REJ - Der spezielle Gefangene. Beli / Tanja Sorianumera / Giesecke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Beli / Tanja Sorianumera / Giesecke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741896453
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"In dem Moment habe ich mir nur noch gewünscht, dass es vorüber geht, dass ich endlich sterben darf, aber irgendwie hat man mich dann doch gerettet." In seinen Erinnerungen hörte er Shen Tos Stimme und wie mit seiner Ankunft das zerstörerische Gleißen in seinem Körper schlagartig aufhörte, doch die Hölle noch immer in ihm brannte. Dann spürte er die Hand seines Bruders an der seinen. Er war sich sicher, dass er in wenigen Sekunden sterben würde und er musste den Bruder wissen lassen, dass er ihm vertraute, dass er überzeugt war, dass Shen To die Song führen konnte. Doch sein Mund war voll Blut, sein Kehle, er hatte nicht mehr genug Luft in seinen Lungen, um auch nur ein Wort zu flüstern.

       "Wissen Sie, wer Sie gerettet hat?", riss Leiks Stimme ihn aus den Gedanken und Rej zuckte zusammen. Sein Körper hatte wieder zu zittern begonnen und sein Magen rebellierte. Er befürchtete, sich übergeben zu müssen, wenn er jetzt antwortete, darum schüttelte er nur den Kopf.

       "Dir ist doch klar, dass die Opfer deiner Attentate ähnliches durchleiden mussten?! Wegen dir Drecksack! Dass die Sprengsätze im elektronischen Versorgungszentrum von ThanaVelu zwei Menschen das Leben gekostet haben und fünf weitere schwer verletzt wurden?!", fuhr Jari nun dazwischen. Er hatte keinerlei Empathie für den Gefangenen und nur wenig Geduld, packte ihn am Kragen und schüttelte ihn durch. Rej wurde dabei noch übler und Drehschwindel begann, seine mühsam aufrechterhaltene Konzentration zu zerschlagen. "Dass sie genauso Schmerzen dabei empfunden haben, wie du Abschaum, als ihre Haut durch die Explosionen verbrannte und ihre Knochen durch die Druckwelle und die Trümmer zerschmettert wurden?!"

       Finster sah Rej dem Mann in die Augen. "Es hätte niemand da sein sollen! Das Gebäude hätte leer sein müssen!", erklärte er mit Vehemenz und versuchte sich aus dem Griff zu winden.

       "Es war aber nicht leer und das hätte Ihnen klar sein müssen!", wurde nun auch Taisen lauter und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.

       "Und ich sagte, dass mir das sehr leid tut und dass ich die volle Verantwortung dafür übernehme!", erwiderte Rej deutlich. Doch der Verhörspezialist überging ihn einfach.

       "Sie haben billigend in Kauf genommen, dass Unbeteiligte zu Schaden kommen! Ihnen war es doch egal, wen es dabei trifft!"

       "Das ist eine Unterstellung und sie ist nicht wahr!", entgegnete Rej wütend. "Aber Sie nehmen es billigend in Kauf, dass in Son'Guin immer noch täglich Menschen leiden und sterben! Und wer übernimmt dafür die Verantwortung?" Herausfordernd starrte er die drei Männer nacheinander an. "Die AneLAAN tut es nämlich nicht!"

       "Es geht hier nicht um die Slums in Son'Gashania, sondern um die Menschenleben, die Ihre Attentate gekostet haben!", wiegelte Taisen ab, während Jari zeitgleich wütete: "Das ist hier aber nicht das Thema, du behinderter Scheißkerl!" Ein Wort ergab das andere.

       "Doch, genau das ist das Thema! Genau deswegen sitzen wir hier! Weil niemand bereit dazu ist, die Verantwortung für die Menschen aus Son'Guin zu übernehmen! Aber weil ich das getan habe! Weil wir genau diesen Menschen zu Gerechtigkeit verhelfen werden! Weil es sonst keiner tut! Und weil diese Menschen es genauso verdient haben, in Würde zu leben und nicht im Dreck zu krepieren!" Er schnappte nach Luft. "Genau darum geht es hier und um nichts anderes!"

       Leik Kataruh nickte zustimmend. Rej war kalter Schweiß auf die Stirn getreten und er fühlte sich unendlich müde und schlapp. Mit zitternden Lippen und glasigem Blick atmete er mehrere Male so tief ein und aus, wie es ihm möglich war, dann sah er erschöpft zu Taisen auf. "Ich kann nicht mehr", keuchte er und sein Kopf sank ihm auf die Brust. Tatsächlich drehte sich alles um ihn. Nun hatte er den Moment erreicht, an dem nichts mehr ging. Sein Körper bebte und dunkle Nebelschwaden schoben sich vermehrt in sein Blickfeld.

       Taisen nickte und Jari ließ endlich Rejs Hemd los. "Lassen wir es für heute gut sein, Herr Lio'Ta, Sie waren ja doch teilweise recht kooperativ und der Abendappell findet auch bald statt. Arbeiten Sie am besten morgen von Anfang an mit, dann ersparen Sie sich weitere Unannehmlichkeiten. Herr Bjantiya wird Sie gleich hier abholen." Mit diesen Worten gab der Verhörleiter seinen Kollegen ein Zeichen und die Männer verließen mit ihm gemeinsam den Raum. Das Licht ging aus und die Tür fiel ins Schloss.

