Das Elbmonster. Gerner, Károly. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerner, Károly
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847643777
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konkreten Beispiels ausführlich dargestellt).

      Zweifelsohne gab es auch in unserer Ehe mitunter heftige Stürme, aber niemals in der Stärke eines Orkans, der womöglich alles zerstört hätte. Das Schicksal hat uns nun mal zusammengefügt, und ich sehe nicht den geringsten Grund, das jemals ändern zu wollen (bis der Tod …).

      Gleichwohl bin ich fest davon überzeugt, dass es viele Frauen gibt, mit denen ich ebenso zufrieden durchs Leben wandeln könnte und sie nicht minder glücklich wären als ich.

      Umgekehrt will ich das auch gerne meiner Holden zubilligen. Oftmals ist nämlich eine gedeihliche Zweisamkeit gar nicht so schwer zu formen, wie es gegenwärtig die fast unzähligen Zerwürfnisse und Scheidungen befürchten lassen. Andererseits wusste bereits der römische Dichter Ovid vor zweitausend Jahren poetisch festzuhalten, dass leidenschaftliche Hingaben nicht ewig währen: „Jupiter lacht aus der Höhe über die Meineide der Liebenden und lässt sie bedeutungslos im äolischen Südwind verwehen“. Aber eine solide Partnerschaft ist mehr als überschäumende Schwärmerei. Wenn man allerdings erfährt, dass gegenwärtig (2013) in Ostdeutschland nur noch vierundfünfzig Prozent der Eltern minderjähriger Kinder mit Trauschein zusammenleben, kommt man schon ins Grübeln, ob die Familienform Ehe überhaupt noch eine Zukunft hat. Möglicherweise unterliegt sie tatsächlich einer schleichenden Auflösung.

      Das wäre aber insbesondere deshalb fatal, weil sie von allen Bindungsarten immer noch über das sicherste, günstigste und höchste Geburtenpotenzial verfügt. Und nichts braucht unser arg verschrumpelter Lebensbaum dringender als eigenen Nachwuchs. Dabei geht es bei Weitem nicht nur um die künftige Sicherung des Wohlstandes, sondern ums Überleben schlechthin. Also müsste die Institution Ehe perspektivisch wieder gestärkt werden, wofür es durchaus reelle Chancen gibt.

      Solche und weitere Themen werden im vorliegenden Buch tiefer ausgelotet.

      Den Hauptteil meiner Ausführungen widme ich jedoch einer fast dämonenhaften Geschichte, deren Spukgeister mich unglaublich lange gefangen hielten, weil sie größtenteils realen Vorkommnissen entsprangen. Diese martervolle Peinigung will ich nun endgültig aus meinem Innersten verbannen, indem ich mir freiweg von der Leber schreibe, was mich eine halbe Ewigkeit unbarmherzig in Fesseln schlug.

      Damit auch meine geschätzte Leserschaft rasch erahnt, was hinsichtlich des absonderlichen Geschehens als Lektüre zu erwarten ist, sei nachfolgend eigens dafür der wesentliche Handlungsverlauf unserer Story kulant preisgegeben.

      Sonach flugs hin zu den Säulen der Ereignisse! Sie begegnen uns vorerst, trotz meines größtenteils atheistischen Weltbildes, im betont religiösen Gewand, und zwar wie folgt:

      Die auffallend schöne und ebenso kluge Diana lag in den letzten Wehen und erwartete ein Kind der Sünde. Das vermochte in der Gemeinde von immerhin knapp viertausend Seelen kaum noch jemanden zu überraschen. Es hatte sich nämlich schon vor Monaten mit Windeseile herumgesprochen, dass ihre bezaubernde Lehrerin vom gleichermaßen attraktiven Priester geschwängert wurde.

      Und nun erntete das aufsehenerregende Liebespaar die kostbarste Frucht seiner inbrünstigen Zuneigung. Auch diese Nachricht machte blitzschnell die Dorfrunde.

      Obwohl die sensationelle Begebenheit unverblümt vom sträflichen Vergehen des katholischen Würdenträgers am Keuschheitsgelübde kündete, das er während seiner Weihe zum Kaplan andächtig vollzog, waren dennoch allesamt zutiefst erfreut und buchstäblich glückstrunken über den neuen Erdenbürger, den sie Abel nannten.

      Jeder genoss auf seine Weise in vollen Zügen das augenscheinlich wohlwollende Ent­gegenkommen Fortunas: die stolze Mutter, weil sie ihrem Erwählten einen gesunden Sohn schenkte; der frischgebackene Vater, da ihm seine Angebetete den größten Herzenswunsch erfüllte; die Eltern der umschwärmten Wöchnerin, zumal sie bereits seit Längerem sehnsüchtig auf einen oder mehrere Enkel hofften. Und alle Einheimischen sowieso.

