REJ - Der spezielle Gefangene. Beli / Tanja Sorianumera / Giesecke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Beli / Tanja Sorianumera / Giesecke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741896453
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Schmerzen, die durch seinen Körper pulsierten. Dann wich der Schleier der Träume gänzlich von seinem Verstand und er erinnerte sich, dass er sich im Gefängnis von Xiantiao befand.

       "Ich bin hier", gab er dem Mitgefangenen zu verstehen und zwang sich dazu, die Augen offen zu halten. Er hatte einen schalen Geschmack im Mund, auch Hunger meldete sich mit einem ziehenden Gefühl in seinem Magen. Er streckte Sajan den Arm entgegen und dieser half ihm, sich aufzurichten. Einen Augenblick wartete der, bis sich sein Kreislauf an die Positionsveränderung gewöhnt hatte, dann hob er ihn zurück in den Rollstuhl und schnallte ihn fest. Rej verspürte noch immer starken Widerstand dabei, aber er fühlte sich zu matt, um sich erneut auf eine Diskussion darüber einzulassen. Der Schlaf hatte ihm gut getan, aber auch den Eindruck hinterlassen, dass er noch sehr viel mehr davon gebraucht hätte.

       Nur wenig später waren Schritte von schweren Stiefeln auf dem Gang zu hören, die auf Höhe ihrer Zelle anhielten und dann hämmerte jemand mit einem Stock gegen die Gitterstäbe an die Tür. "Mittagsappell!", bellte einer der ShaoSetFai zu ihnen herein, dann wurde die Türe aufgeschlossen und geöffnet.

       "Alles klar, nur die Ruhe", quasselte Sajan mit ruhiger Stimme auf die angespannten Wärter ein. "Wir sind schon auf dem Weg."

       "Ruhe!", wurde er rüde zurecht gewiesen. "Auf den Wegen ist absolutes Sprechverbot!" Der dunkelhaarige Mann hob beschwichtigend die Hände und schob dann den Rollstuhl auf den Gang hinaus. Rej verdrehte die Augen. Es erschien ihm alles so hirnrissig und bescheuert. Wozu sollte diese Regelung gut sein? Aber da er die Regeln nicht machte und auch nichts an ihnen ändern konnte, akzeptierte er sie für den Moment.

       Draußen vor der Türe mussten sie stehen bleiben und warten. Während zwei der ShaoSetFai bei ihnen stehen blieben, traten zwei weitere in das Innere ihrer Zelle und begannen routiniert einmal grob alles abzusuchen. Rej wollte fragen, was das sollte, erinnerte sich aber an das Sprechverbot. Als die Soldaten damit fertig waren, wurde die Zelle abgeschlossen, dann schubste man Sajan ans Ende des Ganges zu einer breiten Treppe - der hatte Mühe, den Rollstuhl auf dem Weg zu halten. Dort war nicht, wie erwartet, eine Aufzugkabine, die sie in ein anderes Stockwerk brachte, nein, der Pfleger musste seinen Mithäftling die Treppe hinunter tragen. Da die ShaoSetFai äußerst ranzig wirkten, viel zu angespannt und nervös in seiner Gegenwart, machte Rej keine Umstände und half mit, als Sajan ihn aus dem Rollstuhl hob. Einer der Wärter trug das Transportvehikel nach unten.

       Über die breite Treppe kamen sie ein Stockwerk tiefer, doch die Doppelflügeltür zu ihrer linken blieb genauso verschlossen, wie die zu ihrer Rechten. Sajan trug ihn noch ein weiteres Stockwerk hinab, unten setzte er den bewegungsunfähigen Mann zurück in den Rollstuhl und zog die Schnallen, die ihn an Ort und Stelle hielten, wieder fest.

       Direkt vor ihnen befand sich ein Gitter mit einem verschlossenen Durchlass und Rej war sich nicht sicher, ob er den Ort nicht doch schon mal gesehen hatte. Er vermutete, dass sich dahinter die Schleuse zu Dr. Biancos Krankenstation befand. Aber er konnte sich nicht daran erinnern, dass sie auf dem Weg in ihre Zelle eine Treppe passiert hatten. Gegenüber von dem Zaun war eine breite Tür, über der eine Kamera befestigt war, die den gesamten Gang im Fokus zu haben schien. Sie öffnete sich automatisch, als die kleine Gruppe von Menschen sich ihr näherte.

       Den ShaoSetFai konnte es nicht schnell genug gehen. Immer wieder schubsten sie den dunkelhaarigen Mann und drängten ihn dazu, schneller zu gehen. Und als sie den Essenssaal betraten, hatte Rej das Gefühl, dass sich unzählige Augenpaare auf sie richteten. An fünf Tischen saßen an die dreißig Männer und Frauen in Häftlingskleidung verteilt und hatten sich alle zum Eingang herum gedreht. In den vier Ecken des Raumes stand jeweils ein ShaoSetFai-Soldat mit gezücktem Schockstab und überwachte die Lage. Am linken Ende, hinter den Sitzgruppen, befand sich eine Theke, die bis auf eine kleine Durchreiche vergittert war, und keinen Zugang für die Häftlinge gewährte. Dahinter standen zwei Bedienstete und warteten darauf, dass sie das Essen ausgeben konnten.

