typischen Trab des Sandvolkes aufzunehmen, als er vom Schädelhaus aus
zwischen den Kreisen der Pfahlzelte hindurchlief, um die Heimstatt zu
verlassen.
Er bemerkte die neugierigen Blicke, die man ihm zuwarf, denn natürlich
wusste jedes Mitglied des Clans, dass der Jungmann dabei war, ein Krieger zu
werden. So bemühte er sich um eine stolze Haltung, um den gleichgültigen
Blick des erfahrenen Kriegers, den nichts erschüttern konnte, und um den
ungleichmäßigen Schritt des Sandvolkes.
Der schnelle Trab führte ihn aus der Heimstatt und dem Ring der Pfähle
mit den Wachplattformen hinaus in die endlos erscheinende Weite der Wüste.
Jeder Angehörige des Sandvolkes war mit der Wüste vertraut, und doch
gab es niemanden, der sich wirklich in ihr auskannte. Die Wüste war in
ständiger Bewegung, so wie auch der Wind in ständiger Bewegung war. Mal
blies er stärker, mal schwächer, mal aus der einen, dann aus der anderen
Richtung. Der Wind verfing sich in den hohen Sanddünen, ließ sie wandern,
verschüttete Bekanntes und deckte Unbekanntes auf. Das Land war in
Bewegung, so wie auch seine Bewohner in Bewegung waren.
Es war erst Mittag, und die Sonne stand hoch am Himmel, während der
Jungmann über den Sand trabte. Der rasche gleitende Schritt des Trabs hatte
zwei große Vorteile. Er brachte den Boden nicht allzu sehr zum Schwingen
und lockte daher keine Sandwürmer an, und zudem berührten die Füße dabei
den heißen Sand nur flüchtig, was bei der Tageshitze ebenfalls von Vorteil
war. Frauen und Kinder hatten dickere Sohlen an ihrem Schuhwerk, aber für
einen Jäger kam das nicht in Betracht. Denn die relativ dünnen Sohlen seiner
Fußbekleidung erlaubten es ihm, seinerseits Schwingungen im Boden zu
erspüren. Das Leben in der Wüste schärfte Sinne, die andere Völker längst
verloren hatten.
Heglen-Turs Blicke schweiften rastlos über die staubigen Weiten, wobei
sie einige Stachelpflanzen registrierten, die kaum aus einer Sandverwehung
aufragten, und hier und da Bewegungen und Spuren im Sand wahrnahmen,
die nicht von Wind und Erosion hervorgerufen worden waren. Nach einer
Weile verspürte er Hunger und Durst, aber er verdrängte die Empfindungen
und konzentrierte sich auf seinen Lauf. Erst als der Durst übermächtig zu
werden schien, hielt er kurz an, zog den wassergefüllten Darm eines
Sandwühlers von seinem Rücken, öffnete ihn und trank einen Schluck daraus.
Sorgfältig verschnürte er den Wasserschlauch wieder, wobei er darauf
achtete, zuvor die Luft herauszudrücken, die das Wasser verräterisch würde
schwappen und glucksen lassen, dann hängte er ihn wieder über den Rücken
und verfiel erneut in seinen schnellen Trab.
Die Menschen des Sandvolkes waren ausdauernd, und es fiel Heglen-Tur
nicht schwer, den Lauf über viele Zehnteltage beizubehalten. Natürlich wurde
er nach einer Weile etwas langsamer, aber er wusste, dass seine Kräfte
reichten; er schonte sich nur etwas, um genug Reserven für einen Kampf zu
haben. Aber kein Fleckbeißer begegnete ihm, lediglich ein wild lebender
Sandwühler, den er aber ignorierte, obwohl sein Magen Protest dagegen
erhob.
Kurz vor Sonnenuntergang bemerkte er eine spiralförmige Bewegung im
Sand. Seine Erfahrung ließ ihn in Schritt verfallen und schließlich stehen
bleiben. Noch immer bewegte sich vor ihm der Boden in winzigen
kreisförmigen Bahnen. Bald würde die Sonne untergehen, und wenn der Sand
seine Tageshitze abgestrahlt hatte, würde es in der Wüste schnell sehr kalt
werden. Dies war die Zeit, zu der bestimmte Wüstenbewohner den kühlen
Schutz des Sandes verließen und an seine Oberfläche kamen.
Heglen-Tur wusste, dass die Bewegung von einem Sandstecher
hervorgerufen wurde. Eigentlich war es für das Tier noch zu früh, an die
Oberfläche zu kommen. Vielleicht hatte es die Erschütterungen von Heglen-
Turs Schritten gespürt und hoffte auf nahe Beute. Sandstecher töteten auch
Tiere, die ungleich größer als sie selber waren. Die Natur hatte sie dazu mit
einem sehr starken und schnell wirkenden Gift ausgestattet.
Die Räuber hatten sechs Beine und eine durchscheinenden Haut, durch die
man die inneren Organe erkennen konnte. Ihr Hinterleib war nach oben
gekrümmt und wies an seinem Ende einen gebogenen tödlichen Giftstachel
auf, der in Richtung des Kopfes wies. Das Sandvolk kannte die Gefährlichkeit
dieser Tiere, dennoch gab es vor allem unter den Kindern gelegentlich
Todesopfer zu beklagen.
Doch die giftigen Wesen stellten auch einen wichtigen Rohstofflieferanten
für das Sandvolk dar. Daher nestelte der Jungmann ein kleines Behältnis von
seinem Gürtel und öffnete den Verschluss, um dann abzuwarten. Heglen-Tur
verharrte reglos, und sein Körper beschattete die Stelle im Sand, wodurch sich
dort der Boden abkühlte, bis der Sandstecher schließlich seine Deckung
verließ. Es reichte Heglen-Tur, den Ansatz des Stachels zu erkennen; mehr
brauchte er nicht, um zu reagieren. Blitzschnell stieß seine Hand vor, und
zwei Finger packten das Tier rechts und links des Stachels, noch bevor es
zustechen konnte. Heglen-Tur hatte es perfekt zu fassen bekommen und zog
es nun aus dem Sand heraus, dann nahm er den kleinen Behälter und drückte
den Stachel des Sandstechers gegen die Öffnung. Das Tier zappelte mit den
Beinen und krümmte seinen Leib, während der Stachel zu zucken begann.
Milchige Tropfen sammelten sich an dessen Spitze und sickerten zäh in den
kleinen Behälter.
Heglen-Tur drückte seine Finger behutsam rhythmisch zusammen und
regte so den Sandstecher an, auch den letzten Tropfen Gift in den Behälter
abzusondern. Dann setzte er das tödliche Tier auf den Sand zurück. Während
es sich hastig wieder eingrub, verschloss der Jungmann den Behälter und
schüttelte