Er krümmte sich vor Schmerzen, als die Hiebe unbarmherzig auf ihn niederprasselten. Sein einziger bewusster Gedanke galt dem Welpen. Er musste seinen Welpen vor dieser Irren beschützen! Schützend hielt er die Arme vor ihn und drehte sich zur Seite, damit sie ihn nicht erreichen konnte.
Der Fahrstuhl kam endlich zum Stehen. Sie versetzte ihm einen letzten Hieb und mit einem geschnauften, aber hörbar zufriedenen „Mistkerl!“ verließ die alte Dame die Kabine. Ihrem Opfer schenkte sie keinen Blick mehr.
Wimmernd vor Schmerzen ließ er sich auf die Knie sinken. Sein Welpe winselte leise. Er war unverletzt. Peter war es gelungen, die Hiebe von dem Kleinen fernzuhalten.
Die Türen glitten zu und der Fahrstuhl setzte sich wieder in Bewegung. Nach einigen Augenblicken hielt er endlich im neunten Stock. Peter sah auf. Mühsam bewegte er sich und unterdrückte einen Schmerzensschrei. Langsam krabbelte er Richtung Ausgang, den Welpen auf dem Arm. Jede Bewegung verursachte ihm Qualen. Meter um Meter kämpfte er sich in Richtung seines Zimmers vor.
„Oh, mein Gott!“
Entsetzt eilte der junge Hotelangestellte herbei, die Ersatzkarte in der Hand. Peter ließ es zu, dass der Mann ihm hilfreich unter die Arme griff und ihn zu einem der Stühle geleitete, die auf dem Flur standen. Wimmernd ließ er sich auf den Stuhl fallen.
„Was ist denn bloß passiert?“, erkundigte sich der junge Mann fassungslos. „Sie sehen aus, als wären Sie einer Schlägerbande in die Hände gefallen.“
Peter lachte auf und bereute es augenblicklich, als die Schmerzen ihm den Atem zu nehmen drohten. Langsam und vorsichtig atmete er ein und aus.
„Wenn es doch nur eine Schlägerbande gewesen wäre!“, seufzte er. „Dann könnte ich zu meiner Ehrenrettung sagen, dass sie in der Überzahl gewesen sind. Wenn ich zu Hause erzähle, dass ich von einer rasenden Irren verprügelt worden bin, die meine Großmutter sein könnte, dann lachen sie mich mit Sicherheit aus.“
„Eine alte Frau?“, fragte der junge Mann verblüfft.
Peter nickte und blickte auf seinen Welpen, der den Blick aus treuherzigen Augen erwiderte. Er lächelte kurz, als der Welpe ihm die Hand leckte und erfreut winselte. „Wenigstens ist ihm nichts passiert!“, stieß er erleichtert hervor.
„Aber warum macht jemand so etwas?“
Peter zuckte hilflos mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich war kaum im Fahrstuhl, da ist sie wie eine Furie auf mich losgegangen und hat mich beschimpft. Einen Unhold hat sie mich genannt und bevor ich ihr erklären konnte, wie ich in diese missliche Lage gekommen bin, hat sie mich auch schon mit ihrem Regenschirm attackiert, als ginge es um Leben und Tod.“
„Sie hat gedacht, Sie wollten sie vergewaltigen?“, erkundigte sich der junge Mann.
„Absurd, nicht?“ Peter lachte verbittert. „Dabei bin ich wahrscheinlich der Letzte in dieser Stadt, vor dem sie Angst haben sollte.“
Der Hotelangestellte nickte mitfühlend und tätschelte ihm vorsichtig den Arm. „Ich werde einen Verbandskasten holen“, bot er an.
Peter lächelte dankbar. Er musste nicht lange warten, bis sein freundlicher Helfer wieder zurückkam. Anscheinend gab es in diesem Hotel in jedem Stockwerk einen Erste-Hilfe-Kasten.
Der andere öffnete den Kasten und holte ein Desinfektionsmittel, Wattebäuschchen und ein paar Pflaster heraus. Er öffnete die Flasche und schüttete etwas von dem Mittel auf ein Wattebäuschchen. „Das wird jetzt weh tun“, warnte er und begann einen Kratzer auf seinem Oberarm zu behandeln.
Trotz der Warnung zuckte Peter vor Schmerzen zusammen. Es brannte höllisch. Er hatte den Eindruck, als stünde sein Arm in Flammen. Vorsichtig nahm sich der junge Mann einen Kratzer nach dem anderen vor. Nach den Armen behandelte er den Rücken und danach kümmerte er sich um seinen lädierten Fuß, den sie zuerst attackiert hatte. Behutsam tastete er ihn ab. Peter musste ein Wimmern unterdrücken, aber er sagte kein Wort. Er wusste, dass der andere schon so vorsichtig wie möglich war.
