Das Elbmonster. Gerner, Károly. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerner, Károly
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847643777
Скачать книгу
möchte. Eher streicht er wieder jemanden von seinem fatalen Register, als dass er bereit wäre, seine „heilige Zwölf“, die für ihn eine Art göttliches Gleichgewicht verkörpert, zu missachten.

      Mit diesem hintergründigen Sachverhalt werden wir noch mehrfach konfrontiert, weil uns die gerade erwähnte dämonische Gestalt ständig zu begleiten droht. Das ist beileibe kein gutes Omen, zumal wir uns bekanntlich von den Unsterblichen der Rache (Erinnys und Furie) durch ihre ausnehmend diabolischen Reiz ab und an leicht verführen lassen. Wer noch niemals nach Vergeltung für eine erlittene Schmach trachtete, ist kein menschliches Wesen. Äußerst hinterhältige Ahndungswünsche sind manchmal unsere forschen Gefährten, zwar wahrlich keine erstrebenswerte Erquickung, aber bisweilen maßgebliche Triebkräfte eines mitunter geradezu satanischen Handelns. Ob und wie wir uns letztlich Genugtuung für ein empfundenes Unrecht verschaffen, hängt ganz von den jeweiligen Gegebenheiten ab.

      Entnehmen wir dem soeben Gelesenen gar schon eine bestimmte Verheißung, wenn auch noch ziemlich nebulösen Charakters? Schlimmer, es könnte bereits die nahezu verbindliche Kundgabe eines äußerst fatalen Geschehens sein. Oder ist uns hier allenfalls eine Art Schelmenroman in die Hände gelangt? Wohl kaum, auch wenn ich mich just dieser Tage intensiv damit abmühe, das knapp achthundert Seiten umfassende Werk „Die Blechtrommel“ von Günter Grass gründlich durchzuforsten, um mir daraus gewisse Anregungen zu holen.

      Nahezu gleichzeitig lese ich übrigens auch Herta Müllers „Atemschaukel“. Der Roman schildert glaubhaft, weil im hohen Maße authentisch, den fünfjährigen Zwangsaufenthalt eines jungen Mannes aus der Volksgruppe Siebenbürger Sachsen (Rumänien) in einem sowjetischen Arbeitslager nach dem Zweiten Weltkrieg. Entbehrung und Hunger gehörten zum Alltag der unter ihrer Verbannung schrecklich leidenden Menschen. Viele sind dabei elendiglich umgekommen. Das Buch macht zutiefst betroffen.

      Es dürfte wohl so gewiss sein, wie die Nacht dem Tage folgt, dass es sich hierbei ebenfalls um eine erzählerische Meisterleistung handelt, obwohl im Vergleich zur „Blechtrommel“ ein völlig anderer Lebensbereich beleuchtet wird.

      Die Jünger des weltberühmten Sprengstofferfinders Nobel wissen schon, wen sie wofür mit ihrer grandiosen Auszeichnung ehren (hier wird allein nach den erwähnten Publikationen befunden, nicht nach Charakteren).

      Natürlich bin ich mir dessen uneingeschränkt bewusst, dass ich die außerordentlich hohe Kunst unserer Nobelpreisträger für Literatur niemals erreichen werde. Fleiß allein reicht nicht. Da gehört schon eine überdurchschnittliche Begabung dazu. Und meine bewegt sich allenfalls im unteren Bereich. Aber das ist immer noch besser als nichts, zudem ein Grund mehr, die besonders Erfolgreichen im Blick zu behalten, ohne meine Eigenheiten zu verbergen.

      Das entspräche übrigens auch einer nachdrücklichen Empfehlung seitens einer ausnehmend gönnerhaften Lady, welche mir freilich bislang extrem geheimnisumwoben erscheint. Es handelt sich offenbar um eine besonders ehrenhafte Fürsprecherin, über die wir gleich Näheres erfahren werden.

      Nun ja, wer in den einschlägigen Erinnerungen anderer wenigstens für eine gewisse Zeit verbleiben möchte, muss eben Großes wollen. Und knisternde Erotik, wird es die auch geben? Vielleicht. Abwarten! Das Leben ist bunt und voller Überraschungen. Lasst uns also vereint weiterziehen, damit das Werk solide gedeihe und möglichst vielen gefalle!

      Eindringlich motiviert wurde ich zu meinem neuerlichen Vorhaben auch und vor allem durch meine geschätzte Leserschaft, darunter von einer äußerst rätselhaften Frau, die mir in einem recht umfangreichen Brief außerordentlich wertvolle Hinweise für meine weitere Arbeit gab, selbst jedoch bisher vollkommen anonym blieb. Was bezweckt die anscheinend unerforschliche Dame? Will sie mir tatsächlich nur Mut zusprechen, der schreibenden Zunft unbedingt treu zu bleiben? Allenfalls darf ich anlog ihres ziemlich mysteriösen Verhaltens auf eine heimliche Verehrerin schließen? Ihre plausiblen Hinweise zeugen von hoher literarischer Sachkenntnis, wirken regelrecht wie heilender Balsam auf meiner vorübergehend leicht verwundeten Seele und sind zugleich eine ausgesucht edle geistige Delikatesse für meinen geplagten Verstand. Oh, ist das fühlbar angenehm! Doch sei auf der Hut, alter Schwede, dass dich nicht etwa ein unstillbarer Sinnenrausch vollends befällt und du später mit desto quälerischer Enttäuschung umhergeisterst!

