Agonie explodierte hinter Rejs Augen, breitete sich über seinen Nacken und bis unter die Schädeldecke aus und er verkrampfte sich noch mehr. Das musste er dem Norm lassen, er hatte wirklich gut getroffen.
"Na, immer noch am Lachen, Drecksack?", fragte Kailani und nun troff der Spott aus seiner Stimme. "Aber sicher", brachte der Widerständler ächzend hervor und mühte sich, die Augen offen zu halten, um seinen Peiniger herausfordernd ansehen zu können. "Ich hatte... selten... soviel Spaß!", kamen die Worte vereinzelt über seine Lippen, während sich die schmerzhaften Sekunden in seinem Bewusstsein zu Minuten dehnten. Dunkelheit wogte von den Seiten seines Gesichtsfeldes heran. Aus einem Reflex heraus kämpfte er dagegen an, schnappte nach Luft, versuchte sich vergeblich dem Griff zu entziehen. Dann begann es in seinen Händen zu kribbeln, sie wurden taub, sein Gehör machte dicht und etwas hinter seiner Stirn riss ab, wie ein überstrapazierter Faden. Er kippte, fiel nach hinten, seine Hand griff ins Leere, sein Bewusstsein stürzte in die Tiefe und schwarze Wellen schlugen über ihm zusammen.
Die Ohnmacht dauerte nicht lange. Er tauchte aus dem Sumpf der Bewusstlosigkeit auf, weil ihm jemand mit der flachen Hand auf die Wange schlug. Der immense Schmerz war weg, war stattdessen einem dumpfen Nachklang in seinem Kopf und an den malträtierten Stellen am Hals gewichen. Ihm war eisig kalt und das Zittern seines Körpers ließ sich nicht unterdrücken. Jemand hatte das Licht über ihm angemacht und es blendete ihn fürchterlich und stach ihm in die Augen. Er schaffte es nicht, sie zu öffnen. Ihm war flau im Magen und seine Hände fühlten sich immer noch taub an, aber die Fingerspitzen der linken Hand meldeten sich langsam mit einem unangenehmen Kribbeln zurück. Sein Kreislauf war völlig weg gesackt und musste erst wieder in Schwung kommen. Jemand drückte ihm seit einer Weile die Sauerstoffmaske auf Nase und Mund.
"Na, sind Sie wieder bei uns?", drang eine ruhige Stimme an sein Ohr. Er hatte sie schon mal gehört, aber es dauerte eine Weile, bis er sie jemandem zuordnen konnte. Mühsam blinzelte er aus halb geschlossenen Lidern und versuchte das verschwommene Gesicht vor sich zu erkennen. Zu seinem Leidwesen war es nicht das von Dr. Bianco und auch nicht das von Sajan, sondern das des XSF-Spezialbeauftragten, Silan Taisen. Er konnte die Begeisterung darüber kaum aus seiner Mimik zurückhalten. Der Agent klopfte ihm noch einmal mit der Hand auf die Wange, dann schien er davon überzeugt, dass der Inhaftierte wieder bei Bewusstsein war. Er legte die Sauerstoffmaske bei Seite und verschränkte lässig die Arme.
Rej registrierte, dass der Mann nicht mehr auf dem Stuhl hinter dem Tisch saß, sondern es sich auf der Tischkante direkt vor ihm bequem gemacht hatte. Kailani saß in Reichweite auf einer Sitzgelegenheit links von ihm und beschäftigte sich übertrieben auffällig mit seinen Fingernägeln. Der Mann, der sich als Spezialist für Song-Angelegenheiten vorgestellt hatte, war noch immer an seinem Platz und ließ sich ein Gebäckstück schmecken, beobachtete ihn aber auch weiterhin.
Toll, während er hier ausgeknockt wurde, schlugen die sich bei einem Kaffeekränzchen die Ranzen voll. Der Gefangene bemerkte, wie sich leise, aber doch wahrnehmbar der Ärger wieder bei ihm meldete. Das war ein gutes Zeichen. Wenn die Wut zurück kam, dann brachte sie auch die Widerstandskraft mit sich. Und so kraftlos und ausgelaugt, wie er sich im Moment fühlte, konnte er die jetzt wirklich gut gebrauchen.
"Mir war nach einem kleinen Nickerchen", brachte er gepresst über die Lippen und zwang sich zu einem Lächeln. Es kostete ihn einiges an Mühe, den Kopf einigermaßen aufrecht zu halten und dem Zittern seines Körpers nicht die Überhand gewinnen zu lassen. Silan verdrehte genervt die Augen und schüttelte dann den Kopf. "Sie halten sich für einen ganz Großen, Herr Lio'Ta, aber in Wahrheit sind Sie ein kleiner erbärmlicher unbedeutender Mensch."
"Wenn Sie es sagen", keuchte Rej, "aber übertragen Sie nicht Ihre eigenen Unzulänglichkeiten auf mich." Sobald er wieder mehr von sich gab, begannen auch die Sterne wieder vor seinen Augen zu tanzen. Die Wut in seinem Inneren wurde größer. Das Einzige, mit dem er sich hier wehren konnte, war doch seine große Klappe, er sah nicht ein, dass seine schlechte körperliche Verfassung ihn mundtot machte. Vor diesen Leuten erneut das Bewusstsein zu verlieren, war kein angenehmer Gedanke, zumal er sich seitdem noch mieser fühlte, aber er hatte nicht vor, seinen Peinigern das Gefühl der Überlegenheit zu lassen.
