wiederfanden. Eine gelbe Färbung hingegen war selten und blieb den
Clanführern sowie den schädelreichsten Kriegern vorbehalten.
Je näher man dem Zentrum der Heimstatt kam, desto intensiver wurde der
Lärm, den schwatzende Frauen und spielende Kinder verursachten. Natürlich
trugen auch die Krieger hierzu bei, aber sie bezeichneten ihr Schwatzen
würdevoll als Erfahrungsaustausch. Dazwischen mischten sich das Grunzen
der Sandschnüffler und die zahlreichen Geräusche der täglichen
Verrichtungen.
Die Frauen waren es, die unter dem Schutz einzelner Krieger in die
Stachelpflanzenfelder gingen, mit ihren dicken Lederhandschuhen und
Langmessern die Stacheln brachen und die Pflanzen fällten, um sie in die
Heimstatt zu bringen. Die Krieger beteiligten sich an der Arbeit, indem sie
aufmerksam in die Umgebung spähten, gelegentlich etwas Pflanzenfleisch
naschten und die Stacheln danach begutachteten, welche von ihnen sich als
Stachelpfeile eignen würden.
Die Kinder kümmerten sich indes um die Sandschnüffler. Sie hörten dem
Grunzen und Quieken der haarlosen Geschöpfe zu, die mit ihren Schnauzen
schnüffelten und den Sand nach Insekten durchwühlten. Gelegentlich schwoll
das Quieken zu einem Brüllen an, wenn eines der Kinder an dem seltsam
geringelten Schwanz eines der Sandschnüffler zerrte. Die Tiere waren klein
und lebhaft und dienten als Fleischlieferanten des Sandvolkes, wenn man
einmal von gelegentlich erlegten Fleckbeißern absah. Zudem waren sie
genügsam und vermehrten sich rasch.
Das galt zwar auch für die Fleckbeißer, allerdings war es nicht leicht, einen
von ihnen zu erlegen. Obwohl nur halb so groß wie ein ausgewachsener
Krieger, war der Fleckbeißer ein wehrhaftes und schnelles Tier. Seine
Vorderläufe waren deutlich höher als seine Hinterläufe, wodurch der Räuber
den Eindruck vermittelte, als würde er sich nicht zwischen Sitzen und Stehen
entscheiden können. Doch das täuschte, denn er war ungeheuer schnell, und
der lang gestreckte Schädel mit den großen Fangzähnen machte ihn zu einem
gefährlichen Gegner. Zudem jagte der Fleckbeißer im Rudel, und ein Krieger
konnte sicher sein, dass er, sobald er einen Fleckbeißer sah, gleich einem
weiteren Dutzend der Biester begegnen würde. Ein einzelner Jäger hatte nur
dann eine Chance, wenn er auf ein altes Tier stieß, das von seinem Rudel
ausgestoßen worden war. Dann entschied allein die Schnelligkeit, wer am
Ende wessen Fleisch genoss. Dasjenige der Fleckbeißer war zäh und sehnig,
stellte aber dennoch eine willkommene Abwechslung zu dem der
Sandschnüffler dar, denn es hatte einen ganz eigenen, wenngleich sehr
scharfen Geschmack.
Heglen-Tur war ein Jäger, aber noch kein Krieger, weshalb es ihm bislang
verwehrt war, sich Heglen-Turik zu nennen. Er hatte noch keinen Schädel
vom Feind genommen, was den jungen Mann betrübte. Ein genommener
Schädel brachte Ehre und das Recht, eine Frau zu besteigen, und so sehnte
Heglen-Tur den Tag herbei, an dem er Ruhm ernten und das Besteigungsrecht
erhalten würde.
Heglen-Tur war nun fünfzehn Sommersonnen alt, und seine Bewährung
als Krieger stand kurz bevor. Der Rat der Clankrieger würde heute darüber
befinden, wann Heglen-Tur die erfahrenen Krieger auf einem Streifzug
begleiten durfte, damit er seinen ersten Schädel nehmen konnte. Einer jener
Streifzüge, die nach Norden, Nordosten oder Osten führten, wo jeweils eigene
Gefahren lauerten, die aber zugleich die Möglichkeit zur Schädelnahme und
damit auch zur Erlangung großen Ruhmes boten. Zwar wurden die Streifzüge
unternommen, um das kostbare Holz zu erlangen, doch Heglen-Tur empfand
das Nehmen eines Schädels als weitaus verlockender. Allerdings würde sich
niemand freiwillig seinen Schädel lösen lassen.
Im Norden befanden sich die ausgedehnten Waldgebiete des elfischen
Volkes, und Heglen-Tur hoffte insgeheim, dass ihn sein erster Streifzug nicht
zu ihnen führen würde, denn die Elfen waren ausgezeichnete Kämpfer und
tödlich gute Bogenschützen. Erfolg versprechender war der Zug nach
Nordosten, über einen der schmalen Gebirgspfade hinweg in das Land der
Zwerge, die dort in ihren unterirdischen Städten lebten. Auch die Zwerge
konnten kämpfen, aber sie bevorzugten Äxte als Waffen und waren nicht
besonders flinke Läufer, was sie zu einem angenehmen Ziel für die viel weiter
tragenden Pfeilrohre des Sandvolkes machte.
Es war nicht so, dass das Sandvolk einem guten Kampf aus dem Weg
gegangen wäre. Aber es brauchte viele Sonnenjahre, einen Krieger
heranzuziehen, und nur wenige Augenblicke, ihn zu töten. In der Wüste
wurde nichts verschwendet, schon gar nicht das Leben eines Sandmenschen.
Im Osten führte der Weg in die Westmark des Pferdevolkes. Jenes
Reitervolkes, welches vom Sandvolk einst aus dessen angestammter Heimat
vertrieben worden war, allerdings in einem langen und blutigen Kampf, der
viele Leben gekostet, aber auch viele Schädel eingebracht hatte. Noch immer
konnte man im Dünenland die Überreste alter Siedlungen finden, die im
steten Wechsel vom Sand bedeckt und durch den Wind wieder freigelegt
wurden.
Das Pferdevolk hatte einst zäh und tapfer gekämpft und die letzte große
Schlacht an der Grenze zum Dünenland gefochten, wo die Wache des zuvor
getöteten Königs die Flucht der anderen Menschenwesen gedeckt hatte. Es
war ein guter Kampf gewesen, der noch immer in den Liedern besungen
wurde, und das Sandvolk ehrte die besondere Tapferkeit der königlichen
Wache, indem es deren Schädel bewahrte und die Toten weiter an der Grenze
wachen ließ. Jeder junge Krieger hatte die Pflicht, den Toten des Pferdevolkes
die Ehre zu erweisen und ihre Überbleibsel zu pflegen, soweit die Wüste dies
zuließ.
Man