Gemeinsam begannen sie dann, den Körper des Verletzten zu waschen, entfernten mit in heißes Wasser getauchten Tüchern die Schmutz- und Blutreste von seiner Haut, die nicht in das frische Verbandsmaterial gehüllt war. Im Anschluss zogen sie ihm frische Kleidung an. Kurzerhand schnitt der Pfleger den rechten Ärmel des dunkelgrauen Pullovers ab, da dieser nicht über die Verbände und die Armschiene gepasst hätte. Die Ellenbogenlangen Ärmel des Übergewandes der orangen Häftlingskluft waren weit genug, um darüber zu gehen. An die Füße kamen bequeme Turnschuhe. Als Rej fertig eingekleidet war, betteten sie ihn wieder zurück auf die Liege und warteten, bis die Blutwäsche durchgelaufen war. In der Zwischenzeit bereitete Sajan einen Rollstuhl vor, stellte ihn ungefähr auf die Größe des Patienten ein und positionierte ihn neben der Krankenliege. Mit einem Piepen meldete das Gerät schließlich, dass es fertig war.
"Sehen Sie, Rej, es war alles halb so schlimm."
"Ja, und während wir hier schuften mussten, konnten Sie hier faul herum liegen", ergänzte der Medic weniger taktvoll, was den weißhaarigen Gefangenen tatsächlich erneut zum Grinsen brachte. Für den Moment war die Krise überwunden. Das ganze Adrenalin, was durch die Schmerzen und den Stress ausgeschüttet worden war, war verbraucht und war völliger Erschöpfung gewichen.
Noah entfernte die Schläuche vom Venenkatheter an Rejs Hals und verdeckte ihn unter einem weiteren Pflaster. "Mittlerweile habe ich auch Nachricht bekommen, was das Atemgerät angeht", teilte er den beiden anderen Männern mit. "Solange sich die Werte der Sauerstoffsättigung in Ihrem Blut nicht bessern, können wir Ihnen die Atemmaske mitgeben. Allerdings erhalten Sie ein Filtergerät, dass den Stickstoffanteil aus der Umgebungsluft filtert. So brauchen wir Ihnen keinen konzentrierten Sauerstoff mit auf die Zelle mit geben und Sie beide können damit keinen Unfug anstellen." Sajan wirkte bei der Lösung des Problems zufrieden, warf dem Mediziner aber einen missbilligenden Blick zu, als dieser ihnen erneut unterstellte, dass sie den Sauerstoff zum Bau einer Bombe missbrauchen könnten. "Da das Gerät erst im Laufe des Abends angeliefert werden kann, gebe ich Ihnen für die nächsten Stunden noch die Sauerstoffflasche mit auf Ihr Zimmer. Ich hoffe, Sie sehen dies nicht als Gelegenheit." Während er sprach, schob er eine unterarmlange Batterie aus drei gebündelten Zylindern in den hinteren Bereich des Rollstuhls und befestigte sie mit Gurten. "Nach dem Abendessen werden diese dann durch das modernere Gerät ersetzt."
3 - Ich bin wie ein Fahrstuhl
"Ich werde Sie jetzt in den Rollstuhl heben", eröffnete der Pfleger seinem Anvertrauten. "Und zeige Ihnen, wie Sie mir dabei helfen können." Der dunkelhaarige Mann war nicht muskulös, aber er wirkte trainiert und schien keine Probleme zu sehen, den 1,85 m großen Patienten zu tragen. Er legte ihm den geschienten rechten Arm auf den Bauch und nahm dann seinen linken Arm, führte ihn über seine Schulter um seinen Hals herum. "Wenn Sie sich hier bei mir einhalten, dann kann ich Sie leichter heben. Helfen Sie mir?" Rej nickte und hielt sich mit seiner gesunden Hand an Sajans Schultern fest. Dieser schob seine Arme unter Rejs Rücken und Kniekehlen und hob ihn dann hoch. Er schien keinerlei Mühen dabei zu haben, aber dem Song sah man am Gesichtsausdruck an, dass ihm äußerst unwohl war, wie ein Kind durch die Gegend getragen zu werden. Zudem tat der Griff an seiner rechten Seite weh.
"Sie können Ihren Kopf an meiner Schulter anlehnen, falls das angenehmer für Sie ist, Rej", erklärte er, während er sich zur Seite drehte und sich dem Rollstuhl zu wandte. Vorsichtig ließ er den Patienten auf die Sitzfläche niedersinken, stellte dessen Beine auf der Fußstütze ab und lehnte ihn dann mit dem Rücken gegen das Rückenpolster. Misstrauisch beobachtete der Song-Kommendan das Treiben seines Helfers, ohne sich dagegen zu wehren. Sajan rückte das Kissen auf Höhe der Lendenwirbelsäule und das Nackenpolster zurecht und gurtete ihn dann an Oberschenkeln und mit einem Riemen über die Brust fest, so dass er nicht mehr aus der Fortbewegungshilfe fallen konnte. "Sitzen Sie bequem?"
