Das Elbmonster. Gerner, Károly. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerner, Károly
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847643777
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      Nun, wie dem auch ist, in meinem Alter zankt man sich nicht mehr. Das wäre schlichtweg vertane Zeit, weil es sich doch gemeinhin um belanglose Dinge handelt. Insofern sind wir gut beraten, über allen Zweifel erhaben zu sein. Je früher, desto besser. Das schont unser Nervenkostüm. Schließlich wissen wir doch längst, dass Frauen nicht selten mit dem beeindruckenden Drang ausgestattet sind, über Probleme endlos zu reden. Männer hingegen wollen sie lösen, möglichst schnell abhaken. Darin verbirgt sich freilich ein gewaltiger Unterschied, indessen gleichermaßen eine besondere Verlockung jedweder Partnerschaft. Wir beide sagen uns jedenfalls offenherzig die Meinung und schweigen hinterher oder handeln nach eigenem Gutdünken. Böse Worte sind tabu, gegenseitige Beleidigungen verabscheut, zumal wir es ernst nehmen mit den nötigen Freiräumen, die jeder braucht, um seinen Seelenfrieden zu wahren und sich wohlzufühlen.

      Ergo habe ich des heiligen Einklangs wegen meinem holden Weiblein mit leichtem Augenzwinkern Folgendes mündlich zugesichert: Sobald ich nach Fertigstellung und erfolgreichem Vertrieb dieser Abhandlung Millionär bin, höre ich mit derlei Beschäftigungen sofort auf. Und sollte das nicht eintreten, was ja nahezu hundertprozentig sicher ist, beende ich erst recht meine einschlägigen Bemühungen. Der alte Shakespeare würde hierauf sicherlich entgegnen: „Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Ich teile seine Erfahrung. Zudem sollte man ja auch niemals nie sagen. Lassen wir es einfach an uns herankommen!

      Meine verehrten Leser haben gewiss schon beizeiten erfasst, dass es sich hier weder um Selbstmitleid noch um ein wehmütiges oder gar zorniges Klagelied handelt. Die vielleicht etwas merkwürdig anmutenden Äußerungen sollen lediglich etwas aufmunternd unterhalten. Vorerst wenigstens.

      Eigens deshalb werde ich mich im nächsten Kapitel absichtlich noch tiefer in jene abenteuerliche Begebenheiten hineinbemühen, die auf irgendeine Weise mit meiner bisherigen Tätigkeit als Autor verknüpft sind. Eine selbstgefällige Nabelschau ist dabei nicht beabsichtigt, denn sie wäre garantiert unersprießlich.

      Demnach betone ich aus vollem Herzen: Es reizt und treibt mich mehr denn je, Abels höchst seltsame Schicksalsfügung einer interessierten Öffentlichkeit schonungslos preiszugeben. Außerdem sind bekanntlich aller guten Dinge drei. Darum will ich auch dieses Buch trotz mancher Widrigkeiten unbedingt fertigstellen.

      Sollte es jedoch nach einer gewissen Zeit ebenso wenig erfolggekrönt bleiben wie seine zwei Vorgänger, dann müsste ich wohl endgültig die Segel streichen, indem ich eingestehe, dass mir jedwedes Talent zum Verfassen schöngeistiger Literatur fehlt oder es kaum jemanden interessiert, was ich zu Papier bringe. Die bisher rund dreihundert veräußerten Exemplare sind schließlich kein beachtenswerter Erfolg, zumal ich gut ein Drittel davon verschenkt habe. Kurzum: Aufwand und Ertrag stünden weiterhin in einem denkbar schlechten Verhältnis zueinander. Da müsste ich notgedrungen meiner lieben Frau zubilligen, dass sie den entsprechen Sachverhalt beizeiten richtig einschätzte. Aber Langeweile käme bei mir trotzdem nicht auf, denn es gibt allerlei Möglichkeiten, die verbleibende Freizeit auch im Seniorenalter sinnvoll zu nutzen, solange unsere geistigen und körperlichen Kräfte einigermaßen mitspielen. Auf einer Insel trunkener Seligkeit wäre ich aller Voraussicht nach nicht lange glücklich, weil ich das süße Nichtstun erst in meinem nächsten Leben genießen möchte. Aber so weit ist es gottlob noch nicht.

      3

      Ja, manchmal erweisen sich uns die Schicksalsmächte in Gestalt holder Weiblichkeit reichlich gewogen, offenbaren ihren Liebreiz und verwöhnen uns mit ihrem ungemein betörenden Wesen. Aber sie bleiben fortwährend unberechenbar. Gleichwohl halte ich es für das Kostbarste, was uns Staubgeborenen jemals anrühren kann, nämlich persönliches Wohlergehen, das wiederum überaus facettenreich auftritt, weil es vielerlei Gesichter hat. Was um Himmels willen könnte erhabener sein, als unaufhörlich nach ihm zu streben, damit möglichst alle Menschen ein glückliches Dasein finden, und zwar hier auf Erden und nicht irgendwann im vermeintlich paradiesischen Jenseits? Die Gefilde der Erlösten können also warten und die Hölle sowieso. Diese erlebt man ja ohnehin nach wie vor vielerorts auf unserem einzigartigen Planeten.

