Unendlich. Katie Sola. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Katie Sola
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754180525
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Aber sie können mir nicht sagen, wie lange noch oder ob er überhaupt wieder so sein wird wie früher. Oder können Sie das etwa? Hm, können Sie mir das versprechen?“

      „Ich würde es sehr gerne, Frau Winter, glauben Sie mir. Aber es gibt Dinge, auf die wir keinen Einfluss mehr haben. Wir tun unser Bestes, damit…“

      „Das sollten Sie auch! Gehen Sie gefälligst und schauen Sie, dass mein Kind bald wieder auf die Beine kommt. Er ist doch noch so jung. Er hat doch noch alles vor sich. Mein Kind. Mein armes Kind“, schluchzte Marianna und ließ sich wieder auf ihren Stuhl sinken, das Gesicht in den Händen vergraben.

      Julia und Markus gingen schnell zu ihr, strichen ihr beruhigend mit den Händen über den Rücken und redeten auf sie ein. Ihre Stimmen verschwammen zu einem monotonen Hintergrundgeräusch, das mein Bewusstsein ausblendete.

      Ich wäre auch gerne für sie da gewesen. Aber ich konnte nicht. Ich konnte nichts fühlen. Ich konnte mich nicht bewegen. Mein Körper war nur eine leere Hülle. Er saß da und bekam alles mit, was um ihn herum passierte. Er hörte die Worte der anderen und nahm wahr, was geschah, während meine Gedanken, mein Geist, unendlich weit entfernt waren. Mit jeder Sekunde, mit jedem Atemzug, der verging, hatte ich das Gefühl, dass ich selbst immer schwächer wurde. Es war die ganze Umgebung hier, das Krankenhaus, das mir meine Energie raubte. Schon wieder war ich hier. Und ein weiteres Mal wusste ich nicht, wie es weitergehen würde.

      Was würde mir dieses Mal noch bleiben, für das es sich zu leben lohnte?

      Hatte ich jetzt überhaupt noch einen Grund, hier zu sein?

      Kapitel 6 – Januar 2019

      Mein Geburtstag.

      Weihnachten.

      Silvester.

      Und jetzt Neujahr.

      Ich lag auf die Seite gedreht da und starrte gegen die weiße Wand. Ich hatte nicht einmal einen Kater von der letzten Nacht. Nicht einmal das kleinste Anzeichen von Kopfschmerzen oder Übelkeit. Es war beinahe enttäuschend. Da war nur weiterhin dieses dumpfe Gefühl in meiner Brust und meiner Magengegend, das ich versuchte zu unterdrücken.

      Ich konnte die Tage an einer Hand abzählen an denen ich in den vergangenen zwei Wochen nüchtern geblieben war. Der Alkohol half mir dabei, weniger nachzudenken. Die Gegenwart wurde immer verschwommener und dadurch erträglich. Wie es sich für eine beste Freundin gehörte, stand Milena mir bei. Sie ließ mich nicht allein und sorgte für Ablenkung. Sie war selbst traurig, wenn auch aus einem anderen Grund als ich. Die Modelagentur hatte sie abgelehnt, wodurch sie abwechselnd traurig und frustriert war, nur, um danach wieder traurig zu werden.

      Ich verstand sie. Ablehnung war einfach beschissen. Ein weiterer Punkt, der uns näher zusammenbrachte. Seither hatten wir jeden Abend gemeinsam verbracht. Keine von uns beiden hätte es ertragen allein zu sein. Wir wollten uns nicht mit dem Gefühl der Ablehnung beschäftigen oder damit, was das zu bedeuten hatte.

      Vielleicht hatte ich auch deshalb nicht auf Konstantins Nachricht geantwortet. Mein Ego wollte nichts mehr von ihm wissen. Und er hatte mir auch nicht wieder geschrieben. Das Kapitel schien damit abgeschlossen zu sein.

      Der Typ neben mir im Bett bewegte sich und gab einen lauten Seufzer von sich. Ich blieb einfach so liegen, wie ich war und regte mich nicht. Milena und ich hatten uns gestern Abend zwei Kerle gesucht, die wir um Mitternacht küssen konnten. Wir waren jung und schön, es wäre eine Verschwendung gewesen, allein zu bleiben. Im Anschluss waren wir noch mit ihnen nach Hause gegangen, was so eigentlich nicht geplant war. Und er war auch nicht schlecht gewesen, das auf keinen Fall. Ich würde es jederzeit wieder tun, aber ich wusste auch, dass es eine einmalige Sache gewesen war. Ich hatte nicht die Absicht, ihn je wieder zu sehen. Er war nur eine Ablenkung für mich. Mehr nicht.

      Leise schlug ich die Decke zurück und stand auf. Mit einem kurzen Blick zurück vergewisserte ich mich, dass er mich nicht gehört hatte. Er war mir nicht weiter wichtig. Niemand war das.