"Meine Leute haben mich immerhin zu ihrem Anführer gemacht. Und wenn ich ehrlich bin, so schlecht ist es doch nicht gelaufen, oder? Sonst hätte ich jetzt sicherlich nicht diesen hohen Gefahrenstatus unter euch. Und das, obwohl ich ein körperliches Wrack bin." Rej musste innerlich zugeben, dass das Gesagte nicht ganz stimmte. Er hatte Hanma Cerasela heraus gefordert, weil sie der Organisation als Anführerin nicht gut getan hatte. Und dann hatte er sie von der Spitze gestoßen und ihren Platz eingenommen, was sie ihm auch heim gezahlt hatte. Aber die Übernahme wäre ihm nicht gelungen, wenn die anderen Song nicht geschlossen hinter ihm gestanden hätten und schließlich hatte auch Cerasela ihn akzeptiert und in ihn ihr ganzes Vertrauen gelegt. Mittlerweile zählte er sie sogar zu seinen engsten Freunden.
"Ein körperliches Wrack", wiederholte der schweigsame Ttog nachdenklich und brachte sich dadurch zum zweiten Mal in das Gespräch ein. "Die ärztlichen Berichte legen nahe, dass Sie noch nicht lange in diesem Zustand sind, diese aber schon bei der Enterung der 56N6 Tahemetnesut bestanden haben. Wollen Sie erzählen, wie es dazu gekommen ist?"
"Es war ein Unfall", grollte Rej. Anders wie Shen To, schrieb er nicht Magister Navis Noritchcka Uakappan von der Cadence die gesamte Schuld daran zu, was mit ihm geschehen war. Sicherlich, es war durch den Kampf gegen ihn passiert, aber er war äußerst unglücklich gefallen und das war ein reiner Zufall und sicherlich nicht von dem Eindringling geplant gewesen.
"Das wühlt Sie emotional auf. Das macht Sie wütend, oder?", bohrte Kataruh nach. Und es stimmte. Natürlich machte es ihn wütend, wütend und verzweifelt. Es kostete ihn seine gesamte Willenskraft, nicht einfach aufgrund seiner bescheidenen Situation in sich zusammen zu brechen und auch noch zu einem seelischen Wrack zu werden. "Glücklich macht es mich nicht", gab er patzig zurück und hatte Mühe, nicht zu viel von seinen wahren Gefühlen an die Oberfläche kommen zu lassen.
"Sie sagen, es war ein Unfall, Herr Lio'Ta. Lag es daran, dass die Sicherheitsvorkehrungen auf der 56N6 Tahemetnesut nicht auf dem neuesten Stand waren?" Allein der Zorn darüber, dass der Spezialist über sein Schiff sprach, schnürte ihm die Kehle zu und ließ ihn die Faust ballen. Die Wut tat seinem Kreislauf gut, brachte seinen Puls wieder in Schwung. "Schauen Sie doch selbst nach!", forderte er den Mann frech auf. "Sie haben doch mein Schiff! Fragen Sie nicht mich!" Selbstverständlich waren die Sicherheitsvorkehrungen auf einem angemessenen Level gewesen, wenn man nicht auf einer Konsole herum lief, über die Reling stolperte und aus fünfzehn Metern Höhe und mit vollem Gewicht durch eine Abschirmung krachte und auf einem Stromführenden Maschinenteil landete.
Trotz des Ärgers entging dem Song nicht der Gesichtsausdruck der anwesenden Männer. Es war nur ein kurzes Zögern in Leik Kataruhs Mimik gewesen, zeitgleich hatte Silan Taisen den Blick gehoben. In Gedanken spulte Rej noch einmal zurück, was er gerade eben gesagt hatte. Darin musste etwas Wichtiges gelegen haben. Hatte er den Verhörspezialisten versehentlich eine Information zugespielt? Nein, es war etwas anderes. Seine Worte hatten sie an einen Punkt geführt, an dem ihnen für einen kurzen Moment ihr Pokerface abhanden gekommen war. Dann ging ihm ein Licht auf und über den Ärger hinaus gewann ein breites Grinsen auf seinem Gesicht die Oberhand.
"Sie haben mein Schiff gar nicht, nicht wahr?", fragte er frech und blickte zwischen den beiden schweigenden Männern hin und her. Erneut wechselten Taisen und Kataruh einen Blick, dann rollte der Verhörleiter genervt mit den Augen. Das wurde ja immer schöner. Sie hatten ihn zur Befragung in diese finstere Kammer gebracht und am Ende kam er mit mehr Informationen heraus, als er zuvor gehabt hatte. "Ist sie Ihnen entwischt?", setzte er hinterher, obwohl er das kaum glauben konnte, doch nun ließen sich die drei Männer nicht mehr in ihre Karten schauen. "Oder hat die Cadence sie?" Er konnte nicht erkennen, ob eine der beiden Vermutungen zutraf. Kataruhs Gesicht konnte er nicht gut genug erkennen und Taisens Miene verzog sich keinen Millimeter. Jari widmete sich noch immer seinen