Das Elbmonster. Gerner, Károly. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerner, Károly
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847643777
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ihre spezielle (politisch-ideologische!) Sicht der Dinge und Geschehnisse. Okay! Das musste ich einfach zur Kenntnis nehmen, auch wenn ich bis heute nicht begreife, mit welcher Selbstverständlichkeit sie mich heimtückisch in die Pfanne haute.

      Auf meiner Seele verspüre ich jedenfalls bislang noch keine Hornhaut, obwohl sie gerade in dieser Gesellschaft zuweilen bitter nötig wäre. Manchmal staunen wir sowieso darüber, wie es selbst nach so langer Zeit unserer Wiedervereinigung sein kann, dass hinsichtlich bestimmter Auffassungen und Praktiken zwischen west- und ostdeutschen Bürgern teilweise immer noch Welten liegen. Was doch vierzig Jahre staatliche und soziale Trennung so alles verursacht haben! Vermutlich wird es erst die nächste Generation bewirken, dass die allenthalben (?) ersehnte innere Harmonie vielfach erwünschte Früchte trägt (falls nicht jene die Oberhand gewinnen und behalten, denen das Prinzip „Teile und herrsche!“ stets als ein fundamentales Herzensbedürfnis gilt). Dennoch meine ich: Die Menschen der alten Bundesländer sind nicht besser und natürlich auch nicht schlechter als die ostdeutschen. Sie sind einfach anders. Und genau das veranlasst uns zum tieferen Nachdenken.

      Indessen blieben aber die anderen Entgegnungen der Hörer und Leser überwiegend positiv (sachliche Kritiken gehören dazu). Vereinzelt waren sie sogar euphorisch. Da mir jedoch überschwängliche Lobgesänge auch nicht unbedingt glaubhaft erscheinen, nehme ich sie stets mit ziemlich gemischten Gefühlen entgegen, ohne deswegen womöglich einem erneuten Lamento anheimzufallen.

      So weit das erste Resümee meiner einschlägigen Erfahrungen, wobei ich selbstredend nicht gänzlich ausschließen kann, dass mancher Gedanke dem Empfänger als subjektiv gefärbt begegnen wird, da sich unser Befinden ja stets personengebunden offenbart.

      Bevor wir uns nun doch bald gemeinsam auf die intensive Suche nach den Ursachen eines außergewöhnlichen Phänomens begeben, das zumindest in Europa bislang einmalig sein dürfte, halte ich es noch für angebracht, die wichtigsten Leitgedanken aus dem Vorwort der einstigen „Offenbarung“ zu zitieren. Meine dortigen Ausführungen passen nämlich fast haargenau auch zu dieser Erzählung.

      Seinerzeit schrieb ich unter anderem:

      Worin besteht denn überhaupt der tiefere Sinn oder Zweck unseres sowieso flüchtigen Aufenthaltes auf Erden, wenn wir als „Kronen der Schöpfung“ nicht unentwegt danach strebten, den einmaligen Planeten und namentlich seine wundersamen Kinder ein wenig besser zu verlassen, als wir sie vorfinden? Übersteigerte Erwartungen befallen mich dabei freilich nicht, denn ich wähne mich keinesfalls als Weltveränderer. Gleichwohl nähre ich fortwährend die vage Hoffnung, man könne bisweilen etwas dafür tun, jeder gemäß seiner Virtualität. Eigens deshalb verknüpfe ich meine Ausführungen fast durchgängig mit eigenen Gedanken zu Problemen, bei denen ich glaube, dass sie zumindest teilweise von allgemeinem Interesse sind. Auch wenn uns das Ergebnis eines solch eigenwilligen Verfahrens vielleicht als gewöhnungsbedürftig erscheinen mag, da es nicht der üblichen Spannungsliteratur entspricht, so war es doch von Beginn an meine feste Absicht, quasi Pflicht und Wille in einem, mein individuelles Urteil zu jeweils aktuellen Geschehnissen in die sonst eigenständige Kriminalhandlung vielgestaltig einfließen zu lassen (Kostproben kennen wir ja bereits).

      Dabei geraten zwangsläufig bestimmte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ins Visier der Kritik. Hierzu sei jedoch ausdrücklich versichert, dass mir jedwede Belehrung fernliegt, zumal ich selbst, wie eh und je, ein Suchender bin und stets mehr Fragen habe als Antworten. Ergo traue ich mir im günstigsten Falle zu, vereinzelt keimfähige Denkimpulse zu vermitteln, mehr nicht. Aber das wäre schon viel, und es stellte mich zweifellos sehr zufrieden.