      Keiner empfand die Botschaft als beunruhigend, wie üblicherweise zu befürchten wäre. Das Gegenteil davon trat ein: Die Menschen zeigten sich hellauf begeistert. Sie strömten trotz winterlicher Kälte am 18. November 1936 eilends zum großen Marktplatz, umarmten einander jubilierend, stimmten enthusiastisch Lobgesänge an, wiegten sich immer schneller im heißen Rhythmus ihres Nationaltanzes, dem Csárdás, und gerieten dabei zusehends in stürmische Euphorie, gleichsam, als ob sie der Himmel unverhofft mit lauter aus­erlesenen Gaben überschüttet hätte.

      Nur die Erzeuger des scheinbar tollkühnen Missetäters erfuhren nichts vom un­gezähmten sexuellen Begehren ihres Nachfahren. Dessen vorgeblich frevelhafte Exzesse hätten sie als strenggläubige Christen ohnehin nicht schadlos verkraftet. Insofern kam ihnen vielleicht der Umstand zugute, dass sich ihr Domizil in der Landeshauptstadt befand. Und Budapest war weit entfernt.

      Da ihre Empfindlichkeit den Verwandten in der südlichen Provinz hinreichend vertraut war, hütete man sich streng davor, ihnen die für sie zweifellos unangenehme Nachricht zu übermitteln. Also vernahmen sie bis auf Weiteres nichts von der vermeintlichen Gotteslästerung ihres Filius.

      Demgegenüber beflügelte das spektakuläre Geschehen sämtliche Bewohner der Siedlung, zählten doch sowohl die Pädagogin als auch der Pfarrer bei Jung und Alt zu den angesehensten und am meisten verehrten Persönlichkeiten der Ortschaft. Ebendarum hielten sie fortan gütlich ihre schützenden Hände über die junge Familie. Nicht einer der Bodenständigen sollte die faszinierende Harmonie des edlen Bundes jemals beeinträchtigen oder gar bewusst schädigen. Dieses hehre Versprechen krönten die Ansässigen einvernehmlich mit einem feierlichen Gelöbnis.

      Aber da waren noch dunkle Mächte im Spiel, vornweg Luzifer. Selbstredend rieb sich der Höllenfürst infolge der zwar allseits beglückenden, jedoch unschicklichen Niederkunft genüsslich die Hände, denn er witterte einen besonders leckeren Braten. Ihm war geläufig, dass den Liebenden der kirchliche Segen andauernd versagt blieb. Sonach gewahr er eine durchaus reelle Chance, sich bei passender Gelegenheit ihres Sprösslings zu bemächtigen und dessen Schicksal zweckgerichtet zu beeinflussen. Dabei könne er sich als Geist der Finsternis viel Zeit lassen. Auch wenn Jahrzehnte vergingen, wäre es für ihn überhaupt kein Problem, denn sein Vorhaben werde ihm bestimmt niemand mehr streitig machen, auch wenn es sich manchen Sachkundigen als noch so verwegen und eigennützig darböte. Nicht einmal der himmlische Vater würde ihn daran hindern, sein Ziel zu erreichen, weil der besagte Bastard auch für den Heilsbringer als ein mit Fluch beladenes Wesen gälte.

      Andererseits wäre zu erwägen, sorgte sich der Beelzebub jählings ein wenig verunsichert, dass der Erbarmer den Sterblichen schließlich alles verzeihen könne, solange sie fest an seiner Allmacht glauben.

      Doch schon kurz darauf verwarf er rigoros sämtliche Einwände und sprach, um sich selbst nachhaltig anzustacheln, die folgenden Worte: „So ein Zinnober! Weg mit diesen unsinnigen Bedenken und hin zu meinem Plan mit Abel! Eine derart reizvolle Trophäe darf ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Ich muss und werde mir diese verheißungsvolle Beute aneignen, koste es, was es wolle! Dann mache ich die Nacht zum Tage, um mich ausgiebig zu sonnen, denn es wird mit Sicherheit ein grandioser Erfolg!“, frohlockte der Antichrist. „Am besten, ich würde dem Heranwachsenden schon im Knabenalter einen ordentlichen Denkzettel verpassen, damit der Jüngling wenigstens in dunklen Umrissen erahne, wer tatsächlich über ihn herrscht“, war des Gehörnten spontane Idee.

      Möglicherweise werde er dem Spross zuerst die Eltern rauben und ihm später noch härtere Bewährungsproben aufbürden, grübelte der Widersacher des Herrn weiter. So könnte er den Burschen zum Beispiel mit einer äußerst mysteriösen Waffe ausstatten, über die bisher weltweit kein anderer Zweibeiner verfügt. Abel würde sich ihrer garantiert auch bedienen, beim ersten Mal als Halbwüchsiger wohl eher zufällig und dann, im Herbst seines Lebens, gewiss mit voller Absicht, um sich für mannigfach erlittene Schmähungen gnadenlos zu rächen.

      „Doch sobald er dabei seine persönliche Gepflogenheit, die ‚heilige Zwölf’ tunlichst niemals zu überschreiten, auch nur einmal vernachlässigt und seine glühende Vergeltungssucht ein dreizehntes Todesopfer fordert, gerät er unabwendbar in jene Fänge, die man im abendländischen Kulturkreis als des ‚Teufels Dutzend’ oder ‚Zahl des Unheils’ bezeichnet. In diesem Falle