      Gleichwohl erlaube ich mir jetzt, unserer exponierten Mitstreiterin auf diesem Wege meinen aufrichtigen Dank zu übermitteln, selbstredend verwoben mit jener schattenhaften Hoffnung, ich könne sie eines Tages persönlich fest in die Arme schließen, um mich für ihre beeindruckend hilfreichen Dienste erkenntlich zu zeigen. Wer verbirgt sich hinter dem weiblichen Inkognito? Gewiss eine ungemein kluge Evastochter, was mich bereits derart fasziniert, dass ich zunehmend Mühe habe, meine entsprechende Neugierde halbwegs zu bändigen. Ob sie uns ihr erhabenes Geheimnis jemals preisgibt?

      Ich will auch sogleich verraten, dass sich in meinem Oberstübchen mittlerweile ein höchst seltsamer Bazillus festsetzte, welcher sich inzwischen derart in meinen Hirnzellen einnistete, dass ich ihn trotz aller Bemühungen einfach nicht mehr loswerde. Das wiederum erscheint mir nachgerade besorgniserregend, denn hinter der geheimnisvollen Person könnte sich ja auch eine von mir einst verschmähte Liebe verbergen. Noch zeigt sie sich mir überaus zugetan, wie aus dem erwähnten Schreiben hervorgeht. Doch bis jetzt, während ich diese unheilschwangeren Gedanken niederschreibe, sind bereits knapp neun Monate verflossen. Was geschieht, wenn ihre weiterhin unerwiderte Passion sie zu widernatürlichen Reaktionen treibt? Derart abwegige Verhaltensweisen mancher Brüder und Schwestern sind uns ja hinlänglich vertraut. Verdammt und zugenäht, welch eine düstere Vorahnung!

      Ferner sei hier noch schleunigst kundgetan, dass meine liebe Frau und ich uns seit jener rätselhaften Zuschrift ebenso zielgerichtet wie eilfertig darum bemüht haben, sämtliche Adressaten zu erkunden, die unserer Vermutung nach dafür auch nur leidlich infrage kämen. Doch absolut vergebens! Nichts vermochten wir herauszufinden, konnten den Schleier vom bizarren Geheimnis keinen Deut lüften, haben bis zur Stunde nicht den geringsten brauchbaren Ansatz entdeckt. Spannend bleibt es daher allemal.

      Vielleicht erfahren wir es noch im Verlaufe unserer weiteren Gespräche, mein hoch geschätztes Publikum. Aber die Zeit dafür ist recht knapp bemessen, denn ich habe einen streng vorgegebenen Termin für den Schlusspunkt unter dieser Erzählung, spätestens am Ostersonntag 2013. Ansonsten gnade mir Gott! Huch, worauf habe ich mich da bloß wieder eingelassen? Also wirklich freiwillig geschieht hier kaum etwas, zudem wegen meiner sonstigen Pflichten wie bereits früher auch nur beiläufig.

      Was in drei Teufels Namen sei jetzt urplötzlich in mich gefahren, werden Sie, meine verehrten Begleiter, hierauf sicherlich etwas verblüfft fragen. Warum völlig unvermittelt diese sibyllinischen Worte? Oder hat sich gar ein manischer Trieb in mir verfestigt, eine innere Besessenheit, die mich unentwegt wie im Selbstlauf jagt, weil sie oftmals stärker ist als mein gelegentliches Verlangen nach mehr besinnlicher Gelassenheit? Existiert sie überhaupt, die Obsession, jene individuelle Zwangsvorstellung, von der Psychologen künden? Ich fürchte ja, denn die meisten „Seelenklempner“ wissen durchaus, was sie sagen und tun, auch wenn man unter ihnen vereinzelt gewohnheitsmäßigen Dilettanten und berüchtigten Scharlatanen begegnet. Aber die gibt es schließlich in jedem Arbeitsfeld. Oder etwa nicht?

      Später greifen wir das heikle Thema wieder auf, um mehr darüber zu erfahren. Versprochen! Dafür entnehmen wir aus der ehern aufgetragenen Frist eine wichtige Orientierung: Jedwede zeitliche Rück- oder Vorschau kann nur aus diesem Blickwinkel erfolgen. Hinterher wähne ich mich vielleicht auch wieder ein bisschen schlauer.

      Ich will Ihnen auch nicht vorenthalten, dass es zu meinem ersten Buch („Offenbarung“) einen gnadenlosen Verriss gab, welcher bereits wenige Tage nach seinem Erscheinen von einer Journalistin westdeutscher Herkunft in einer recht auflagenstarken Zeitung publiziert wurde. Das empfand ich relativ lange als äußerst qualvoll, zumal es für dessen Vertrieb einen denkbar ungünstigen Start bedeutete. Es tat wahrhaftig furchtbar weh und verunsicherte mich aufs Äußerste, denn es brannte für eine geraume Weile wie Fegefeuer auf meinem ansonsten meist heiteren Gemüt. Der Schmerz hielt mich regelrecht gefangen. Ich war untröstlich, hatte fast schon bereut, überhaupt etwas zu Papier gebracht zu haben. Wollte ich es hier anders darstellen, wäre ich unaufrichtig. Dahingegen muss ich eingestehen, dass ich die Misere selbst verschuldet