doch der Hauptfeind des Sandvolkes bewegte sich nicht auf der Erde, sondern
darunter.
Sandwürmer sahen nicht besonders gut, und das brauchten sie auch nicht,
da sie im Wüstensand tief unter der Oberfläche lebten und nur nach oben
kamen, wenn sie etwas Fressbares entdeckt hatten. Sie nahmen Vibrationen
im Boden noch über große Entfernungen wahr, wobei sie besonders auf
gleichförmige Erschütterungen reagierten, wie Lebewesen sie bei der
Fortbewegung erzeugten. Ein Angehöriger des Sandvolkes lernte daher früh,
seine Füße in veränderlichem Rhythmus aufzusetzen.
Aber auch die Sandwürmer riefen Vibrationen hervor, wenn sie sich unter
der Oberfläche hindurchwühlten, und genau das machte man sich bei den
Plattformen zunutze. Denn auf ihnen erhoben sich Stangen mit dünnen
Metallplatten, die zu schwingen und zu klirren begannen, sobald sich ein
Sandwurm näherte. Und da die Plattformen mit Bedacht immer viele Längen
vor der Heimstatt errichtet wurden, hatten deren Bewohner im Falle eines
Alarms genug Zeit, um sich auf den Wurm vorzubereiten.
Es gab nicht viel, was ein Angehöriger des Sandvolkes gegen einen
Sandwurm aufzubieten hatte. Da war zum einen die Schnelligkeit seiner Füße
und zum anderen das Gift des Sandstechers, das allerdings eine bestimmte
Stelle im gewaltigen Maul des Wurms erreichen musste. Es war nicht leicht,
einen vergifteten Pfeilstachel in diese Stelle hineinzutreiben, und so versuchte
das Sandvolk lieber, dem Wurm rechtzeitig zu weichen oder seine
Aufmerksamkeit erst gar nicht zu erregen.
Ein Sandwurm verfügte neben seinem Vibrationssinn über die Fähigkeit,
eine Wärmequelle an der Oberfläche auszumachen, und so entfachte kein
Angehöriger des Sandvolkes ein Feuer direkt am Boden. Aus diesem Grund
erhoben sich auch die Wohnstätten der Clans auf Pfählen über dem
Wüstenboden. Das dazu benötigte Holz war jedoch einfacher zu erhalten,
denn die verwendeten Pfähle durften kürzer sein, und für die
Bodenplattformen der Häuser genügten sogar sorgsam gebundene
Knüppelhölzer. Die Feuer wurden stets klein gehalten, doch konnte man nicht
ganz auf sie verzichten, denn man musste kochen und brauchte in den eisigen
Wüstennächten auch eine Wärmequelle. Als Brennstoff wurden die reichlich
vorhandenen und schnell nachwachsenden Stachelpflanzen genutzt.
Aus deren Fasern wurden auch die halbkugelförmigen Zelte gefertigt, die
auf den Pfahlplattformen standen und als Behausung für die Menschen
dienten. Die Fasern wurden von den Frauen zugeschnitten, sorgfältig weich
gekaut und danach zu dicken Strängen geflochten, wodurch die Zelte
überraschend dicht waren und gut vor Wind und Sand schützten, sofern man
den Eingang sorgsam mit einem Fell oder einer Lederhaut bedeckte. Das bei
einem Regensturm herabstürzende Wasser ließ die getrockneten
Pflanzenfasern ungeheuer schnell aufquellen, sodass sie das Zeltdach
zuverlässig abdichteten.
In der Mitte jedes Hauszeltes erhob sich eine Steinplatte, auf der gekocht
und geheizt wurde und über der sich ein Loch im Zeltdach befand, durch das
Rauch und Gerüche abziehen konnten. Manchmal löschte ein besonders
starker Regen das Feuer, doch man störte sich nicht daran, denn in der Wüste
war Regenwasser kostbarer als Glut.
Der Regen brachte viel mehr Wasser als das Fleisch der Stachelpflanzen.
Wenn er fiel, sammelten die Menschen des Sandvolkes das Nass in
gebrannten Gefäßen und traten oft unbekleidet aus ihren Pfahlzelten heraus,
um die seltene Erfrischung zu genießen. Doch mitunter schwoll der Regen
zum Regensturm an, und das Wasser wurde zur Gefahr. Denn die riesigen
Tropfen schlugen mit großer Wucht vom Himmel herunter, sodass der
trockene Boden sie nicht schnell genug aufnehmen konnte. Pfützen bildeten
sich, wuchsen zusammen und bedrohten das Leben der Menschen, wenn sie
nicht rechtzeitig die hohen Pfahlzelte erreichten.
Die Pfahlbauten waren in konzentrischen Kreisen angeordnet. Die äußeren
Ringe waren den Zelten der Krieger vorbehalten, gefolgt von denen der
Nicht-Krieger. Die Eingänge wiesen ins Kreisäußere, sodass ein Angreifer
notfalls vom Zelt aus bekämpft werden konnte. Der innere Zeltring war den
Frauen und Kindern vorbehalten, die so am besten geschützt waren. Auch die
gebundenen Männer und Frauen mussten diese Trennung einhalten, denn
Tradition und Notwendigkeit verlangten es so. Wenn sie den hitzigen Drang
verspürten, einander zu bedecken, geschah dies in einem der dicht an dicht
stehenden Frauenzelte. Nicht selten gaben die zuhörenden Frauen später ihre
Kommentare ab, worüber nicht jeder der Krieger glücklich war.
In der Mitte der Heimstatt schließlich stand das Schädelhaus. Es wurde
von einem Geflecht aus Pfählen gestützt, denn es war ein großes Haus, in dem
der Kriegerrat zusammentrat und in dem die Trophäen seiner Streifzüge
aufbewahrt wurden. Die Eingänge wiesen in die vier Himmelsrichtungen, und
die Wände dazwischen waren mit den genommenen Schädeln bedeckt. Viele
Krieger traten in dem Rat zusammen, und es gab viele genommene Schädel,
daher hob sich die Kuppel des Schädelhauses weit über die anderen Pfahlzelte
empor.
Musste die Heimstatt verlegt werden, so wurden Pfahlzelte und Inventar
auf Schleppen aus Stachelpflanzenfasern verstaut, die von den Frauen
gezogen wurden, während die Kinder um sie herumtollten und die Krieger sie
beschützten.
Obgleich die Gebäude der Heimstatt aus Holz und Stachelpflanzen
bestanden, waren sie keineswegs schmucklos. Die Frauen nutzten die farbigen
Mineralien, die sie in Sand oder Gestein fanden, zerdrückten sie und mischten
sie mit Wasser zu einem Brei, mit dem sie das Holz oder die Pflanzenfasern
färbten. So zeigten sich die Gebäude der Heimstätten in verschiedenen