      Ich weiß, mein beschwörendes Ersuchen zum aktiven Handeln sind hehre Worte. Aber wir können wirklich etwas dafür tun, jeder auf seine Weise und das vornehmlich auf heimatlichem Boden. Dabei brauchen wir uns um die oberen Achtzigtausend nicht zu kümmern, deren Privateigentum derzeit nahezu ein Viertel des Vermögens aller Deutschen ausmacht. Sie verkörpern quasi das reichste Promille und sind gewiss auch besonders stolz darauf, obgleich sich die landestypisch unerbittliche Jagd nach materiellem Besitz als am wenigsten sinnstiftend darbietet. Sie wirkt letztlich inhuman.

      Wenn ich hierzu exemplarisch dem üblichen Blätterwald entnehmen durfte, dass Josef Ackermann, einst Vorstandschef der Deutschen Bank, uns auch als markanter Typ mit seinem demonstrativen Victoryzeichen sattsam bekannt, ein Jahressalär von bis zu vierzehn Millionen Euro erhielt, so frage ich gezielt: Was macht ein Mensch eigentlich mit so viel Geld? Er könnte doch allerlei Gutes bewirken. Manche werden sicherlich auch danach handeln, und Egoisten gibt es schließlich überall. Ob der clevere Schweizer besagte Moneten redlich verdiente, sie einfach erhielt oder sich kraft seines Amtes wie in einem Selbstbedienungsladen kurzerhand nahm, vermag ich nicht zu beurteilen. Dessen ungeachtet verkünde ich unverblümt, ja sogar mit fühlbarer Genugtuung, dass solche ichsüchtigen Charaktere in mir keinerlei Neid aufblühen lassen, ergo auch nicht die riesige Summe ihrer Penunzen (Wendelin Wiedeking von der Porsche AG konnte sogar auf stolze sechzig Millionen Euro Jahreseinkommen verweisen, was aber noch keine Obergrenze markiert, sofern die Politik keinen Riegel vorschiebt). Mir hingegen reicht wahrhaftig eine vergleichsweise winzige Kleinigkeit davon, um frohgemut durch den Tag zu wandeln. Dafür sei meinen lieben Eltern gerne noch posthum gedankt.

      Außerdem dürfte sich die wissenschaftlich belegte Erkenntnis herumgesprochen haben, dass es sich bei Führungskräften, namentlich in großen Höhen, fast immer und überall um „Menschen mit psychopathischer Tendenz“ handelt (Daniel Nettle), also Persönlichkeiten mit Neigung zu gestörtem oder widernatürlichem Gefühls- und Gemütsleben. Sie gebärden sich nach dem bewährten Grundsatz: je rücksichtloser, desto größer der Erfolg. Jedwede Verträglichkeit wäre kontraproduktiv.

      Solcherart Charaktereigenschaften empfinde ich jedenfalls als nicht erstrebenswert (wenngleich es offenbar auch sie geben muss).

      Hinzu kommt, dass man in jener Sphäre anscheinend weder irgendwelche moralische Skrupel noch einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn vorfinden dürfte.

      Das unersättliche Streben nach finanziellem Reichtum ist für manche Zeitgenossen längst zum einzig heiligen Credo ernannt, gepriesen in aller Ewigkeit. Oder drängt sich hier klammheimlich der ketzerische Gedanke auf, dass in einer Gesellschaft, wo der Profit oftmals höher steht als der Mensch, das letzte Wort noch nicht gesprochen sein kann? Dies gilt erst recht, nachdem die Renditehaie und ihre Helfershelfer, vornehmlich Politiker, seit dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers sowie der rasanten Globalisierung aller Wirtschaftsbereiche triumphale Erfolge feiern.

      Fraglos stehen uns sowie den Nachfahren tiefgreifende Veränderungen noch bevor. Freilich nicht als Selbstläufer. Auch der traditionelle Segen des Papstes „urbi et orbi“ (der Stadt und dem Erdkreis) dürfte kaum reichen, um Humanität nachhaltig zu befördern. Man muss schon etwas dafür tun, jeder entsprechend seiner Möglichkeiten.

      Um die persönliche Wohlfahrt unserer höchst dotierten Akteure brauchen wir uns jedenfalls nicht zu sorgen. Es sind vielmehr die Armen und Schwachen, die als augenscheinlich Benachteiligte unserer Aufmerksamkeit und selbstlosen Fürsorge bedürfen. Ihre Zahl wächst ständig. Wer das leugnet, ist schlichtweg ein Ignorant, spürt nicht die zunehmende soziale Kälte im gelobten Vaterland. Zudem liegt die Vermutung nahe, dass maßgebliche Politiker die Sorgen und Ängste vieler Menschen wiederholt sträflich unterschätzen. Das ist nicht nur bedauerlich, sondern echt besorgniserregend, weil man sich ohnedies manchmal schon fragen muss, wie lange es sich die Bedrängten noch gefallen lassen werden, dass man sie in unserem, ach so beweihräucherten Rechtsstaat oftmals mit Füßen tritt, während die Oberen vielfach mit Samthandschuhen angefasst werden. Mitunter vermag man sich doch des Eindrucks kaum noch zu erwehren,