       Dämmerung hüllte ihn ein und Stille. Rej fluchte. Sie hatten vergessen, ihm die Atemmaske wieder zu geben, aber vielleicht war es auch Absicht gewesen. Sie lag auf dem Tisch direkt vor ihm und war trotzdem nicht erreichbar für ihn. Testweise versuchte er die Finger der linken Hand nach vorne zu schieben, aber die Kabelbinder hielten seine Hand an Ort und Stelle fest und schnürten ihm das Blut ab, sobald er sich auch nur ein wenig dagegen stemmte. Resigniert gab er auf und konzentrierte sich darauf, weiterhin so tief wie möglich zu atmen. Seine Brust tat weh und mit jeder weiteren Sekunde, die er hier sitzend verbringen musste, schmerzte sein Rücken mehr. Obwohl er völlig erschöpft war, grollte noch immer tiefe Wut in ihm. Nicht nur, dass die drei ShaoSetFai ihn so aus der Fassung gebracht hatten, es war ja zum Teil nicht verkehrt, ihnen immer wieder klar zu machen, wer die eigentlichen Verbrecher waren, sondern auch ihr absolutes Desinteresse an seinen Motiven ärgerte ihn zutiefst. Besonders Jari Kailani schien ein äußerst stupider, geistig zurückgebliebener Handlanger der AneLAAN zu sein, der nicht groß hinterfragte, was er tat und gerne Schmerzen verteilte, wenn sein Boss ihn von der Leine ließ. Nur Kataruh war wohl wenigstens ein bisschen dazu in der Lage, sich in die Situation der Song hinein zu versetzen. Aber Rej war auf der Hut. Vielleicht war auch genau das seine Masche, um Informationen aus ihm heraus zu bekommen.

       Sajan ließ sich Zeit. Der Mann tauchte nicht auf und die Zeit in der Dämmerung dehnte sich in die Länge. Gedanken über das Verhör kreisten in seinem Kopf und vermischten sich mit der Sorge um Shen To und den Rest seiner Familie, die draußen in der Welt noch für ihr gemeinsames Ziel kämpften. Und zudem hatte er die Erinnerungen an seinen hässlichen Unfall heraufbeschworen, die nun unentwegt bei ihm anklopften und nicht mehr gehen wollten. Rej wollte sich nicht mehr daran erinnern, wie es war, mit zerschmetterten Knochen bei lebendigem Leibe zu verbrennen, aber er fühlte sich hilflos und ohnmächtig dem Moment ausgeliefert, bekam kaum Luft, hatte mit der aufkeimenden Pein in seinem Körper zu kämpfen und verlor das Gefühl für Raum und Zeit. Und das alles hatte unangenehme Parallelen zu seinem wahrgewordenen Albtraum, der sein Leben so sehr verändert hatte.

       Als der Pfleger dann endlich kam, befand sich Rej in einer Art Dämmerzustand, irgendwo zwischen Wachen und Bewusstlosigkeit. Sein Herz raste und er reagierte nur zögerlich, als Sajan ihn ansprach. Der andere Gefangene wurde von zwei Soldaten begleitet und schien sofort zu erkennen, dass sein Patient in keinem sonderlich guten Zustand war. Er beugte sich zu dem Widerständler herab und tastete nach seinem Puls an der linken Hand.

       "Hey, Rej, was ist los mit Ihnen?", fragte er und dieser brauchte einen Augenblick, bis er sich regte und den müden Blick hob. "Alles... in Ordnung", ächzte er wenig glaubwürdig und schloss wieder die Augen. Sein Körper zitterte noch immer und seine Lippen waren bläulich angelaufen.

       Sajan runzelte die Stirn, dann winkte er einen der ShaoSetFai zu sich. "Ey, machen Sie ihn los, ich soll ihn zum Speisesaal runter bringen." Dann wandte er sich wieder an Rej, tastete mit dem Handrücken nach seiner Stirn. Sie war schweißnass und eisigkalt. "Ihr Kreislauf ist völlig im Keller und Luft bekommen Sie...", er unterbrach sich und sah sich dann fluchend nach der Atemmaske um. Er fand sie auf dem Tisch, währenddessen schnitt der Soldat die Kabelbinder auf, die den in sich zusammengefallenen Mann auf dem Stuhl fixierten.

       "Das gibt's doch nicht", murmelte er verärgert, während er Rej, der einfach nach vorne kippte, auffing. Er drückte ihm das Atemgerät auf Nase und Mund, zog das Gummiband über seinen Kopf und hielt ihn fest. "Die haben Sie gefoltert, oder?", fragte er, obwohl es mehr eine Feststellung war. "Nein", gab der Gefangene flüsternd zu verstehen, "das Gespräch war nur etwas heftig. Alles gut."

       "Atmen Sie und seien Sie still." Eine Weile hielt der Pfleger ihn noch nach vorne gebeugt fest, bis sich Herzschlag und Atmung etwas beruhigt hatten. "Und was ist dann das hier?" Er deutete auf die sich bläulich färbenden Daumengroßen Flecken an Rejs Hals. "Ich erkenne die Manipulation von Schmerzpunkten, wenn ich sie sehe!"

       "Ich soll atmen und ruhig sein", setzte Rej keuchend dagegen und ein schiefes