REJ - Der spezielle Gefangene. Beli / Tanja Sorianumera / Giesecke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Beli / Tanja Sorianumera / Giesecke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741896453
Скачать книгу
Augen spiegelte sich Betroffenheit.

      2 - Widerstand ist doch zwecklos

      "Das ist ganz schön mies. Hey, Sie bekommen ja kaum Luft, Rej", fiel dem freundlichen Pfleger an seinem Mithäftling auf. Der hatte versucht, seine Kurzatmigkeit zu verbergen, aber nun war es Sajan aufgefallen. "Da müssen wir was dagegen machen."

       "Ja, die Sauerstoffsättigung in Herrn Lio'Tas Blut ist auch etwas zu niedrig. Wir können seine Atmung mit Sauerstoffgabe unterstützen." Sajan fand den Vorschlag gut, nickte und ließ sich von dem Doktor das Gerät geben. Er schaltete es an und drückte die Sauerstoffmaske dann dem Verletzten auf Mund und Nase, legte ihm das daran befestigte Gummiband um den Kopf. "Besser so?", fragte er fürsorglich und Rej bejahte das, indem er deutlich blinzelte.

       Noah beobachtete über den Scanner, wie die Sauerstoffsättigung in Lio'Tas Blut langsam stieg und auch seine Gesichtsfarbe änderte sich zum Besseren. Der bläulich violette Schimmer trat mehr in den Hintergrund. Er nickte zustimmend und wandte sich dann an den Helfer. "Ich muss aber erst noch in Erfahrung bringen, ob ich die Sauerstoffmaske mit auf die Zelle mitgeben darf."

       Sajan runzelte die Stirn. Die Aussage hatte ihn wohl verärgert. "Was soll er denn damit anstellen? Es ist nur Sauerstoff. Und es geht ihm damit besser!"

       Noah setzte eine entschuldigende Miene auf und hob die Schultern. "Herr Lio'Ta ist nicht hier, um sich besser zu fühlen, sondern um den ShaoSetFai Antworten zu liefern. Und soweit ich weiß, ist reiner Sauerstoff immer ein herrlicher Brandbeschleuniger."

       Sajan wurde nun richtig wütend, was irgendwie nicht zu seinem sonst so freundlichen Gesicht passte. "Ich glaube, ich höre nicht richtig?! Glauben Sie wirklich, dass jemand mit solch schweren Brandwunden sofort Lust darauf hat, mit Brandbeschleuniger zu spielen, wenn der ihm eigentlich nur so etwas Essentielles wie Atemluft bescheren soll? Das ist doch paranoid!"

       Noah hob beschwichtigend die Hand und versuchte die Wut des Pflegers zu mäßigen. "Ganz so absurd, wie Sie sagen, ist das nicht. Außerdem, wer sagt denn, dass er das Gerät für irgendwelche Machenschaften missbrauchen will? Sie teilen sich mit ihm eine Zelle. Vielleicht setzen Sie sich hier nur deshalb so vehement für diesen Terroristen ein, weil Sie selbst an den konzentrierten Sauerstoff gelangen wollen?"

       Sajan starrte den Medic ungläubig an. Dann schüttelte er mehrere Male den Kopf und ging wieder neben Rejs Kopf in die Hocke. Er warf dem Arzt einen scharfen Blick zu und piekte mit dem Finger in seine Richtung. "Erkundigen Sie sich! Erkundigen Sie sich, ob das zulässig ist! Und hören Sie auf, solchen Schwachsinn zu reden!" An Rej gewandt meinte er dann: "Der spinnt doch!"

       Noah ignorierte die Beleidigung und widmete sich übertrieben intensiv dem Display des Scanners. Es war eine Gratwanderung. Er selbst hatte durch die Terrorakte der Song keine Angehörigen oder ihm bekannte Personen verloren, aber die Medien hatten ihm genug von den Taten der Widerstandsbewegung gezeigt. Er hatte von der Sache des Energieverteilers gehört und der Song-Kommendan hatte in mehreren Ansprachen und öffentlichen Forderungen gezeigt, dass sie nicht vor hatten, ihren extremen Kurs zu ändern. Stets war er von seinem Standpunkt nicht auch nur eine Haaresbreite zurück gewichen, war felsenfest in seinen Forderungen geblieben. Zwar bedauerte wohl auch er die Kollateralschäden, aber sie hatten ihn nicht dazu bringen können, die terroristischen Handlungen gegen ThanaVelu und die Regierung von Xiantiao einzustellen. Und diese Härte, die er den Opfern dadurch entgegen gebracht hatte, fiel nun auf ihn selbst zurück.

       Aber gleichzeitig sah Noah auch einen Menschen vor sich, der durch die Hölle gegangen war und nun noch weitere Höllentage bis zu seiner Exekution vor sich hatte. Und der Medic war sich auch darüber bewusst, dass eine solche Härte gegenüber anderen immer eine Ursache hatte. Einen Quell von voraus gegangenem eigenem Leid.

       An sich selbst hatte er beobachten müssen, wie durch fortwährende Qualen aus einem freundlichen hilfsbereiten Mann, ein in sich zurück gezogener kalter Mensch geworden war, der für den Staat nicht nur als Mediziner, sondern auch als Folterer arbeitete. Von dem einst selbstlosen, aufgeschlossenen und sympathischen Assistenzarzt war nicht mehr viel übrig geblieben.

