Unendlich. Katie Sola. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Katie Sola
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754180525
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nur Benny. Benjamin hat schon lange niemand mehr zu mir gesagt. Also, komm rein.“ Höflich ging er einen Schritt zur Seite und schloss dann gleich die Tür hinter mir. „Schuhe und Jacke kannst du einfach direkt hier hinstellen.“ Er deutete auf die Garderobe zu meiner Linken.

      Ohne große Worte schlüpfte ich aus meinem Mantel. Neugierig schaute ich mich um. Das Haus der Winters vermittelte sofort den Eindruck von Wärme und Geborgenheit. Es war rein aus Holz gebaut und auch wenn ich es eigentlich nicht wollte, fühlte ich mich auf Anhieb wohl hier. Alles wirkte einladend und freundlich. Und das gefiel mir nicht. Ich wollte es hassen. Mein Vater sollte nicht Recht behalten, dass es mir vielleicht Spaß machen könnte, anderen etwas beizubringen. Er sollte nicht glauben, dass er in irgendeiner Weise an meinem Leben teilhaben könnte. Mein Vater kannte mich schon lange nicht mehr.

      „Wir können gleich hier unten bleiben. Meine Mum und meine Schwester sind nicht da“, erklärte er und ging mir voraus den kurzen Gang hinunter in das offene Wohn- und Esszimmer. Zwei große Fenster gaben den Blick in den kleinen Garten frei. Das Haus war größer als ich es erwartet hatte und deutlich geräumiger als unser kleines Reihenhaus.

      „Möchtest du etwas trinken?“, fragte Benny, während ich meine Sachen auf dem Esstisch ablegte. Er schien vorbereitet zu sein, wie ich mit einem Blick bemerkte. Einige Hefte und Bücher lagen schon dort. Eines davon aufgeschlagen. Das sprach für Motivation und für einen schnellen Feierabend. Gut so. Ich wollte nur nach Hause.

      „Ein Wasser wäre toll, danke.“

      Er ging in die angrenzende Küche, ich setzte mich derweil und holte mein Handy aus meiner Hosentasche heraus. Der Bildschirm blinkte auf. Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Eine neue Nachricht. Von Konstantin. Mein Blick blieb an seinem Namen hängen. Wie oft hatte ich von diesem Augeblick geträumt und ihn herbeigesehnt? Immer in einem anderen Kontext. Ohne seine Freundin. Der Bildschirm wurde wieder dunkel bevor ich die Nachricht lesen konnte und Benny kehrte mit dem Wasser zurück.

      „Danke.“ Ich nahm einen Schluck. Meine Gedanken waren wieder bei Konstantin. Ich konnte mich nur schwer darauf fokussieren, weshalb ich eigentlich hier war, während da diese ungelesene Nachricht von Konstantin auf meinem Handy war. In meinem ganzen Körper kribbelte es. Was wollte er nur von mir? Und warum jetzt? „Also… Mein Vater meinte, dass du Probleme mit Mathe hast?“

      „Und mit Englisch, genau. Dein Dad hat meiner Mum wohl erzählt, dass du beides super kannst und daraus ist dann die Idee entstanden. Ich freue mich wirklich, dass es geklappt hat.“

      „Mhm“, machte ich nur. Es interessierte mich nicht, wer die Idee dazu hatte. Fakt war, dass es irgendwie passiert war und ich aus der Nummer jetzt nicht mehr rauskam. Ich wollte wieder nach Hause oder wenigstens in Ruhe Konstantins Nachrichten lesen. In meinen Fingern kribbelte es geradezu und aus dem Augenwinkel linste ich immer wieder zu meinem Handy hinüber. Der Bildschirm blieb dunkel.

      „Also, ich hab nächste Woche eine Matheklausur, bei der es sehr wichtig wäre, dass ich sie bestehe“, begann Benny.

      „Nächste Woche schon?“ Ich zog zweifelnd die Augenbrauen zusammen. Am Rande meines Blickfeldes sah ich erneut den mein Handy aufblinken. Ich schielte zur Seite, um wenigstens einen Blick darauf zu erhaschen. Ob die Nachricht wieder von Konstantin war? Was er wohl von mir wollte? Immerhin hatte er es die ganze Zeit vorher auch nicht geschafft, sich bei mir zu melden. Woher hatte er überhaupt meine Nummer? Und warum hatte er sich nicht schon vorher bei mir gemeldet, wenn er sie doch hatte? „Ähm, was ist denn euer Thema?“

      Wieder blinkte das Display meines Handys auf und dieses Mal konnte ich ganz deutlich seinen Namen erkennen. Ein schmerzhafter Knoten machte sich in meiner Magengegend breit. Mir wurde übel. Was wollte er nur von mir? Es war doch alles eindeutig gewesen gestern Abend. Wir hatten kein Wort miteinander gesprochen. Was gab es da noch zu klären? Die andere Frage war, ob ich seine Erklärungen überhaupt noch hören wollte. Milena meinte, ich solle Abstand nehmen und das Thema abhaken. Es gäbe noch so viele andere Kerle hier in der Stadt. Das Problem daran war nur, dass keiner von diesen anderen Konstantin war.

