 'n Herbstwein gehm, braun oder gelb irgenswie. Wars' du schon ma' in Spanien? Ich nich. Komm' ich auch so schnell nich hin. Müßte ich ja mit 'n Schiff fahren und nich mit mein' blöd'n Mulis...«

      »Sind Schiffe denn schneller?«

      »Selbstverständlich! Und sehr viel billiger!«

      Das kam von schräg hinter ihm, mit deutlichem Levanteakzent. Geölte Löckchen, Falten um die Augen von der Sonne, dicker goldener Ring im Ohr - ein echter Salzbuckel und auf ein Schwätzchen aus.

      »Ein Schiff muß nicht schlafen, muß nicht zum Futtern anhalten, muß auch keine Pinkelpausen machen.«

      Der Mulitreiber kam ins Grübeln.

      »Wieso'n nich? Wann piss'n die denn?«

      »Ich sag dir, Schiffe segeln immer, Tag und Nacht, Seeschiffe jedenfalls. Müssen nicht futtern und nicht schlafen wie deine Zossen. Und auch zum Pissen nicht anhalten. Bilge ausösen geht sogar bei Brassfahrt.«

      Der Seemann blickte jetzt an Tullius vorbei und auf den Blumenkünstler.

      »Erzähl mal, was machst du für ein Etmal? Wenn du 'nen guten Tag hast.«

      Halboffener Mund, keine Reaktion.

      »Mann! Wieviel Meilen du schaffst! Pro Tag!«

      Jetzt hatte der Kutscher verstanden.

      »Na so acht oder zehn, voll geladen. Is normal. Höchstens ma' zwölf. Kommt auf die Straße an.«

      »Und was nennst du vollgeladen?«

      Den verächtlichen Ton schien er nicht zu hören oder es war ihm egal. Auch sein Blumenstück auf der Theke war ihm inzwischen egal, endlich redete einer mit ihm.

      »Zehn, zwölf Zentner kann so'n Zweiachser vertragen. Normal.«

      »Dann fährst du den Zentner sechzigmal so teuer wie ich. Sechzigmal! Kannst du das überhaupt ausrechnen? Schon die Leichter da auf'm Tiber, und die tragen dir bloß so an die vierhundert Zentner, schon die machen das sechsmal billiger als ihr. Wasser ist billiger als Land, sag ich immer.«

      »Wieso'n immer sechs? Is dis deine Glückszahl? Meine is dreizehn. Oder zwölf, glaub ich. Is ja auch egal.«

      Der Seemann gab es auf, erwischte aber den interessierten Blick von Tullius.

      »Ich sags dir, Weizen über das ganze Meer segeln, also von Alexandria nach..., sagen wir mal, nach Tarragona, das kommt immer noch billiger als wenn du den bloß achtzig Meilen über Land kutschieren läßt. Havarierisiko lassen wir mal außen vor.«

      Tullius nickte beeindruckt.

      »Also, 'ne Wagenladung Weizen jedenfalls ist nach dreihundert Meilen über Land schon doppelt so teuer. Ich war mal Zahlmeister beim Kommiß, da mußte ich so was wissen. Was glaubst du, was Soldaten alles wegfressen?«

      »Und jetzt? Was bist du jetzt?«

      »Sesselfurzer. Beamter. Hier beim Seeamt. Jetzt scheiß ich bloß noch meinen Schreiber zusammen. Und manchmal Matrosen wie dich.«

      »Ihr habt hier 'ne Menge zum Aufschreiben, was? Jede Amphore, jeden Sack rein in die Listen und raus aus den Listen, was? Wir können doch hier unseren Weizen so billig löschen wie wir wollen, wenn er in Rom ankommt, könnt ich ihn mir schon nicht mehr leisten. Die Tiberschiffer, dieses Saupack! Heute wieder, beim Leichtern...«

      »Die werden nicht reich, weil die arbeiten müssen. Aber die Fettsäcke mit ihren Lagerhäusern. Ostia besteht doch fast nur aus Speichern. Die können in Ruhe warten, bis denen in Rom der Magen knurrt. Im Winter zahlen sie schon.«

      »Stimmt. Prost!«

      Der Seemann hob seinen Becher. Tullius dankte.

      »Mast- und Schotbruch!«

      Erstaunt gehobene Augenbrauen.

      »Du bist befahren?«

      VI

      

Tullius hatte inzwischen den einen oder anderen Ausdruck aus dem Salzwasserjargon aufgeschnappt, war aber, obschon amtlicherseits mit Seesachen befaßt, niemals selbst zur See gefahren. Auf seinem langen Marsch von Trier hatte er sich eine Zeitlang auf einem Rhonekahn mitnehmen lassen, wer würde einem alten Soldaten eine Bitte abschlagen, wenn noch Platz auf der Ruderbank war.