       "Ich schicke eine Anfrage", meinte er schließlich, um auf einen versöhnlichen Kurs mit dem Pfleger zu kommen. Eine Zusammenarbeit mit ihm konnte schwierig werden, wenn sie sich nicht wenigstens einigermaßen verstanden.

       "Tun Sie das", pflichtete ihm Sajan unwirsch bei und erhob sich wieder. "Lassen Sie uns weiter machen, damit wir endlich auf unsere Zelle kommen."

       Es ärgerte Noah, dass der Mann ständig im Befehlston mit ihm sprach, obwohl ihm das überhaupt nicht zustand. Und es irritierte ihn, dass dieser Kerl so mit dem Widerständler sympathisierte. Vielleicht löste dessen Hilflosigkeit und Leiden eine Art Beschützerinstinkt in ihm aus, wie der eines älteren Bruders, immerhin hatte er den Beruf des Pflegers gelernt und solch sozial veranlagte Menschen neigten häufig dazu, stets helfen und beschützen zu wollen. Vielleicht war es aber auch weniger der Mensch an sich, dem er sich zugewandt fühlte, sondern mehr dessen Bedeutung. Rej war das ehemalige Oberhaupt der Terroristengruppe Song und Noah kannte Sajans Hintergrund nicht, die Umstände, aus denen er kam. Es war gut möglich, dass dieser die Nähe zu den Widerständlern suchte, weil er ihre Werte teilte. Wenn dies tatsächlich der Fall war, musste Noah aufpassen, dass die beiden nicht zu einer ernsten Gefahr wurden. Allerdings erbot sich daraus auch die Möglichkeit, mehr aus dem Song-Kommendan heraus zu bekommen, als diesem bewusst war.

       Noah machte sich eine gedankliche Notiz darüber, die Vergangenheit und Herkunft des dunkelhaarigen Häftlings zu überprüfen. So konnte er auf Nummer sicher gehen. Gleichzeitig wollte er sich aber bemühen, sich ebenfalls mit dem Mann gut zu stellen. Wenn die beiden Häftlinge der Meinung waren, dass er es gut mit ihnen meinte und dass sie ihm vertrauen konnten, war es leichter für ihn, ihre Tätigkeiten zu überblicken. Allerdings hatte Noah in den letzten Minuten gemerkt, dass er viel von seinem sozialen Kommunikationsvermögen eingebüßt hatte, was ihn nicht gerade unbedingt zur charismatischen Vertrauensfigur machte. Für den Moment war dieser Zug jedenfalls abgefahren, der Augenblick war verloren, aber es würden sich sicher noch mehr Möglichkeiten im Laufe der nächsten Tage bieten.

       Die folgende dreiviertel Stunde kümmerten sich die beiden Männer nahezu schweigend um die weiteren Verletzungen des Widerständlers. Noah reinigte die Brandwunden, die sich von der Hüfte über die rechte Seite hinauf, über die Schulter und den Hals tief ins Fleisch gefressen hatten und bedeckte sie mit abiotischen Auflagen. Er war dabei sehr gründlich und gleichzeitig aber so vorsichtig, wie es ihm möglich war. Bald war die komplette Hälfte des Körpers mit den silbernen Streifen bedeckt und diese vereinten sich mit den Bandagen vom Arm zu einer sauberen sterilen Fläche.

       Sajan ging ihm fleißig zur Hand und stützte den Körper des Song-Kommendan, wann immer es nötig war, um die Verbände anzubringen. Auch kümmerte er sich immer wieder um Rejs Verfassung, fragte nach, ob die Schmerzen erträglich waren und ob er ihn irgendwie noch unterstützen konnte. Dieser gab sich stark, obwohl deutlich an seinen glasigen Augen erkennbar war, dass ihm die schmerzhafte Prozedur ziemlich an die Substanz ging.

       Mit dem Ergebnis war der Arzt schließlich sehr zufrieden. So konnten die Verbrennungen auf jeden Fall besser heilen, wie im vorherigen verwahrlosten Zustand. Und auch der Gefangene würde sich bald besser fühlen. Noah wandte sich erneut dem Scanner zu und warf einen Blick auf das Skelett seines Patienten, das in einem der dreidimensionalen Modelle auf dem Monitor abgebildet war. Zu dem Speichenbruch im rechten Arm, der aber schon durch die Plastikschiene stabilisiert war, waren noch deutlich die Frakturen im Brustwirbelbereich zu erkennen. Der Körper war in den wenigen Tagen nicht dazu gekommen, die Brüche adäquat zu reparieren. Es war besser, den Rücken mit einer Stütze gerade zu halten.

       Noah holte das notwendige Equipment und bat dann den Pfleger darum, den Verletzten aufzurichten. Sajan griff dem anderen Gefangenen unter die Arme und hob seinen Oberkörper von der Liege. Rej versuchte sich mit der linken Hand abzustützen, um sich selbst aufzurichten, hatte aber nicht die notwendige Kraft dafür. Er verzog das Gesicht und stöhnte auf, als stechende Schmerzen durch seinen Rücken rasten. "Lassen