Ich plädiere für eine konsequente Gleichbehandlung aller Bundesbürger. Das entspräche auch unserem Grundgesetz. Die Praxis sieht jedoch oftmals anders aus. Soziale Harmonie lässt sich nicht durch schöne Reden bewirken. Man muss sie bewusst gestalten. Augenscheinlich bleibt da noch ein gerüttelt Maß zu tun.
Apropos Josef Ackermann und Leute seinesgleichen: Wer von uns würde das viele Moos nicht bereitwillig einheimsen, wenn er es denn problemlos könnte, egal mit welcher Absicht? Ergo frage ich: Sollte man über die jeweiligen Personen den Stab brechen oder die Verhältnisse ändern? Dies wiederum lässt sich nicht durch moralische Appelle an die Vernunft der Bankiers bewirken, indem man sie heftig dazu auffordert, umzukehren und sich wieder auf die alten Werte des „ehrbaren Kaufmanns“ zu besinnen, wie es unser ehemaliger Bundespräsident Horst Köhler versuchte. Solche Verhaltensweisen sind längst passé (von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen). Dessen ungeachtet haben Geldinstitute nach wie vor in erster Linie dem Gemeinwohl zu dienen und nicht die maßlose Profitsucht der Aktionäre zu stillen. Ergo sollte man sie auch viel härter staatlich kontrollieren als das bisher geschah, denn es ist doch geradezu ein Skandal, falls nicht sogar direkter Betrug am Volke, wenn die Gewinne privat eingestrichen, Verluste hingegen vergesellschaftet werden. Und die Regierung spielt fleißig mit, stellt regelrecht die Weichen für derart fragwürdige Vorgehensweisen (auch wenn es inzwischen erste Ansätze zur Vergütungsbegrenzung für Bankvorstände gibt).
Außerdem ist kaum noch zu verantworten, welch ungeheure Schuldenlast wir den kommenden Generationen aufbürden. Wird uns deren Schicksal zunehmend gleichgültig, solange das heutige Geschehen einigermaßen funktioniert?
Ohnehin befällt mich ein starker Argwohn, wenn man uns partout glauben machen will, dem mündigen Bürger förmlich einredet, dass die seit Herbst 2008 weltweit grassierende Finanz- und Wirtschaftskrise allein durch „Systemfehler“ verursacht wurde oder gar nur der Unfähigkeit und Raubgier mancher Bosse des begehrten Mammons geschuldet sei. Dergestalt einfach ist das garantiert nicht. Ähnliche Zusammenhänge hat ein bedeutender deutscher Ökonom und Philosoph schon vor rund hundertfünfzig Jahren tiefer analysiert und selbst mögliche Folgen vorausgesagt. Marx ist zwar tot, aber sein Geist lebt!
Übrigens: Warum ist denn Herr Köhler eigentlich von seinem Amt als Bundespräsident früher als erwartet zurückgetreten? Konnte er vielleicht bestimmte Dienste und Entscheidungen mit seinem Gewissen nicht mehr vereinbaren? Sein übernächster Nachfolger, Joachim Gauck, berauscht sich doch regelrecht an derselben Funktion. So unterschiedlich sind bisweilen menschliche Eigenschaften. Möglicherweise gebührt beiden hohe Anerkennung.
Was nun wieder in den Niederungen des Alltags mein spezielles Schicksal betrifft, so gehört es gottlob nicht zu meinen Lebensprinzipien, eilends die Segel zu streichen, wenn irgendwelche Schwierigkeiten auftreten. Probleme sind dazu da, dass man sie löst und nicht vor ihnen kapituliert, pflegten meine achtsamen Eltern zu sagen. Unbedacht werfe ich also die Flinte nicht ins Korn, wenngleich ich hier offen zugebe, dass ich streckenweise selbst hinter mir stehen oder mir gar im Nacken sitzen muss, um mich für ein bestimmtes Vorhaben schonungslos anzutreiben. Dahingegen fühle ich mich geradezu unglücklich, wenn ein Tag verstreicht und ich hernach beschämt feststelle, nichts Vernünftiges vollbracht zu haben. Das empfinde ich als sinnlos verschwendete Zeit, und ich komme mir ziemlich unnütz, ja fast überflüssig vor. Ob ein derart querköpfiges Verhalten immer angezeigt ist, sei dahingestellt. Ich bezweifle es zunehmend. Bei ernsthaftem Nachsinnen erscheint es mir eher töricht als klug. Aber solche Marotten gehören nun einmal zu meinen Eigenheiten, sind wohl nicht zuletzt auch ein bestimmtes Spiegelbild meiner andauernden Unvollkommenheit, auf die ich nicht unbedingt stolz bin. Doch warum sollte ich sie verschweigen, Ihnen vorenthalten, verehrte Leser, gar, wenn ich hierauf dezent preisgebe, dass wir uns dank solcher Äußerungen nun wieder allmählich Abel Kager nähern, der zuweilen mit ganz ähnlichen Charakterzügen aufwartet, wie ich sie soeben offenherzig äußerte, ohne dass er etwa mit mir identisch wäre. Nein, das ist er gewiss nicht. Es handelt sich vielmehr um einen überaus treuen Weggefährten, dem ich Außerordentliches zu verdanken habe. Wir sind zwar nicht blutsverwandt, aber infolge von schier unglaublich tragischen Geschehnissen seit unserem elften Lebensjahr aufs Engste miteinander verflochten. Das hatte ich bereits angedeutet.
