REJ - Der spezielle Gefangene. Beli / Tanja Sorianumera / Giesecke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Beli / Tanja Sorianumera / Giesecke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741896453
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damit, was er ihnen zu erzählen bereit war. Und Leik erwartete nicht, dass Rej Lio'Ta leicht zu knacken war. Der Mann hatte schon bei seinem Prozess nicht viel Verwertbares von sich gegeben - zu hohe Erwartungen würden nur zu großen Enttäuschungen führen.

       Nun schloss der Inhaftierte die Augen, sein Kopf war leicht nach vorne gesunken. Mund und Nase des Gefesselten konnte Leik nicht sehen, sie waren hinter einer Atemmaske verborgen. Vielleicht war er eingeschlafen. Leik Kataruh warf einen Blick auf das Chronometer an seinem Flugring und stellte fest, dass die beiden XSF-Beamten, mit denen er für die Befragung zusammen arbeiten sollte, sich schon um über zehn Minuten verspäteten. Für den ersten Termin war das etwas unverschämt, aber der Beobachter nahm es ihnen nicht übel. Er war als Spezialist her beordert worden, als Spezialist für Song-Angelegenheiten. Als Angehöriger vom Volk der Ttog fühlte er sich kaum emotional involviert in die Konflikte mit der Terrororganisation, aber das Gerangel um Xiantiao hatte ihn schon immer fasziniert und insbesondere die wehrhafte Gruppierung der enteigneten Norms aus Son'Gashania, die sich nun Song nannten.

       Schließlich wurde die Tür aufgestoßen und zwei vom äußeren Erscheinungsbild ziemlich unterschiedliche Männer betraten den Raum. Leik waren sie schon einmal vorgestellt worden, nachdem man beschlossen hatte, den Anführer der Terroristen hier im Xiantiao Hauptgefängnis unterzubringen, aber es war nur eine kurze hektische Begegnung gewesen. Der Spezialist hätte es vorgezogen, die beiden XSF-Beamten außerhalb der Befragungen schon besser kennen gelernt zu haben, da er so nur von ihren unterschiedlichen Charakterzügen von seinem eigentlichen Beobachtungsobjekt abgelenkt werden würde, aber die Gelegenheit hatte sich nicht ergeben.

       Der kleinere der beiden hatte ein rundliches Gesicht mit blassen Sommersprossen über der Nase und freundlichen, extrem übermüdet wirkenden braunen Augen unter dichten Augenbrauen. Er war ein Norm und hatte das dunkelbraune Haar gescheitelt und im Nacken zu einem Knoten zusammen gebunden. Er hatte vier Kaffeebecher aus Pappe in einem Halter bei sich, unter dem Arm eine Tasche geklemmt und hielt in der anderen, mit der er auch die Tür geöffnet hatte, eine Tüte mit Gebäck. Er redete angeregt mit dem größeren braungebrannten Mann, der ihm in den Raum folgte, und bemerkte Leik erst gar nicht. "Und dann sagt sie, sie tauscht nur mit mir Schicht, wenn ich mit ihr den Parkplatz tausche und das war es mir dann doch nicht wert. Ich meine, so ein Parkplatz ist immerhin für immer."

       Der Größere erspähte den Spezialisten sofort und machte eine nickende Geste, um ihn zu grüßen und zeitgleich seinem Kollegen anzudeuten, dass sie nicht alleine waren. Er hatte kurzgeschnittenes schwarzes Haar und einen gepflegten Drei-Tage-Bart, ein schlankes attraktives Gesicht mit dunklen Augen, dem es irgendwie aber an Menschlichkeit und Güte mangelte. Auch er war wohl ein Norm, vermutlich versuchte die AneLAAN Alaver aus der Sache größtmöglichst heraus zu halten, damit kein falscher Eindruck entstehen konnte.

       "Ah, wie schön, Herr Kataruh, Sie sind schon da", meinte der Kleinere freundlich, stellte Kaffee und Gebäck auf den Tisch und reichte ihm dann die Hand. Leik erwiderte den Gruß und stand vom Stuhl auf. "Agent Taisen, Agent Kailani." Er gab auch dem anderen die Hand und deutete dann zum Fenster. "Es ist alles schon vorbereitet. Wir können anfangen, sobald Sie soweit sind."

       "Wunderbar", gab der mit Kailani angesprochene zurück und warf einen Blick durch das Glas. "Den Mistkerl bringen wir schon zum Reden. Früher oder später. Erstmal brauche ich aber einen Kaffee." Er griff nach einem der Becher, seine Hand schwebte für einen Moment über dem Becherhalter, dann zählte er demonstrativ. "Silan, das sind vier. Hast du dem Song etwa auch einen mitgebracht?"

       Der braunhaarige Mann verdrehte die Augen und machte eine wegwerfende Geste. "Der ist für Erikadia. Die kann aber doch noch nicht zu uns stoßen. Es gab Verzögerungen in ihrem alten Fall und ich hab' das vorhin erst erfahren. Du kannst den übrigen gerne haben, wenn du willst." Sein Blick fiel auf die braune Papiertüte, in der die Gebäckstücke verpackt waren. "Du kannst auch den übrigen Kuchen haben, wenn du noch nichts gegessen hast", meinte er dann lapidar und schnappte sich den Pappkarton mit den Bechern. Die beiden schienen sich gut zu kennen und waren ein eingespieltes Team. Möglicherweise auch mit der Frau namens Erikadia. Diese war Leik ebenfalls schon zwischen Tür und Angeln vorgestellt worden, aber er erinnerte sich nicht mehr an ihren vollen Namen.