      „Joanna?“

      Erschrocken zuckte ich zusammen. „Tut mir leid, ich war gerade nur etwas…“

      „…abgelenkt, ich sehe schon“, vervollständigte Benny meinen Satz und schaute ebenfalls zu meinem Handy hinüber, das schon wieder aufblinkte.

      „Tut mir leid, es ist nur gerade etwas…“ Ich stockte. Was war es denn? Kompliziert? Eigentlich nicht. Es war eindeutig. Man könnte es vielleicht mit dezent beschissen umschreiben. Also für mich.

      „Ich würde dir gerne einen Vorschlag machen, mit dem wir beide glücklich sein könnten.“ Benny verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.

      „Ach ja?“ Ich runzelte die Stirn. Wie wollte er mir bitte in meiner Situation weiterhelfen? Er war gefühlt noch ein Kind.

      „Ich höre dir zu und wir sprechen über deine Probleme und dann hilfst du mir, die Klausur am Mittwoch zu bestehen, okay? Ganz ohne Ablenkung und ohne Handy. Bitte, ich bin wirklich schlecht in Mathe und brauche Hilfe.“

      Ich brachte ein müdes Lächeln zustande. „Wie alt bist du nochmal?“

      „Sechzehn.“

      „Wie willst du mir da mit meinen Problemen weiterhelfen? Du hast von solchen Sachen keine Ahnung.“

      „Woher willst du das wissen? Du kennst mich doch noch gar nicht wirklich.“

      „Das ist lieb von dir, aber…“ Ich schüttelte den Kopf.

      „Dann probier es doch aus. Was ist das Schlimmste, das dir passieren könnte? Dass ich dir nicht weiterhelfen kann. Und selbst wenn das der Fall ist, dann hast du jetzt die Chance, dir alles von der Seele zu reden. Ich verurteile dich nicht dafür. Wie schon gesagt, wir kennen uns noch gar nicht.“

      „Wer sagt, dass ich sonst niemandem habe, mit dem ich darüber reden könnte?“

      „Das habe ich nicht gesagt. Manchmal tut es vielleicht gut, mit jemandem zu reden, der nicht involviert ist und einen neutralen Standpunkt hat.“

      „Du vergisst, dass ich nicht du bin. Ich kann meine Probleme durchaus selbst lösen und brauche keine neutralen Menschen dafür, die mir Ratschläge geben. Aber danke“, fügte ich der Höflichkeit halber hinzu.

      „Das habe ich auch nicht vor. Hast du es denn überhaupt schon einmal ausprobiert? Mit einem Außenstehenden zu sprechen?“ Er zog die Augenbrauen hoch.

      „Nein. Ich habe meine Freunde, die für mich da sind“, gab ich zu und lehnte mich ebenfalls auf meinem Stuhl zurück. Mein Handy behielt ich weiterhin im Auge. Auf keinen Fall wollte ich es verpassen, wenn noch eine Nachricht kam. Vielleicht würde sie mein Leben verändern?

      „Dann wäre es doch ein guter Zeitpunkt, um es auszuprobieren, oder? Ich kenne dich nicht, ich bin unvoreingenommen.“ Er lächelte. Es hatte etwas Vertrautes, als würden wir uns schon viel länger kennen. „Außerdem liegt mir wirklich viel daran, die Klausur zu bestehen. Daher wäre es schön, wenn du mir danach erklären kannst, was ich die ganze Zeit falsch mache.“

      Ich seufzte und schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht. Wir kennen uns nicht und…“ Ich suchte nach Ausreden, aber mir wollten keine mehr einfallen.

      „Das muss nicht unbedingt etwas Negatives sein. Unter Umständen werden wir noch etwas mehr Zeit miteinander verbringen müssen. Natürlich zuammen mit meinen beiden besten Freunden Algebra und Englisch. Ich kann dir zuhören. Sieh es als Chance, nicht als Hindernis.“

      „Okay. Ich verstehe.“ Ich nickte und schaute wieder zu meinem Handy, dessen Bildschirm jetzt schwarz blieb. Ich zögerte. Und warum ich dann doch anfing zu erzählen konnte ich gar nicht genau sagen. Wahrscheinlich eine Mischung aus meinen vernebelten Gedanken und Bennys Worten, die überraschend reif waren für einen Sechzehnjährigen. „Also… Es gibt da so einen Typen, auf den ich stehe. Seit einem Jahr oder so. Aber ich bin nie so richtig an ihn herangekommen. Naja und dann vor ein paar Tagen war da diese Party,