      Natürlich bin ich mir darüber im Klaren, dass ich mich durch eine derart umfassende Meinungsäußerung zu mehreren Ereignissen in deutschen Landen, manchmal auch darüber hinaus, fortan selbst in einen Glaskasten begebe, weil verkündigte Gedanken auch in einer Demokratie nur bedingt frei sind. Dessen ungeachtet nehme ich mir das Recht, unverblümt zu schreiben, was ich tatsächlich empfinde und denke. Dies muss ja bei Weitem nichts Endgültiges sein, denn ich lausche gerne den Worten kluger, umsichtiger und insbesondere toleranter Köpfe. Dagegen sind mir Fanatiker jeglicher Schattierung zumeist unangenehm, weil sie nach meiner Erfahrung eine wesentliche Quelle für vielerlei Konflikte verkörpern. Allerdings ist einzuräumen, dass man den anderen letztlich nur verstehen kann, wenn man sich bereit zeigt, unvoreingenommen auf ihn zuzugehen, da Vorurteile oftmals mit Irrtümern behaftet sind. Deshalb sollte diese Publikation auch als eine Art schriftliche Wortmeldung zu bereits vorhandenen oder noch möglichen Entwicklungsproblemen unserer Gesellschaft aufgefasst werden. Die entsprechenden Aussagen sind eingebettet in ein zeitgemäß fabuliertes Geschehen mit außergewöhnlichem Inhalt und Verlauf. Insoweit suchen wir auf dem Büchermarkt momentan wahrscheinlich noch vergebens nach etwas Gleichzusetzendem, obwohl sich das Gesamtangebot bereits seit Längerem als ziemlich gesättigt darbietet. Das behaupte ich hier einfach mal inbrünstig aus tiefster Überzeugung.

      Während sämtliche Namen und die mit ihnen verbundenen Begebenheiten ebenso authentisch bleiben wie Ort und Zeit der Handlung, folglich auf Echtheit nachprüfbar, sind einzelne Charakterzüge und daraus resultierende Verhaltensweisen der Hauptfigur zum Teil erdacht und mitunter auch literarisch bewusst überhöht worden, um das Grundanliegen der vorliegenden Schrift hinreichend zu verdeutlichen. Sie widmet sich vorzugsweise dem ewigen Thema menschlicher Erwartungen einerseits sowie den natürlichen, sozialen und individuellen Grenzen ihrer Verwirklichung andererseits. Aus diesem Gegensatz entstehen häufig unsere Gewissenskonflikte und Seelenqualen, welche uns zuweilen nicht nur fassungslos machen, sondern auch völlig aus der gewohnten Lebensbahn werfen können. Genau das widerfährt auch der Schlüsselfigur dieser unkonventionellen Erzählung, unserem überaus geheimnisvollen, weil janusköpfigen Abel, der sicher für manche Überraschungen sorgen wird. Jener ominöse Anonymus, dessen Existenz wir auch schon kurz vernommen haben, ist übrigens sein ärgster Widersacher, ja sogar Erzfeind, und sie bekämpfen sich über Jahrzehnte hinweg bis auf des Messers Schneide. Warum sich das so entwickelte und wer letztlich als Sieger hervorgeht, falls es nicht gar erst mit dem Tod beider Rivalen endet, soll den weiteren Ausführungen vorbehalten bleiben.

      Zugegeben: Der Inhalt des Buches dürfte wegen seiner Doppelgleisigkeit von teils dramatischer Story und eingefangenem Zeitgeist einigen Interessenten als arg merkwürdig vorkommen. Außerdem ist es stark ideologisch geprägt. Hierzu bekunde ich sogleich meine eigene Position: Am wohlsten fühle ich mich als Vermittler zwischen den unterschiedlichen und mitunter gegensätzlichen Auffassungen, eben als Akteur möglichst sinnvoller Lösungen von Konflikten, denn jede Stunde des Friedens (mit sich und der Welt) ist gewonnenes Leben. Im Zweifelsfalle stehe ich allerdings eindeutig links, niemals rechts, sympathisiere also eher mit den Roten als mit den Schwarzen oder gar Braunen, wobei ich jedoch schon seit Langem nicht das geringste Bedürfnis nach einer Parteimitgliedschaft verspüre, denn sie wirkt meist geistig beengend, dient allenfalls der beruflichen Karriere, und die ist für mich längst passé. Insofern bin ich tatsächlich frei, unterliege also keinerlei professionellen Zwängen mehr, denn nicht alles, was man tut, geschieht infolge eherner Überzeugung oder durch beflügelnden Enthusiasmus. Oftmals stecken gesellschaftliche Erfordernisse und persönliche Begehrlichkeiten dahinter, die unser konkretes Verhalten bestimmen.

      Auch hierzu eine mehrfach selbst erfahrene Erkenntnis: Wer sich beispielsweise passioniert in eine politische Organisation einfügt, wird sicherlich irgendwann betrübt feststellen müssen, dass eine solche Bindung nur äußerst selten den Horizont weitet. Stattdessen erzeugt und fundiert sie viel zu häufig eine gewisse Engstirnigkeit, die mitunter sogar in eine erschreckend bornierte Intoleranz gipfelt. Wehe dem, der mit blindem Eifer einer beschränkten Ideologie anheimfällt! Wir vernehmen doch beinahe täglich, was es bedeutet, einer Partei anzugehören. Selbst jene, die sich demokratisch nennen, sind nicht gegen blinden Fanatismus gefeit. Aber das ist ein weites Feld mit zahllosen Wildkräutern, die ich nicht zu jäten vermag, schon allein deshalb nicht, weil mich die eigene Unvollkommenheit daran hindert.

      Auweia, muss man erst ziemlich betagt sein, um all das und manch anderes einigermaßen zu begreifen? Vielleicht bin ich auch nur ein Spätzünder.

      Endlich sei nochmals betont, dass mir die teils unsäglichen Kümmernisse der Armen, Schwachen und anderweitig sozial Benachteiligten traditionell wesentlich tiefer und anhaltender zu Herzen gehen, als es