Unendlich. Katie Sola. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Katie Sola
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754180525
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keine Sorge, was Mathe angeht kann ich dir einiges beibringen.“ Ein plötzlicher Motivationsschub überkam mich. „Also, was war nochmal euer Thema?“

      Die nächsten Stunden vergingen wie im Flug. Benny lernte schnell und mir machte es mehr Spaß als erwartet. Was aber mehr an Bennys Anwesenheit lag. Er bemühte sich und gab sich wirklich Mühe und war sich nicht zu schade, den einen oder anderen Witz auf seine Kosten zu machen, der uns beide zum Lachen brachte. Meine Kopfschmerzen rückten bald in den Hintergrund und ich nahm sie irgendwann kaum mehr wahr.

      Die Sonne war schon untergegangen, als ich das Haus der Winters verließ und langsam meinen kurzen Heimweg antrat. Kaum hatte ich die Tür hinter mir zugezogen, kehrte die Beklemmung wieder zurück. Wie ein Ring legte sie sich um meine Brust und zog sich immer weiter zu. Ich sollte Konstantin einfach die Wahrheit sagen. Aber wie würde er reagieren? War es das überhaupt wert? Ich war ja nicht verknallt in ihn und was hatte ich mir eigentlich davon erhofft? Mit ihm würde ich vor meinen Freunden und in der Uni gut dastehen. Jeder hätte von unserer Liaison mitbekommen sollen. Mehr nicht. Ich wollte keine Beziehung.

      Mit einem Seufzen zog ich mein Handy aus meiner Tasche. In den letzten Stunden hatte ich kein einziges Mal mehr darauf geschaut. Und jetzt kribbelte es in meiner Magengegend, wenn ich nur daran dachte, dass ich noch die ungelesenen Nachrichten von ihm hatte.

      Ich scrollte durch die Vorschau der Nachrichten. Es gab viel Neues in der Gruppe mit meinen Kommilitonen. Milena hatte mir darüber hinaus noch ein paar Mal geschrieben, ob alles in Ordnung sei, da ich mich so lange nicht gemeldet hätte.

      Und dann waren sie da. Meine Schritte wurden immer langsamer. Ich blieb stehen und starrte auf den Bildschirm zwischen meinen Fingern. Mir wurde kalt. Ich spürte meine Fingerkuppen kaum noch. Es waren zwei Nachrichten, die Konstantin mir geschickt hatte.

      Die erste war kurz und nichtssagend. Einfach nur: „Hey.“

      Und dann kam die zweite, die alles nur noch schlimmer machte.

      Kapitel 5 – Heute

      Ich war schon lange nicht mehr hier gewesen. Ob sie wohl noch immer im gleichen Zimmer lag? Würde ich es finden? Ich wollte es nicht ausprobieren.

      Meine Hände lagen reglos in meinem Schoß. Mein Blick war starr auf die Wand gerichtet. Das Bild dort hing ein wenig schief. War es noch niemandem vorher aufgefallen? Ich wollte es gerne zurechtrücken, aber mir fehlte die Kraft um aufzustehen.

      Julia neben mir schluchzte unablässig. Ich wünschte mir, ich könnte auch solche Emotionen zeigen wie sie. Selbst Marianna zu meiner anderen Seite hatte zu Weinen begonnen. Still und lautlos ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Wir konnten alle nicht mehr stark sein. Wir konnten nur hier sitzen und warten, bis endlich der Arzt zu uns kam und uns sagte, wie es aussah. Selbst Markus, sein Trainer, der sonst immer so streng und kontrolliert war, saß zusammengesunken da und fixierte einen Punkt auf dem Boden, den nur er sehen konnte.

      Er hatte kaum ein Wort zu uns gesagt. Nur, dass es gut sei, dass wir da wären. Ob er so etwas schon einmal erlebt hatte? Oder war es für ihn auch das erste Mal? So wie es für uns alle das erste Mal sein sollte.

      Marianna und Julia hatten nichts von Markus wissen wollen. Vielleicht wussten sie schon mehr als ich. Ich kam mir vor wie eine Außenseiterin. Ein Eindringling in diese Familie. Ich wollte auch Bescheid wissen. Ich wollte wissen, was passiert war. Aber ich brachte kein Wort heraus. Ich konnte nur hier sitzen und abwarten. Mein ganzer Körper fühlte sich taub an. Ich fragte mich, ob er überhaupt zu mir gehörte. War das überhaupt noch ich?

      „Frau Winter?“

      Marianna neben mir schreckte auf. Ich reagierte langsamer, fast träge. Mein Körper fühlte sich schwer und unendlich müde an. Eine junge Frau kam auf uns zu. Sie sah so aus, wie ich mich fühlte. Müde und erschöpft. Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen. Sie trug einen weißen Arztkittel, darunter blaue Krankenhauskleidung. Auf einem kleinen Schild stand etwas geschrieben. Ich konnte es nicht lesen.

