Königreich zu verschenken. Nicole Gozdek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicole Gozdek
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738001709
Скачать книгу

      Philipp stellte das Auto ab und machte sie miteinander bekannt. Danach warteten sie. Die Sonne war noch nicht untergegangen und solange es noch hell war, konnten sie nichts unternehmen.

      „Und wie gehen wir vor?“, wollte Marie wissen. Sie zappelte vor Ungeduld. „Was können wir unternehmen?“

      John lächelte sie an. „Eine ganze Menge“, antwortete er. „Erst einmal müssen wir dokumentieren, wie die armen Hunde hier gehalten werden. Deshalb haben wir heute Nachmittag schon eine ganze Weile gefilmt und fotografiert. Außerdem haben wir alle Mängel, die wir feststellen konnten, in diesem Heft notiert.“ Er zeigte das grüne DIN A4-Heft vor.

      Marie sah nicht zufrieden aus. „Ich glaube nicht, dass Beobachten viel bringt“, murrte sie verdrossen.

      „Deshalb kommt jetzt auch Phase zwei“, erklärte Philipp amüsiert und tätschelte seiner kleinen Schwester liebevoll den Kopf.

      „Und das heißt?“, erkundigte sich Karolina.

      „Das heißt, dass wir jetzt handeln. Wir haben schon Beschwerde wegen Misshandlung gegen den Besitzer eingelegt, aber die Polizei ist nicht bereit, etwas zu unternehmen. Ich glaube, die warten nur darauf, dass die armen Tiere verrecken!“, empörte sich John. „Aber wir werden sie da rausholen. Ich habe einen Tierarzt gefunden, der bereit ist, die Tiere gründlich zu untersuchen und aufzupäppeln. Aber der Besitzer lässt ihn nicht aufs Grundstück und deshalb werden wir die Tiere zu ihm bringen.“

      „Wir brechen ein und klauen sie?“, erkundigte sich Karolina. Sie hatte ein mulmiges Gefühl bei der Sache.

      „Aber, Karo, wir begehen doch keinen Diebstahl!“, widersprach ihr Philipp. „Wir sorgen nur dafür, dass die Misshandlungen ein Ende nehmen und dass die Hunde in gute Hände kommen! Das ist doch nicht illegal!“

      „Wenn die Polizei etwas unternehmen würde, wären wir ja auch nicht gezwungen, etwas zu tun. Nur leider traut die sich nicht, dem Macker auf die Füße zu treten, weil der Kerl zu viel Geld und Einfluss hat“, erklärte Marie wütend.

      „Wir machen nichts Illegales“, versprach John. „Wir werden die ganze Aktion filmen und zusammen mit der Erklärung des Tierarztes ist es sehr wahrscheinlich, dass ihm die Tiere weggenommen werden. Wir sorgen nur dafür, dass es den Tieren besser geht.“

      Karolina nickte zögernd. Sicher, das hörte sich alles gut und vernünftig an, aber sie hatte immer noch ein ungutes Gefühl bei der Sache. Aber kneifen wollte sie auch nicht. Was sollten dann ihre Freunde von ihr denken? Nein, im Stich lassen würde sie die anderen nicht!

      Eine Viertelstunde später zogen sie, mit Taschenlampen, einer Videokamera, Hundeleinen und ein paar Leckereien, um das Vertrauen der Tiere zu erringen, bewaffnet, los. Sie hatten Lose gezogen, um denjenigen zu bestimmen, der filmen sollte, und es hatte Daniel, den Jüngsten der drei anderen Jungen, erwischt, der erleichtert war. Er hatte sich nicht getraut, den anderen zu gestehen, dass er eine Heidenangst vor Hunden hatte, nachdem der Nachbarshund ihn einmal, als er noch klein gewesen war, gebissen hatte. Filmen schien ihm weitaus sicherer zu sein.

      Karolina hoffte, dass ihr Großvater nie erfahren würde, was sie an diesem Abend unternommen hatten. Sie konnte sich nur zu gut vorstellen, wie er reagieren würde, mal ganz abgesehen davon, dass ihm Tier- und Naturschützer im Allgemeinen äußerst suspekt erschienen. Karolina hatte den Verdacht, dass sie für ihren Großvater nur eine andere Art von Terroristen waren.

      Sie waren am Eingangstor angekommen und kletterten nun einer nach dem anderen rüber. Die Jungs halfen den Mädchen. Vor allem Karolina hatte Probleme. „So ein Mist!“, fluchte sie leise, nachdem sie mit den Fingern an der Oberkante des Tores abgerutscht war.

      „Pst!“, ermahnte Marie sie.

      Das Haus lag im Dunkeln. Entweder waren die Besitzer nicht da - wahrscheinlich auf Großvaters Empfang, dachte Karolina düster - oder sie schliefen schon - in diesem Fall waren das „Weicheier“, meinte John, schließlich war es erst halb zehn. Karolina hoffte das Erste, denn in diesem Fall konnten sie auch nicht durch ein eventuelles Bellen aufwachen.