„Gebrochen scheint er nicht zu sein“, beruhigte er ihn.
„Na, wenigstens etwas!“, seufzte Peter und überließ sich der sanften Pflege des anderen Mannes, der seinen Fuß behutsam bandagierte und sich dann langsam die Unterschenkel hocharbeitete. Er ging sehr sanft zu Werke.
Zu sanft.
Peter wurde klar, dass etwas nicht stimmte. Die Finger des jungen Mannes glitten langsam, aber beharrlich immer höher und näherten sich dem Handtuch, also Regionen, die die Furie verschont hatte und die nun wirklich keiner Behandlung bedurften. Er starrte ihn an, während der junge Mann sich aufrichtete, ihn zärtlich anguckte, mit einer Hand vorsichtig unter das Handtuch glitt und sich nach vorne neigte, um ihn sanft zu küssen.
Peter spürte, wie er rot anlief. Völlig durcheinander wusste er im ersten Augenblick nicht, was er tun sollte. Der Welpe rettete ihn, indem er kläffte.
Der junge Mann zuckte erschrocken zusammen und richtete sich auf. Schuldbewusst wurde ihm klar, was er getan hatte, und sein Gesicht wurde noch ein bisschen dunkler als Peters. „Es tut mir leid“, stammelte er. „Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Mein Verhalten ist unverzeihlich.“ Er nahm die Hände weg und packte rasch das Verbandszeug weg, das Gesicht immer noch glühend rot.
Währenddessen überlegte Peter, was er nun tun sollte. Sollte er sich beschweren oder den Vorfall einfach ignorieren? Hatte er den jungen Mann vielleicht, ohne es zu wissen, durch irgendetwas ermutigt? Er rief sich die letzten Minuten ins Gedächtnis. Aus den mitfühlenden Blicken des jungen Mannes hatte nicht nur Sorge um das Wohlergehen eines Gastes gesprochen, wurde ihm plötzlich klar. Und statt die Schwärmerei des anderen Mannes von Anfang an zu unterbinden, hatte er ihn angelächelt und damit die völlig falschen Signale gesendet!
Nein, beschweren könnte er sich höchstens über seine eigene Blindheit. Verlegen beschloss er, den peinlichen Zwischenfall einfach zu ignorieren. Er konnte nur hoffen, dass der andere genauso dachte.
Der junge Hotelangestellte hatte das Verbandszeug verstaut und traute sich nicht, Peter anzusehen. Als das Schweigen unerträglich wurde, bot er ihm den Arm und räusperte sich unsicher. „Ich bringe Sie jetzt zu Ihrem Zimmer.“
Peter nickte. Schweigend legten sie die restlichen Meter zurück. Der junge Mann öffnete die Tür, nahm den Karton, der glücklicherweise immer noch vor der Tür stand, stellte ihn ins Zimmer und geleitete Peter zum nächstgelegenen Sessel. Schüchtern riskierte er noch einen kurzen Blick auf seinen Patienten, errötete und verschwand.
Peter beobachtete mit vor Verlegenheit brennenden Wangen, wie die Tür hinter ihm ins Schloss fiel.
Klick.
„Scheiße!“, fluchte er leise.
4
Etwa zur selben Zeit auf der anderen Seite des Atlantiks.
Karolina stampfte wütend mit dem Fuß auf und schnaufte empört. Das würde sie sich auf keinen Fall gefallen lassen! Ihr Großvater wusste schließlich ganz genau, dass sie sich mit ihren Freunden für diesen Abend verabredet und somit überhaupt keine Zeit hatte. Erst recht nicht für einen so blöden Empfang, wo sie den ganzen Abend in einem unbequemen Kleid steif herumstehen und mit irgendwelchen, angeblich wichtigen Leuten über völlig belanglose Dinge plaudern musste. Schon vor Wochen hatte sie ihm ihre Pläne mitgeteilt, aber er hatte ihre Wünsche natürlich wie immer königlich ignoriert und ihr befohlen, um sieben Uhr fertig zu sein.
Na gut! Sie hatte es ihm nicht vor Wochen, sondern vor zwei Tagen mitgeteilt, aber wer regte sich bitte schön über solche Kleinigkeiten auf? Es ging schließlich ums Prinzip und außerdem war sie ja auch kein Kleinkind mehr, auch wenn ihr Großvater sie herumkommandierte, als wäre sie nicht bereits zwanzig, sondern immer noch zehn Jahre alt! Sie würde sich nicht für den Rest ihres Lebens von ihrem Großvater