musste sich also notgedrungen gegen beide Bedrohungen wappnen. Ein
Drittel der Kavalleristen führte daher die klassischen Waffen, der Rest jene,
die man speziell gegen die Bestien entwickelt hatte: Tellerlanzen und
Quetschpfeile.
Die Abteilung ritt nun in Sechserkolonne. An den Außenseiten die Männer
mit den Tellerlanzen, dann folgten die Bogenschützen mit den Quetsch- und
Kriegspfeilen, und die Gardisten mit den gewöhnlichen Lanzen befanden sich
in der Mitte.
Hauptmann Bernot ta Geos war nach einem Gespräch zumute. Er glaubte
nicht mehr daran, dass sie die Irghil noch stellen würden. Missmutig sah er
seinen Kommandeur von der Seite an. »Die Lemarier sind Narren. Sie
benutzen nicht einmal die Signalspiegel, die wir ihnen gegeben haben. Sie
bräuchten uns nur nach Maratran zu signalisieren, dass sie Handelsware
haben oder Hilfe benötigen, und wir würden sofort aufbrechen und ihnen
beistehen.« Er spuckte verächtlich aus. »Stattdessen versuchen sie immer
wieder, sich an den Bestien vorbeizuschleichen und lassen sich abschlachten.
Narren. Verdammte Narren.«
»Sie mögen Narren sein«, seufzte der kleinere Reiter, »aber vor allem sind
sie stolz, und das ist etwas, was ich gut verstehen kann. An ihrer Stelle
würden wir vielleicht genauso handeln.«
Bernot lachte trocken. »An ihrer Stelle …« Der Hauptmann verstummte,
als der Kommandeur sich leicht im Sattel aufrichtete. »Was ist?«, fragte er
angespannt. »Könnt Ihr etwas sehen? Irghil?«
Die kleine Gestalt schüttelte zögernd den Kopf. »Nein, nicht sehen, mein
guter Bernot. Aber ich fühle, dass etwas nicht stimmt. Ich spüre ihre Nähe.«
Keiner der Gardereiter hätte über das Gespür des Kommandeurs gespottet.
Zu oft schon hatte es die Truppe rechtzeitig vor einer Bedrohung gewarnt.
Abermals wandte sich Bernot im Sattel um. »Haltet mir nur ja die Augen
offen, Gardisten. Rechnet mit der Hinterlist der verfluchten Irghil und seid auf
der Hut.«
Viele der Männer hatten bereits gegen die Bestien gekämpft und wussten,
wie trickreich und mörderisch sie waren. Doch selbst die Erfahrensten unter
ihnen wurden überrascht, als die Irghil dann tatsächlich erschienen. Es war,
als würden sie plötzlich vor ihnen aus dem Boden wachsen.
Vor dem Beritt hatte sich die grasbedeckte Ebene ausgebreitet, und jeder
der Reiter hatte genau darauf geachtet, ob nicht eines der zahlreichen
Gebüsche oder eine der Baumgruppen als Versteck für einen Irghil geeignet
war. Den scheinbar unberührten Boden hatten sie vernachlässigt. Doch dann
brach unmittelbar vor ihnen die Grasnarbe auf, und die runden Panzerleiber
der Irghil schoben sich aus der Erde hervor. Kampfeslustig reckten sie ihre
mächtigen Scheren vor, während sie auf ihren acht Beinen auf die Alnoer
zuhasteten. Sie hatten die Größe eines ausgewachsenen Pferdes und waren
schnell. Sehr schnell.
Den alnoischen Gardisten blieb nur wenig Zeit, doch die wussten sie zu
nutzen.
Der kleine Kommandeur reckte sich im Sattel, und seine Stimme klang
nun gar nicht mehr sanft. »Erster Halbberitt, absitzen und Front bilden!
Zweiter Halbberitt, lasst die Bestien nicht in unseren Rücken gelangen!«
Der Signalbläser gab ein schmetterndes Hornsignal und bemühte sich
gemeinsam mit dem Bannerträger, dicht an dem Offizier mit den drei Federn
zu bleiben.
Die Irghil, es waren rund zwanzig der riesigen krebsartigen Kreaturen,
stürmten von halblinks heran. Der ihnen zugewandte erste Halbberitt sprang
von den Pferden und hastete ein paar Schritte nach vorne. Die Bewegungen
waren oft geübt worden, und die Disziplin der Garde siegte über die Angst
der Männer beim Anblick des gepanzerten Schreckens.
»Den richtigen Winkel«, schrie Hauptmann ta Geos. »Achtet darauf, die
Lanzen korrekt zu setzen! Den richtigen Winkel!«
Gardisten mit Tellerlanzen bildeten die vorderste Front. Die Waffen waren
ein wenig länger als normale Stoßlanzen. Zwei Handbreit oberhalb des
stählernen Bodendorns führte der Schaft durch einen breiten Metallteller.
Dieser war an einer Seite angeschnitten, sodass ein Gardist die Lanze bequem
im Steigbügelschuh führen konnte. Eine Länge unterhalb der scharfen Spitze
befand sich ein zweiter Teller. Die Lanzen waren unhandlich und schwer,
doch ihr Sinn wurde sofort verständlich, wenn man sah, wie die Gardisten sie
handhabten. Sie rammten sie mit den Bodendornen in den Grund und neigten
die Schäfte im schrägen Winkel. Einen Fuß stellten sie auf den unteren Teller
und stabilisierten so die Lanze. Die Irghil konnten schnell laufen, aber sie
konnten nicht springen. Wurden die Lanzen korrekt ausgerichtet, befanden
sich deren Spitzen genau in der richtigen Höhe, um sich in die Leiber der
anrennenden Bestien zu bohren.
Zwei Schritte hinter den Lanzenträgern gingen die Bogenschützen in
Stellung. Sie hatten die normalen Kriegspfeile am Sattel gelassen und führten
nur die Köcher mit den Quetschpfeilen mit sich. Sobald sie bereit waren,
begannen sie zu schießen.
Der Leib eines Irghil war durch eine dicke Schicht Chitin gepanzert und
zudem stark gerundet. Man brauchte unglaubliches Glück, um diesen
natürlichen Schutz mit der scharfen Spitze eines Kriegspfeils zu
durchdringen. Die Quetschpfeile, die nun auf die Bestien zuschwirrten, waren
nicht so elegant wie ein normaler Pfeil. Ihre Spitzen glichen einer geballten
Faust und hatten auch deren Größe. Die Geschosse flogen daher nicht weit
und ließen sich schlecht zielen. Und während man Kriegspfeile
wiederverwenden konnte, wurden Quetschpfeile beim Aufschlag zerstört.
Aber ihre Wirkung war verheerend.
Die Spitzen