       Silan streckte ihm die Kaffeebecher entgegen. "Sie können auch einen haben. Ist mit Milch. Zucker und Strohhalme liegen hier." Mit dem Kinn deutete er auf die Papiertütchen und die abgepackten Halme in der Mitte des Halters. "Es ist ein Klischee, aber ohne Kaffee läuft so etwas einfach nicht." Leik nickte und nahm sich einen der Becher, dann folgte er Kailani durch die Tür, da dieser im selben Moment beschlossen hatte, das Verhörzimmer nun aufzusuchen. "Legen wir los! Der Drecksack scheint schon eingeschlafen zu sein. Dann wecken wir ihn mal auf."

       Rej zuckte innerlich zusammen, als die Tür aufgerissen wurde und mit dem grellen Licht von draußen energisch auch drei Personen herein schwappten. Im Gegenlicht konnte er sie nicht besonders gut erkennen, aber er wusste, dass er dafür noch genug Zeit mit ihnen bekommen würde. Er war dankbar, dass sie ihn nicht länger warten ließen, denn mit ihrem Erscheinen trat das bedrohliche Gefühl, mit dem er überhaupt nicht klar kam, fürs erste wieder deutlich in den Hintergrund.

       "Na endlich", warf er den drei Männern sogleich übertrieben gelangweilt entgegen, "ich hab' mir schon überlegt, ob ich wieder gehen soll, weil niemand gekommen ist." Seine Stimme wurde von der Atemmaske gedämpft, trotzdem war er aber gut genug zu verstehen.

       Der Kleinste von den Dreien setzte sich ihm gegenüber an den Tisch, stellte sein Getränk vor sich ab und klopfte mit der flachen Hand auf den Tisch. "Das mit dem Gehen ist ja nicht mehr so Ihr Ding, oder?", ließ er sich sofort auf Rejs spöttische Ansage ein. Der größte und auch am sportlichsten aussehende Mann umrundete derweil die Sitzgruppe, der dritte, ein weizenblonder Ttog mit lindgrüner Hautfarbe, hielt sich etwas im Hintergrund und beobachtete nur.

       "In zweierlei Hinsicht sogar", ergänzte der Gefangene amüsiert, obwohl er das Thema eigentlich nicht zum Lachen fand. "Aber Sie können sich sicher sein, wenn ich diese zwei kleinen Probleme nicht hätte, dann wäre ich nicht mehr hier." Der kleinere Mann hob die Schultern und blickte ihn mit gespielter Ratlosigkeit an. "Sie haben diese zwei kleinen Probleme allerdings am Hals. Und das ist auch gut so. Sonst könnten wir uns die nächste Zeit nicht mit Ihnen beschäftigen und das wäre doch zu schade."

       Rej fixierte den Blick seines Gegenübers. "Ja", echote er mit sarkastischem Unterton, "zu schade wäre das. Wirklich."

       Wie aus dem Nichts packte ihn plötzlich von hinten eine Hand am Kinn und riss seinen Kopf zurück. In dem Halblicht und aufgrund seiner verminderten Sehkraft hatte Rej nicht bemerkt, wie der schwarzhaarige Mann hinter ihn gelangt war. Nun hielt er seinen Kopf in einem Schraubstockartigen Griff zwischen seiner Hand und seinem Körper eingeklemmt und zwang ihn dazu, zu ihm nach oben zu sehen. "Ich garantiere dir, du Missgeburt, dass es keine zehn Minuten dauern wird, bis du ganz andere Wünsche hast!" Er riss ihm die Atemmaske vom Gesicht und ließ sie achtlos neben sich zu Boden fallen. "Da du dich ja so sehr auf das Gespräch freust, wollen wir nicht, dass es durch so etwas Lästiges wie ein Atemgerät behindert wird."

       Rej fand die Position, in der er sich befand, nicht sonderlich angenehm und sein Rücken rebellierte mit aufflammenden Schmerzen gegen die Verdrehung seines Kopfes. Er musste ziemlich nach oben blicken, um dem Mann ins Gesicht sehen zu können. Und ohne die Atemmaske fühlte er sich ein ganzes Stückchen schutzloser. Er hatte ja nicht vor, groß zu plaudern, wusste aber auch, dass er seine Position verstärken konnte, wenn er ihnen wenigstens verbal die Stirn bot. Aber schon in den Diskussionen mit dem Medic am Vormittag hatte der Gefangene schnell gemerkt, dass ihm sein vermindertes Lungenvolumen dabei nicht sonderlich entgegenkam. "Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, Herr... wie soll ich Sie nennen? Achselschweiß?"

       Der andere Mann ließ sich von der Beleidigung nicht beirren, schob mit dem Fuß die Atemmaske noch ein Stück zur Seite und ließ Rej dann los. Der genoss seine zurückgewonnene Bewegungsfreiheit. Achselschweiß gegen Missgeburt? Er war ja noch wirklich freundlich geblieben.

       Der Mann ihm gegenüber lehnte sich zu ihm vor und sah ihm direkt ins Gesicht. "Gut, Herr