REJ - Der spezielle Gefangene. Beli / Tanja Sorianumera / Giesecke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Beli / Tanja Sorianumera / Giesecke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741896453
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- Gnom und Grillgemüse

      Zu seiner Verärgerung spürte Rej, wie Hoffnung in ihm aufkeimte. Was war, wenn seine Leute es tatsächlich geschafft hatten, die Tahemetnesut den ShaoSetFai wieder zu entreißen? Nachdem ihn das Enterkommando gefangen genommen und auf die XSF Segregator gebracht hatte. Vielleicht hatte Shen To das Blatt danach wieder wenden können. Er selbst hatte davon ja nicht mehr viel mit bekommen und bis jetzt hatte man sich gehütet, ihm Informationen darüber zukommen zu lassen. Das einzige was er mit Sicherheit bisher gewusst hatte, war, dass sein Bruder entkommen war und nicht das gleiche Schicksal mit ihm teilte, denn dieser hatte offiziell bekannt gegeben, der neue Anführer der Song zu sein.

       Und nun warf man ihm so einen Brocken hin. Es kostete ihn sichtliche Mühe, die aufblühende Freude über den Ausrutscher der Spezialisten nieder zu kämpfen und der Hoffnung den Weg in sein Herz zu verwehren. Es war nicht sonderlich wahrscheinlich, dass sie das Flaggschiff der Song zurück erobern hatten können. Zu dem Zeitpunkt war seine Familie ziemlich angeschlagen gewesen, es hätte einige Zufälle gebraucht, um an der Stelle noch einmal das Ruder herum zu reißen. Viel wahrscheinlicher war, dass die Cadence sein Schiff einkassiert hatte. Und dieser Gedanke widerstrebte ihm genauso. Zwar war es besser, wenn diese exterritoriale Vereinigung die Tahemetnesut unter ihren Fittichen hatte, wenn die XSF schon ihn gefangen hielt - so brachten ihnen immerhin Kommandocodes für die Schiffscomputer nichts, aber er sah es überhaupt nicht gern, dass die Techniker der Cadence nun sein Schiff, sein Zuhause, auseinander nehmen würden.

       Nach einer Weile des Schweigens ergriff der Verhörleiter wieder das Wort. "In der Tat, Herr Lio'Ta, wir haben die 56N6 Tahemetnesut nicht." Aus seinem Gesichtsausdruck war nichts heraus zu deuten und Rej wunderte sich, dass der Mann es so offen zugab. "Wir haben sie nicht, weil sie nahezu vollständig zerstört wurde." Der Gefangene registrierte, wie Leik Kataruh dezent nickte, dann erst wurde ihm die Bedeutung der Worte klar. Sein Schiff - zerstört.

       "Das behaupten Sie doch jetzt bloß, weil ihnen was raus gerutscht ist!", schmetterte er die Aussage ab, aber in seinem Inneren war die aufsteigende Euphorie und die gewonnene Selbstsicherheit gewaltig ins Wanken geraten. Taisen hob die Schultern, als wäre es ihm relativ gleichgültig. "Glauben Sie was sie wollen. Aus dem ausgebrannten Wrack konnten wir nicht sonderlich viele Informationen bergen. Dafür haben wir ja jetzt Sie da."

       Obwohl der ehemalige Song-Kommendan immer noch nicht glaubte, was er da hörte, spürte er, wie er mehr und mehr an Boden unter sich verlor. Ein Teil in ihm war also tatsächlich doch davon überzeugt, dass der Spezialist die Wahrheit sprach.

       "Wie viele, außer mir, haben Sie gefangen genommen?", fragte er, aus seiner Stimme war gänzlich die Freude gewichen.

       "Darüber können wir keine Auskunft geben", bekam er als Antwort. Wie wahrscheinlich war es, dass alle entkommen waren? Rej wusste nicht einmal, wie viele sich zur Zeit des Angriffs an Bord befunden hatten, ein Zustand, den es vor seinem Unfall nicht gegeben hätte. Aber er hatte völlig kraftlos auf der Krankenstation gelegen, im künstlichen Koma, und war erst geweckt worden, als es für das Schiff längst zu spät gewesen war. Shen To hatte das Kommando über die Tahemetnesut übernommen und der wusste auch über diese Dinge Bescheid. Aber mit dem konnte er jetzt nicht reden, nur mit den drei Herren von den ShaoSetFai, hinter der die Regierung von Xiantiao steckte.

       Jari erhob sich von seinem Stuhl und trat an Rej heran, packte ihn grob an den Haaren und zwang ihn, ihn anzusehen. Dem dunkelhaarigen Mann mit dem Drei-Tage-Bart schien es zu gefallen, Macht über den Gefangenen auszuüben. "Außerdem, Mistkerl", er brachte sein Gesicht ganz nahe an Rejs heran, "hast du hier keine Fragen zu stellen. Du hast sie nur zu beantworten. Kapiert?" Innerhalb des Griffs schüttelte der Gefangene den Kopf. Das würde er sicherlich nicht tun. Ob sein Schiff nun zerstört war, oder nicht, das änderte doch nichts. Einige Song waren noch da draußen und wurden von der AneLAAN auch noch als ernste Gefahr angesehen, also war ihre Sache noch nicht gestorben, und deshalb durfte er ihnen keinerlei nützliche Antworten geben.

