Königreich zu verschenken. Nicole Gozdek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicole Gozdek
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738001709
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und Philipp dagegen waren weniger besorgt. Kein Wunder, ihre Eltern waren schließlich auch alte Greenpeace-Aktivisten und hatten selbst schon mal eine Nacht im Gefängnis verbringen müssen. Karolina vermutete, dass die beiden sogar etwas stolz auf ihre Sprösslinge sein würden, die die Familientradition aufrecht hielten. Nur schade, dass es in ihrer Familie keine solche Tradition gab. Sie würde kaum mit Verständnis rechnen können.

      „Nur deine Eltern habe ich nicht erreichen können, Karolina“, wandte sich John nun direkt an sie. „Philipps Mutter hat schon alles durchsucht, aber keine Telefonnummer gefunden, noch nicht mal eine von dir.“

      Oh je, wie sollte sie das jetzt erklären? Karolinas Gedanken rasten. Maries Mutter hatte keine Telefonnummer finden können, weil noch nicht einmal Marie sie hatte und dabei kannten sie sich schon seit zwei Jahren. Aber das Risiko, dass Marie anrief und einer vom Personal ans Telefon ging, war einfach zu groß.

      „Meine Eltern sind leider beide schon lange tot“, sagte sie ausweichend.

      Maries Gesicht nahm daraufhin einen besorgten Ausdruck an. Sie wusste, dass Karolina nicht gerne über sie sprach.

      Doch mit dieser ausweichenden Antwort ließ John sie nicht davonkommen. „Und deine anderen Verwandten? Bei wem wohnst du? Du wohnst doch nicht alleine, oder?“, hakte er nach.

      Karolina seufzte und gab sich geschlagen. Irgendetwas musste sie ihnen anscheinend erzählen. „Ich wohne seit dem Tod unserer Eltern mit meinen drei älteren Brüdern bei meinem Großvater. Inzwischen ist der Älteste zwar ausgezogen, aber die beiden anderen wohnen immer noch bei uns, auch wenn sie nicht viel zu Hause sind. Und mein Großvater?“ Karolina entfuhr ein Seufzer. „Ganz ehrlich, ich habe euch die Nummer nicht gegeben, damit er nichts von euch erfährt.“

      „Was?“, fragte Marie ungläubig.

      „Sag mal, in was für Familienverhältnissen lebt ihr eigentlich?“ Philipp schüttelte fassungslos den Kopf. „Wieso soll er denn nicht erfahren, dass du mit uns befreundet bist? Oder schämst du dich für uns?“

      „Nein, natürlich nicht!“, protestierte Karolina ängstlich. Wie kam er bloß auf so einen Gedanken? „Es ist nur, er ...“ Ihr fehlten die Worte, um es zu erklären.

      „Er ist altmodisch, streng und etwas schwierig.“

      Karolina zuckte zusammen und drehte sich zu dem fremden Mann um, der ihr die Worte aus dem Mund genommen hatte. Wer war er und wieso kannte er ihren Großvater? Hatte ihr Großvater ihn etwa geschickt? Aber danach hatten sich seine Worte nicht angehört.

      „Vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen“, meinte er und lächelte freundlich. „Ich heiße Thomas Stein und falls ihr euch wundern solltet, warum ich nicht wie meine übrigen Verwandten von unserem riesigen Vermögen lebe, sondern mich entschlossen habe, mir wie ein ganz normaler Mensch meine Brötchen selbst zu verdienen, dann muss ich euch sagen, dass ich schon immer das schwarze Schaf der Familie gewesen bin.“

      Er lächelte erneut, während die fünf ihn anstarrten. Jeder von ihnen hatte schon mal von der Familie Stein gehört, einer der zehn reichsten Familien des Landes. Sie hatten, wie John sagen würde, ihre Finger wirklich überall drin.

      „Und was machen Sie hier? Sind Sie Reporter und spionieren Sie Leuten hinterher, die im Gefängnis sitzen? Wirklich ein toller Beruf!“, meinte Philipp bissig.

      Thomas Stein lächelte amüsiert. „Ich denke doch, dass Anwalt ein achtbarer Beruf ist, auch wenn ich zu der eher aufdringlichen Sorte gehöre und manchmal sogar ins Gefängnis gehe, um mir meine Klienten zu suchen. Ich habe heute Morgen auf dem Polizeirevier vorbeigeschaut, habe da von eurem Fall gehört und bin dann schnurstracks hergefahren, um euch meinen fachlichen Beistand anzubieten. Ich nehme nicht an, dass ihr schon einen Anwalt habt, oder?“ Er lächelte Philipp, der ihn immer noch misstrauisch beäugte, freundlich an.

      „Nein“, gab dieser mürrisch zu.