      „Ja?“ Mariannas Stimme war erstickt und leise. Sie war kaum zu hören.

      „Ich bin Dr. Bauer, ich gehöre zu dem Team, das für Ihren Sohn verantwortlich ist.“ Sie reichte Marianna die Hand. Ich sah nicht, ob Marianna sie auch ergriff. War es überhaupt noch wichtig? „Würden Sie bitte mitkommen? Ich möchte mit Ihnen über Ihren Sohn sprechen.“

      „Was ist mit ihm? Was ist mit meinem Benny? Bitte, sagen Sie mir, was mit ihm passiert ist.“

      Julias Schluchzen neben mir wurde für den Moment leiser. Selbst Markus fixierte jetzt mit leerem Blick die junge Ärztin.

      „Das kann ich Ihnen hier nicht sagen. Die Vorschriften besagen, dass…“

      „Die Vorschriften sind mir egal!“, schrie Marianna. „Wir wollen alle wissen, wie es ihm geht und nicht, was die Vorschriften in Ihrem Krankenhaus sind. Wir alle lieben ihn und wollen nur wissen, was passiert ist und wann wir ihn sehen können.“

      „Was passiert ist, kann ich Ihnen nicht genau sagen. Es war ein Reitunfall, mehr wissen wir nicht. Er ist mit schwersten Verletzungen bei uns eingeliefert worden. Er wird noch immer notoperiert und im Moment können wir keine Prognose abgeben.“

      „Oh Gott.“ Marianna schlug sich die Hand vor den Mund. Ein lautes Schluchzen entfuhr ihr. Ihr ganzer Körper zitterte. Die Worte konnten nicht zu mir durchdringen. Ich hörte die Stimmen wie durch eine dicke Watteschicht. Dumpf. Sie konnten mich nicht berühren. Als würden sie mich nichts angehen. Es war, als würde ich nicht dazugehören.

      „Was… was heißt das jetzt genau?“, fragte Marianna zitternd und mit bebender Stimme.

      „Er hat von dem Sturz einige Knochenbrüche erlitten, die wir alle problemlos versorgen konnten.“ Ein leises Ausatmen entfuhr Marianna. „Aber uns machen die inneren Verletzungen sowie die Kopfverletzung viel mehr Sorgen. Derzeit ist unser Neurochirurg dabei, Ihren Sohn zu operieren und die Hirnblutung zu stoppen und zu versorgen. Allem Anschein nach muss er großes Glück gehabt haben, dass das Pferd ihm den Brustkorb nicht zerquetscht hat.“

      „Was… Was hat er denn alles? Was ist meinem Jungen alles passiert?“

      „Sein rechter Unterarm ist gebrochen, eine Prellung der rechten Hüfte und einen Trümmerbruch der linken Kniescheibe und des linken Wadenbeins. Dazu dann noch die Kopfverletzungen. Der Helm hat ihn vor noch schlimmeren Verletzungen bewahrt.“ Die Ärztin zählte die Fakten ganz sachlich auf. Nicht der Hauch einer Emotion schwang in ihrer Stimme mit. Für sie war es wahrscheinlich etwas Alltägliches. Wie konnte so etwas nur normal werden?

      Keiner wusste so recht, was er darauf erwidern sollte. Was konnte man schon sagen bei einer solchen Horrornachricht?

      Ich schluckte. Ich wollte irgendetwas tun oder sagen, dass den anderen helfen würde. Aber im Moment konnte ich mir nicht einmal selbst helfen.

      „Cookie ist ihm auf das Bein gestiegen“, sagte Markus leise. „Nach dem Sturz. Benny war unten. Cookie hat sich gefangen und ist dann durchgedreht. Er ist einfach…“

      „Wie ist es passiert?“, fragte Marianna tonlos. Sie schaute Markus nicht einmal direkt an. „Was hat dieses dumme Vieh angestellt, dass es meinem Sohn jetzt so schlecht geht?“

      „Cookie trifft keine Schuld. Er hat…“

      „Wäre er nie auf dieses verdammte Pferd gestiegen, wäre alles noch in Ordnung. Ich hätte es meinem Sohn nie erlauben dürfen. Er wusste, wie gefährlich das alles ist. Und trotzdem ist er jeden Tag dorthin gefahren. Mein Mann hatte jeden Tag recht, wenn er sagte, dass wir es ihm verbieten sollten. Ich habe mich immer für ihn eingesetzt, weil er es doch so liebte, sich um die Tiere zu kümmern. Und wo hat ihn das jetzt hingebracht? Hätte mir das vorher nicht irgendjemand sagen können?“, schrie Marianna und sprang auf. Ihr ganzer Körper bebte und zitterte. Es war die pure Verzweiflung, die aus ihr sprach. „Also Markus, sag uns jetzt endlich, wie dieses Vieh es geschafft hat, dass mein Sohn halb tot ist.“

      „Er ist noch