      Vorsichtig näherten sie sich dem Zwinger und achteten darauf, die Taschenlampen auf den Boden zu richten. Nicht, dass die Nachbarn noch dachten, sie wären Einbrecher!

      Als sie nur noch wenige Meter vom Zwinger entfernt waren, konnten sie erstmals einen genauen Blick hinein werfen, und was sie sah, erschütterte Karolina. So eine Sauerei! Ihr fiel der goldene Käfig wieder ein, an den sie erst vor drei Stunden gedacht hatte. Aber dies war kein goldener Käfig, noch nicht einmal ein silberner. Auf wenigen Quadratmetern waren zwölf Hunde eingepfercht, jeder Hund hatte gerade einmal genug Platz, um sich umzudrehen, und das war’s.

      Das Winseln der Hunde, deren Fell zottelig und verdreckt an ihnen herab hing, trieb ihr die Tränen in die Augen. So schlimm hatte sie sich das nicht vorgestellt! Die armen Hunde lagen ja sogar in ihrem eigenen Kot!

      Auch Marie schluckte. Ihr Gesicht hatte einen leicht grünlichen Ton angenommen und ihr Bruder hielt sich an ihrer Seite, aus Angst, dass sie ihnen zusammenklappen könnte. John schüttelte nur immer wieder den Kopf. Währenddessen näherte sich Daniel dem Käfig, um zu filmen.

      „Die armen Hunde!“, flüsterte Karolina. Wer tat denn hilflosen Tieren so etwas an?

      John näherte sich dem Zwinger. Er betrachtete ihn und fluchte leise.

      „Was ist?“, erkundigte sich Philipp.

      „Ein Schloss“, erklärte John. „Wir müssen es aufbrechen und das dauert einen Moment.“

      John nahm seinen Rucksack vom Rücken, öffnete ihn und holte sein Werkzeug heraus. Karolina war beeindruckt. Er schien wirklich an alles gedacht zu haben.

      Danach warteten sie. Bei jedem Geräusch, das John verursachte, zuckten sie zusammen. Sie lauschten auf jedes Geräusch aus der Nachbarschaft, aber da blieb alles ruhig. Erleichtert seufzten sie, als John schließlich erklärte, dass er es geschafft hatte.

      Die Hunde waren mittlerweile alle wach und beobachteten die Unbekannten. Ein Hund winselte. Die anderen elf verhielten sich ruhig. Vier Hunde hatten sich erhoben und warteten gespannt, als ob sie wussten, dass etwas Ungewöhnliches vor sich ging.

      John verstaute sein Werkzeug wieder im Rucksack. Dann öffnete er die Tür des Zwingers und wandte sich an die anderen. „Holt schon mal die Leinen hervor und die Hundekuchen, damit die armen Hunde uns nicht für Feinde halten. Und verhaltet euch ruhig!“, mahnte er.

      Leichter gesagt als getan. Denn die Tür stand sperrangelweit offen und die Hunde nutzten plötzlich die Gelegenheit und rannten los. Bellend und zähnefletschend verließen sie ihren Zwinger.

      Daniel wimmerte erschrocken und machte einen Schritt zurück. John versuchte, die Tür zuzumachen, bevor auch der letzte Hund den Zwinger verließ, und zähnefletschend ging einer der Hunde auf ihn los. Beruhigend redete er auf den Hund ein und hielt ihm einen Hundekuchen hin. Die Leine hielt er in der anderen Hand. Aber der Hund ließ sich davon nicht täuschen. Er bellte wütend und sprang ihn an.

      „He!“, sagte John erschrocken.

      Ein anderer Hund näherte sich Daniel und knurrte bedrohlich. Daniel schluckte und fing vor Angst an zu zittern. Als er nur noch einen Meter von ihm entfernt war, wurde Daniel panisch, wandte sich um und rannte los.

      „Nicht rennen!“, rief John.

      Aber die Ermahnung kam zu spät. Als wäre Daniels Flucht das Startsignal, fingen nun auch die Hunde an zu rennen und wütend zu bellen. Karolina entkam nur knapp den scharfen Zähnen, bevor auch sie entschied, dass es vernünftiger war, die Flucht zu ergreifen.

      Nun rannten alle. Das Gebell musste weit zu hören sein. In der Nachbarschaft gingen die Lichter an und auch in dem Haus hinter ihnen wurden Lampen angemacht und Fenster geöffnet. Die Besitzer schienen doch zu Hause zu sein. Doch das scherte Karolina im Moment nur wenig. Sie rannte um ihr Leben. Einem weiteren Hund war sie nur um Millimeter entkommen und sie wusste, dass sie es nie bis zum Tor schaffen würde und alleine konnte sie auch nicht drüberklettern. Was machte