       "Kommen wir doch noch einmal auf den Vorfall zurück, Herr Lio'Ta, bei dem Sie so schwer verletzt wurden", begann der Ttog erneut und zeigte mit einer Handgeste, dass Kailani den Befragten loslassen solle. "Sie wollten uns erzählen, was dabei passiert war, nicht wahr?" Rej erkannte die Masche des Song-Spezialisten, ihm mit seinen Worten zu suggerieren, was er wollte, aber über diese Sache zu reden war immer noch besser, wie Fragen über die Song selbst beantworten zu müssen, oder, weil er das ja nicht vorhatte, erneut von Jari gepiesackt zu werden.

       "Hatte ich eigentlich nicht vor", gab er Kataruh zu verstehen. "Aber egal. Wie ich schon sagte, es war ein Unfall, ein ziemlich blöder." Der weizenblonde Mann stand nun auf und zog sich seinen Stuhl näher an den Gefangenen heran, hob die Atemmaske auf und drückte sie Rej auf Mund und Nase, so dass der ein paar Atemzüge mit reinem Sauerstoff machen konnte. Dieser wusste das sehr zu schätzen, obwohl ihm auch klar war, dass Leik Kataruh nun Antworten von ihm erwartete. Aber es war ein gutes Gefühl, genügend Luft in die Lunge zu bekommen. Der Ttog nahm sie schließlich wieder von ihm weg, setzte sich und bettete die Maske auf seinen Schoss, während er dem Song aufmunternd zunickte.

       "Also, wie kam es zu diesem Unfall? Was hat Sie so zugerichtet?" Rej lagen einige gehässige Antworten auf der Zunge, die mit zu leidenschaftlich entflammten Herzen oder außer Kontrolle geratenen Toastern zu tun hatten, aber er entschied sich dagegen. "Ich... bin gestürzt. Und ziemlich unglücklich gefallen", gab er zögerlich als Antwort. Leik fuhr mit weiteren Suggestivfragen fort. "Sie haben das nur knapp überlebt, oder?"

       Rej nickte. "Kann man wohl sagen. Meine Innereien waren verbrannt oder zermatscht, die Knochen zerbröselt. Das Ergebnis sehen Sie ja hier." Er blickte einmal knapp an sich herab, dann sah er wieder zu dem Verhörspezialisten. "Der Kopf und ein Arm sind mir geblieben - der Rest ist Schrott - und beim Kopf bin ich mir noch nicht mal so sicher." Er lachte. "Sie mögen noch so ein netter Haufen sein, Sie drei, aber ich kann Sie nicht sonderlich gut sehen. Meine Augen sind seit dem Unfall ziemlich mies. Aber dass Sie Mohn zwischen den Zähnen haben, Kailani, das kann sogar ich noch erkennen", ließ er sich den Seitenhieb gegen den Grobian nicht nehmen. Der ging darauf ein, indem er Rej die Zähne bleckte.

       "Erinnern Sie sich daran, was genau passiert ist?" Der Song musste sich eingestehen, dass er die Stimme des Ttogs irgendwie sympathisch fand. Sie klang aufgeschlossen und neugierig, war aber nicht aufdringlich oder übertrieben emotional.

       "Meine Erinnerungen sind verschwommen", log er. Nur zu gut konnte er sich an Details aus diesem bedeutenden Moment seines Lebens erinnern. Er fragte sich, warum sich Kataruh so sehr dafür interessierte. Vermuteten sie, dass es innere Konflikte zwischen den Song gab, die zu seinem Sturz geführt hatten, oder hofften sie auf Informationen darüber, ob nicht vielleicht die Cadence ihre Finger mit im Spiel gehabt hatte? Vielleicht konnte er sie eine Weile mit dieser Frage beschäftigen und sie dabei von den wirklich wichtigen Themen ablenken. "Ich erinnere mich nicht mehr genau."

       Leik Kataruh schien ihm zu glauben. "An was erinnern Sie sich noch davon? Fällt Ihnen etwas ein, ein Detail?"

       Es fiel Rej nicht schwer, in Gedanken die Szene Revue passieren zu lassen, viel zu oft machte sie sich in seinem Inneren breit, wenn er gerade nicht damit rechnete. Darum war auch das Unbehagen, dass er beim Erzählen empfand, nicht gespielt. "Die Schmerzen", seufzte er und schlug die Augen nieder, "ich erinnere mich an diese grauenhaften Schmerzen, als der Strom meine Muskeln verkrampfte und meinen Körper verbrannte, während ich bei vollem Bewusstsein war." Seine Stimme wurde leise und brüchig, die Erinnerungen daran ließen sein Gesicht noch blasser werden. Der Ttog gönnte ihm ein paar Atemzüge über die Sauerstoffmaske, dann sprach Rej weiter. "Ich hatte keine Orientierung mehr, wusste nicht, wo ich war, wie ich dort hin gekommen war. Ich versuchte mich von dort weg zu ziehen, aber es ging nicht. Ich hatte keine Kraft, keine Kontrolle mehr über meine Muskeln." Er blickte auf und sah in Taisens und Kataruhs Gesichter, sie hörten ihm gebannt zu. Obwohl durch die lebhaften Erinnerungen Übelkeit in ihm aufstieg und sich immer weiter ausdehnte, legte er noch einen oben drauf.

       "Ich habe mich selbst schreien hören und das Dröhnen der Energie, gespürt, wie sich mein rechter Unterarm auflöste, ich habe mein eigenes verbranntes Fleisch