Der Gefragte überprüfte das Gefühl in den verschiedenen Stellen seines Körpers und nickte dann. Noch schien er sich nicht sonderlich sicher zu sein, was er brauchte, und was gut für ihn war, aber das würde er mit der Zeit noch herausfinden.
Noah zog den Beatmungsschlauch vom Ausstattungsinternen Sauerstoffgerät ab und kuppelte ihn mit der zuvor am Rollstuhl hinterlegten. Das Gefährt selbst war ein sehr einfaches Modell mit Nackenstütze, aber ohne Motorisierung. Zwei große Räder links und rechts ergänzten sich durch zwei kleine Stützräder neben den Füßen. "Sehen Sie hier", der Medic deutete auf einen kleinen Hebel unterhalb der linken Armstütze. "Damit können Sie die zwei Räder zusammenkoppeln oder wieder voneinander trennen. Da Sie nicht in der Lage sind, den rechten Arm zur Fortbewegung zu nutzen, und nur mit dem linken den Rollstuhl anschieben können, können Sie zwischen den Funktionen des Vorwärtskommens und des Lenkens hier hin und her wechseln. Das ist ein wenig umständlich, aber bei diesem Modell anders leider nicht möglich. Und hier lösen Sie die Bremsen. Probieren Sie es mal aus."
Zurückhaltend und mutlos hob der Gefangene seine Hand und zog an dem Hebel, der die Räder blockierte. Dann legte er seine Handfläche auf den linken Reifen und versuchte ihn zu drehen. Das Fortbewegungsmittel schob sich ein kleines Stück nach hinten. Rej wechselte die Schubrichtung und versuchte, ein wenig nach vorne zu kommen, aber es fiel ihm schwer, die notwendige Bewegung auszuführen. Er fühlte sich zu schwach und war in seiner Bewegungsfähigkeit zu stark eingeschränkt.
"Das wird schon", meinte der Mithäftling aufmunternd zu ihm. "Sie werden sich an die Steuerung noch gewöhnen. Und dies ist auch nur für kleine Strecken in der Zelle und so gedacht. Die großen Strecken werde ich Sie schieben und Sie können sich entspannt zurücklehnen." Er ergriff die Hand des anderen Mannes, löste sie vom Reifen und legte sie ihm in den Schoß. "Für heute haben Sie schon genug Aufregung hinter sich. Das können Sie auch morgen noch trainieren."
Noah warf mit einem Nicken einen Blick auf sein Chronometer und stellte fest, dass es schon fast elf Uhr war. Er trat an den Bildschirm des Scanners heran und rief einen Zeitplan auf. "Sie haben jetzt die nächste Stunde Zeit, sich mit Ihrer Zelle vertraut zu machen. Diese teilen Sie sich mit Herrn Bjantiya, der Ihnen auch weiter bei jeglichen Verrichtungen helfen wird. Um 12.00 mittags ist dann Essensapell. Anwesenheit ist dabei Pflicht. Um zwei werden Sie dann zum Verhör gebracht und dem Verhörteam der ShaoSetFai vorgestellt, mit dem Sie die nächsten sechs Wochen zusammen arbeiten werden."
Bei der Ansage entwich dem Gefangenen ein sarkastisches Lachen. Weder hatte er vor, zu kooperieren, noch seine Leute zu verraten. Er schob sich die Atemmaske vom Gesicht und sah den Mediziner schief an. "Wie wollen die mich denn verhören? Foltern? Mir tut so eh schon alles weh? Das hört auch nicht auf, wenn ich denen was über unsere Geheimnisse erzähle."
"Die ShaoSetFai-Vollstrecker kennen sehr üble Methoden, Sie trotzdem zum Sprechen zu bringen. Ihnen wird keine Wahl bleiben, als früher oder später zu reden, so leid es mir für Sie tut", gab ihm der Arzt darauf als Antwort.
"Herrlich, da bin ich ja äußerst gespannt", meinte der Gefangene in herablassendem Tonfall und verdrehte die Augen.
"Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Herr Lio'Ta, dann empfehle ich Ihnen, den XSF-Vollstreckern sofort alles zu sagen, was diese von Ihnen wissen möchten. Damit können Sie sich die nächsten, und damit auch Ihre letzten, Wochen zumindest ein wenig erleichtern."
Rej lachte erneut finster. "Wenn ich ein erbärmlicher Söldner und Speichellecker, wie Sie es sind, ohne Werte und ohne Ziele wäre, dann wäre das wahrscheinlich eine Option." Noah ignorierte die Beleidigung und fuhr stattdessen fort, den Tagesablauf aufzuzählen. Es war ihm völlig egal, was der Gefangene ihm an den Kopf warf.
"Um sechs ist Abendapell und Abendessen. Auch dort haben Sie Anwesenheitspflicht. Um sieben steht Waschen auf dem Tagesplan. Dabei wird Ihnen Herr Bjantiya helfen. Danach haben Sie Freizeit bis zehn. Dann ist Nachtruhe." Der Medic warf einen Blick in die Tabelle auf dem Bildschirm und lass weiter vor. "Morgenapell ist um sechs und um sieben ist Frühstück. Anwesenheitspflicht für Sie beide." Er piekte mit seinem Plastift in ihre Richtung. "Um acht werden