      „Ich sehe auch nicht ein, wozu wir einen brauchen sollten!“, mischte sich John ins Gespräch ein. „Wir haben schließlich nichts Unrechtes getan! Warum bieten Sie nicht diesen Tierquälern ihre Hilfe an? Die hätten sie doch viel eher nötig!“

      Das war mal wieder typisch John, dachte Karolina.

      „Das mag sein“, räumte Stein gutmütig ein. „Vom moralischen Standpunkt aus würde ich dir jederzeit Recht geben. Das, was Herr Kron mit seinen Hunden gemacht hat, ist wirklich eine große Sauerei und mir würde es, ehrlich gesagt, überhaupt nicht passen, müsste ich je für einen solchen Typen die Verteidigung übernehmen.“ Damit hatte er John und Philipp für sich eingenommen. „Fakt ist aber auch, dass ihr das Gesetz gebrochen habt, indem ihr widerrechtlich sein Grundstück betreten und versucht habt, fremdes Eigentum von dort zu entfernen.“

      „Fremdes Eigentum!“, empörte sich Marie. „Das waren doch keine wertvollen Gegenstände oder leblose Dinge, sondern fühlende Wesen!“

      Karolina hätte sich nicht so über Steins Wortwahl aufgeregt, schließlich schien Stein auf ihrer Seite zu sein, aber wenn Marie etwas gegen den Strich ging, dann musste sie es loswerden.

      „Diese Haltung ist lobenswert“, meinte Stein und lächelte das Mädchen an, „aber leider ist sie es auch, die euch in diesen Schlamassel gebracht hat. Und vor dem Gesetz sind Hunde leider nicht mit Menschen gleichgestellt. Das würde das Vorgehen gegen Tierquäler viel einfacher machen.“

      Stein schwieg in Gedanken versunken. Karolina vermutete, dass er an einen seiner Fälle dachte, in dem es um Tierquälerei ging. Wie lange das wohl zurückliegen mochte? Allzu lange konnte Stein noch nicht als Anwalt praktizieren, Karolina schätzte ihn auf Ende zwanzig, höchstens dreißig.

      „Ich habe gerade darüber nachgedacht, wie wir jetzt am besten vorgehen. Ich hatte nicht damit gerechnet, Euch hier zu sehen, Karolina“, sagte er und schenkte ihr ein Lächeln. „Das macht die Sache nicht gerade einfacher.“

      Die anderen guckten interessiert von Stein zu Karolina und wieder zurück.

      „Sag mal, kennt ihr euch, Karo?“, wollte Marie wissen.

      „Wieso nennen Sie sie eigentlich Karolina? Sie heißt doch Karo und außerdem ist Karolina ziemlich versnobt und altmodisch“, wandte Philipp ein.

      Stein schüttelte fassungslos den Kopf. „Sie haben wirklich keine Ahnung, wer Ihr seid, oder?“

      Karolina verneinte. Anscheinend musste sie doch noch weitere Dinge über sich preisgeben, auch wenn es ihr schwer fiel. Sie seufzte.

      „Ich habe keine Ahnung, ob ich Herrn Stein schon einmal begegnet bin“, sie lächelte ihn entschuldigend an, „aber ich denke mal, dass es sehr wahrscheinlich ist. Wir verkehren schließlich in den gleichen Kreisen. Vielleicht sind wir uns dort vorgestellt worden. Und selbst wenn nicht, so hat er mich doch wahrscheinlich von einem Foto erkannt.“

      „Der Weihnachtsball letztes Jahr“, frischte Stein ihre Erinnerung auf. „Aber kein Wunder, dass Ihr Euch daran nicht mehr erinnert. Ihr müsst Tausenden von Leuten die Hand geschüttelt haben.“

      Jetzt erinnerte sich Karolina wieder. Ihr Großvater hatte seinen jährlichen Weihnachtsball gegeben und sie hatte zum ersten Mal daran teilgenommen, nachdem sie im Jahr zuvor mit einer Erkältung im Bett gelegen hatte.

      Daniel machte ein verdutztes Gesicht. „Wieso sollte er dich von einem Foto her kennen?“, fragte er verwirrt. „Arbeitest du nebenbei als Model?“

      Karolina war so verblüfft, dass sie im ersten Augenblick nicht wusste, was sie sagen sollte. Dann erinnerte sie sich daran, dass Daniel noch weniger über sie wusste als Marie und Philipp oder gar John.

      „Ich muss euch etwas gestehen“, meinte sie zerknirscht, doch sie schaute nur Marie an, deren Meinung als einzige für sie zählte. „Diese Feier meines Großvaters gestern, von der ich dir erzählt habe, war keine einfache Feier mit Bekannten oder Freunden. Auch würden zu einer solchen Feier niemals weniger als fünfzig Leute kommen“, meinte sie wehmütig, als sie an die gemütliche, kleine Grillparty von Maries