       Sajan schob Rej an den einzigen Tisch, an dem nur zwei Plätze besetzt waren, an all den anderen Tischen saßen jeweils sechs Personen. Aber da der Rollstuhl etwas mehr Platz brauchte, war ihr Tisch nur für insgesamt vier Leute vorgesehen. Rej spürte direkt, wie die Blicke der Mithäftlinge sich in ihn bohrten, während Sajan neben ihm Platz nahm. Kaum dass er sich hingesetzt hatte, erklang ein Gong und die anderen beiden an ihrem Tisch erhoben sich und machten sich auf den Weg zu der Theke.

       "Ab jetzt können wir essen von der Theke holen. Sobald der Gong schlägt, können wir uns anstellen. Ich werde Ihnen dabei helfen, das Tablett an den Platz zu bringen." Während Sajan den Rollstuhl nach vorne schob, versuchte Rej den Blick zu heben und den verschwommenen Klecksen von Personen, die nur aus Augen zu bestehen schienen, entgegen zu sehen. Er wusste, dass der erste Eindruck wichtig war und dass es daher umso entscheidender war, wie sie ihn wahrnehmen würden - ob schwach oder stark.

       Aber seine Position war nicht besonders gut, ihm blieb nur, das Bestmögliche daraus zu machen. Er konnte nicht damit rechnen, dass in dem selben Zellenblock andere inhaftierte Song aufhielten. Aber er hoffte, dass sich keine radikalen Gegner der Song unter den Mithäftlingen befanden. Erkennen konnte er niemanden, aber alle schienen ihn zu kennen, was nicht sonderlich verwunderlich war. Die meisten hatten sein Gesicht vermutlich in Zusammenhang mit den Nachrichten im Fernsehen gesehen. Im Zusammenhang mit erfolglosen Forderungen an die AneLAAN und darauf folgenden Attentaten auf das Regierungsgebäude oder auf Supporteinrichtungen von ThanaVelu. Vermutlich gab es so viele verschiedene Meinungen über ihn, wie anwesende Personen in dem Raum.

       Neben der Theke hielt Sajan den Rollstuhl an und drückte seinem Patienten ein graues Tablett in die Hand. Rej legte es neben sich auf die Ablage und zog es mit sich. Der Krankenpfleger stellte ihm ein Glas darauf, legte Besteck dazu, während er sich auch selbst sein Tablett herrichtete. Dann erreichten sie die Durchreiche und der Bedienstete schob ihm einen Teller mit einem Stück Fleisch und einem Klecks undefinierbarer Beilage auf den Tresen. Rej musste sich anstrengen, um über die rechte Seitenlehne hinaus den Teller mit den Finger zu fassen zu bekommen, jede Bewegung war mit Schmerzen verbunden. Er zog ihn auf sein Tablett und wollte sich dieses dann auf den Schoß stellen. Allerdings war es so unausbalanciert viel zu schwer für seine linke Hand, die darauf hin fürchterlich zu zittern begann und das Tablett zum Klappern brachte. Der Song ärgerte sich, als Sajan über seine Schulter hinweg griff und die andere Seite des Tabletts festhielt. Gleichzeitig schien er keine großen Schwierigkeiten dabei zu haben, das eigene Tablett auf die Schiebegriffe zu befördern und es so mit dem Rollstuhl zurück an den Platz zu schieben.

       Er stellte Rej seinen Teller direkt vor die Nase, dann setzte er sich neben ihn und drehte sich zu ihm herüber. Mit ausdruckslosem Gesicht starrte Rej auf das Essen vor sich, während sein Helfer begann, das fleischige Etwas in kleine Stücke zu schneiden. Die anderen beiden Häftlinge, die sich mit ihnen den Tisch teilten, setzten sich ebenfalls und starrten zu Rej und Sajan herüber. Keiner von den Nachbartischen war aufgestanden, um sich an der Theke ihr Essen zu holen, der Song hatte das Gefühl, dass noch immer alle Blicke auf ihn und Sajan gerichtet waren.

       Ja, sie waren die Neuen hier und ja, er konnte nicht einmal selbst sein Essen schneiden. Sajan hatten sie zwar wohl gestern schon kennen gelernt, aber nicht in seiner Funktion als Krankenpfleger. Und ein Mann im Rollstuhl war wohl etwas gänzlich neues hier in der Vollzugsanstalt. Und ein äußerst bekannter Anführer einer Terroristengruppe im Rollstuhl erst recht. Rej versuchte sich davon nicht ablenken zu lassen. Als Sajan sich seinem eigenen Teller zu wandte, griff er nach der Gabel und piekste ein Stückchen Fleisch darauf auf. Es war grau und sah nicht sonderlich schmackhaft aus und obwohl der Song Hunger verspürte, war sein Magen wie zugeschnürt.

       Natürlich hatte er schon in ganz anderen Situationen Essen zu sich genommen, in einem Versteck nahe dem Schlachtfeld, oder in der Aufregung einer direkt bevorstehenden Aktion. Aber das ließ sich mit der Situation hier überhaupt nicht vergleichen. Dort war er in seinem Element gewesen und zumindest Herr der Lage auf seiner Seite. Hier im Gefängnis hatte er nichts im Griff, ihm fiel es ja schon schwer, die Gabel zu halten. Und, dass alle zu ihm herüber starrten, machte ihn ganz verrückt. Wenn sie wenigstens etwas gesagt hätten, dann hätte er irgendwie darauf reagieren können, so aber blieb ihm nur