      Außer Konstantin. Aber von dem hatte ich nichts mehr gehört. Er war auch nicht auf unserer Party gewesen gestern. Vielleicht besser so. Das würde es leichter machen, ihn zu vergessen. Oder zu verdrängen, dass er mich nicht wollte.

      Der Stoff meines schwarzen Kleides, das über und über mit funkelnden und glitzernden Steinen besetzt war, raschelte leise, als ich es über meinen Kopf zog. Meinen BH steckte ich in meine Tasche. Später hatte ich noch genug Zeit um mich richtig anzuziehen. Jetzt wollte ich nur noch weg und nicht riskieren, dass der Typ noch aufwachte.

      Einen kurzen, letzten Blick warf ich noch über die Schulter zurück zu dem rotblonden Kerl, der wieder leise schnarchte, und schloss dann die Tür hinter mir. Keine zwei Minuten später war ich auch schon ganz aus der Wohnung draußen und stand auf der Straße. Trotz der strahlenden Sonne waren die Temperaturen eisig kalt an diesem Neujahrsmorgen. Ich schlang meinen Mantel etwas fester um mich und ging die Straße entlang.

      Am Straßenrand konnte ich die Überreste des Feuerwerks und der Feiern sehen. Umgestoßene Flaschen. Leere Plastikverkleidungen. Stöcke, die einmal zu Raketen gehört hatten. Ich versuchte mich an das Feuerwerk zu erinnern, doch es waren nur noch ein paar lose Fetzen von Lichtern und Wunderkerzen in meinem Gedächtnis. Viel war auf jeden Fall nicht mehr übrig. Der Kerl und ich hatten doch ziemlich heftig rumgknutscht. Jetzt war ich nur eine weitere Kerbe in seinem Bettpfosten. Und er in meinem.

      Hatte ich je mehr gewollt als das?

      Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, dann war die Antwort eindeutig. Ja. Und zwar von Konstantin. Der Schmerz, der meine Brust durchfuhr, ließ mich zusammenzucken. Ich hatte es mir lange selbst nicht eingestanden. Es war einfacher für mich wenn ich mir einredete, dass ich ihn nur haben wollte, weil er so unglaublich heiß und sexy war.

      Die Erkenntnis war kurz nach dem Gespräch mit Benny gekommen. Ich hatte mehr gewollt. Ich war ein wenig in ihn verknallt gewesen. Keiner wusste davon. Nicht einmal Milena hatte ich es gesagt. Zum Glück war sie nicht aufmerksam genug, um es zu erkennen.

      Der Schmerz in meiner Brust raubte mir für einige Sekunden den Atem. Alles fühlte sich eng an. Mein ganzer Körper krampfte sich zusammen. Ich bekam keine Luft mehr. Das Gewicht auf meiner Brust schien mich zu ersticken. Meine Finger gruben sich tief in meine Handflächen.

      Es dauerte länger als nur ein paar Sekunden, bis sich meine Atmung wieder einigermaßen beruhigte und ich wieder weitergehen konnte. Diese Art von Attacken hatte ich lange genug durchgemacht. Das war nicht das erste Mal heute. Ich hätte nur nicht zulassen dürfen, dass Konstantin mir in irgendeiner Weise so nahe ging. Warum hatte ich es nicht besser gewusst?

      Ein erleichtertes Seufzen entfuhr mir, als ich einige Minuten später in eine der Parallelstraßen einbog. Gleich war ich Zuhause. Mir war kalt und ich wurde langsam hungrig. Wir hatten gestern deutlich mehr Zeit mit Trinken als mit Essen verbracht und ich gehörte nicht zu den Frauen, denen ein Salat am Tag reichte.

      „Jo!“, rief jemand hinter mir.

      Überrascht drehte ich mich um. „Benny? Wo kommst du denn her?“

      „Von dort drin. Ich wohne da. Du warst vor zwei Wochen sogar mal da.“ Lachend blieb er stehen und stemmte die Hände in die Hüften. Seine Wangen waren gerötet und seine Augen strahlten. „Ein frohes neues Jahr.“

      „Danke. Das wünsche ich dir auch.“ Etwas verwirrt lächelte ich. Sollte ich ihn jetzt umarmen? Oder die Hand geben? Oder sonst irgendetwas? Es war zu früh für solche Begegnungen. „Habt ihr schön gefeiert?“

      „Ja. Gemütlich zuhause eben. Mein Vater war mal da, das war ganz schön. Und du? Gut siehst du auf jeden Fall aus.“ Mir entging nicht, dass sein Blick kurz über mein Kleid glitt.

      „Äh, danke“, erwiderte ich und zog meinen Mantel wieder vor mir zusammen. Ich hatte keine Ahnung, ob er durch das Kleid sehen konnte, wie kalt mir war und ich wollte es defintiv nicht darauf anlegen. „Und ja, wir haben bei einer Freundin von mir hier in der Nähe gefeiert.“

      „Oh