Im Unterschied zu mir verfügt er allerdings über eine nahezu teuflische Fähigkeit, welche ich während meiner kühnsten Fantasien nicht zu erreichen wagte, denn sie scheint der finstersten Hölle entliehen zu sein. Oder verkörpert sie womöglich doch nur eine bislang unerfindliche Kuriosität, seine absonderliche Veranlagung? Wir werden sehen. Begleiten Sie mich also mutig weiter auf einer gemeinsamen Reise durch mancherlei unvorhersehbare Höhen und Tiefen des Lebens! Und wo wir es vereint geschickt packen, wird es bestimmt lohnenswert für jeden, der standhaft mit uns wandelt.
Doch gemach, edle Freunde, bitte nichts überstürzen! Wir benötigen noch etwas Geduld, damit wir die lange und teils auch dornige Wegstrecke möglichst allesamt unversehrt überstehen. Je besser wir uns dafür gedanklich wappnen, desto leichter und ergiebiger wird unsere Route.
Es sei hier auch nicht verschwiegen, dass mich unter anderem ein langjähriger Bekannter, mein Skatfreund Uwe, während eines ausgiebigen Gesprächs unversehens aufhorchen ließ, als mir plötzlich klar wurde, dass er einzelne Aussagen meines vorangegangenen Buches völlig anders deutete, als ich es beabsichtigte, obwohl er vorgab, meine Publikation gründlich gelesen zu haben. Auch wenn sich der selbstgefällige Poltergeist stets aufs Neue lauthals in Szene setzt, was vermutlich allein ihm gefällt oder als Lebenselixier dient, muss ich doch anerkennen, dass er fraglos über einen überdurchschnittlich intelligenten Kopf verfügt, zudem auch sehr belesen ist und im Grunde genommen wohl doch den Prototypen eines Raubeins verkörpert. Sonach wurde mir postwendend bewusst, es kann nur an mir liegen, wenn er einiges unzutreffend auslegt, an meinem vielleicht teils unpräzisen Wortlaut, da ich ihm keinen vorsätzlichen Sarkasmus unterstellen möchte. Mithin ein Impuls extra, mich fortan noch behutsamer um eindeutige Ausführungen zu befleißigen. Dessen ungeachtet sehe ich mich dadurch nicht zwingend veranlasst, das sprachliche Niveau zu senken, weniger anspruchsvoll zu sein, auch, weil es mich immer wieder fasziniert, über welch ein phänomenales Vokabular wir verfügen. Das sagt einer, dem selbst im Alter von reichlichen elf Jahren der deutsche Wortschatz noch weitestgehend unbekannt war. Umso mehr bedauere ich zu vernehmen, wie leichtfertig wir dieses einzigartige Juwel seit geraumer Zeit aufs Spiel setzen. Ein geradezu barbarisch sündhaftes Vergehen an unserer einstig so unverwechselbaren Sprachkultur! Es geht mir nicht darum, diese Kostbarkeit zu vergöttern, denn sie ist kein Heiligtum, sondern Mittel zum Zweck. Gleichwohl sollten wir sie in Ehren halten, indem wir sie achten und behutsam nutzen. Aber das ist ein großes Areal, welches ich hier nicht tiefer beackern möchte, weil ich mir dabei allmählich vorkomme wie des Cervantes’ Don Quijote, der als Ritter von arg trauriger Gestalt vergebens gegen Windmühlen kämpfte.
Eigentlich müsste ich dem vorhin erwähnten, unentwegt krakeelenden Nörgelfritzen wegen seiner teils beleidigenden Äußerungen sogar böse sein. Allein das kann und will ich nicht, denn er sagt meist unverblümt, was er denkt. Und genau das gefällt mir an ihm. Da weiß man wenigstens, woran man ist. Auch wenn derartige Verhaltensweisen beim Adressaten zuweilen heftig auf der Seele brennen, wünschte man sich doch, dass sich alle Gesprächspartner so offenherzig aufführten, was freilich immerdar eine Fiktion bleiben dürfte. Häufig genug maskieren wir doch selbst unsere Worte und Sätze, um dahinter die wahren Gedanken und Absichten zu verbergen. Eigens deshalb erscheint uns ja der soeben kurz vorgestellte Mitbruder schon fast als ein Ausnahmecharakter. Sonach ist er im Grunde genommen ein guter Kerl, indessen manchmal schwer zu ertragen. Gleichwohl verabschieden wir uns nun wieder freundlichst von ihm, denn ich halte es für unwahrscheinlich, dass er uns in diesem Buch noch einmal über den Weg laufen wird (vielleicht in einer nächsten Erzählung).
Dagegen stehen die Namen von zwei anderen Männern wegen eines unerhört niederträchtigen Verbrechens jetzt auf einer überaus orakelhaften Liste und präsentieren sich dort auffallend stark unterstrichen sowie mit einem dicken Ausrufezeichen versehen. Das unselige Verzeichnis wurde von einem arg merkwürdigen Typen erstellt. Nennen wir ihn vorerst Anonymus, der Unbekannte. Ausschließlich er befindet darüber, welche Personen erfasst werden, ebenso über deren Reihenfolge, die er bereits mehrfach änderte. Es sind momentan genau ein Dutzend