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      Zumindest begriff Nedeam, das Larwyn äußerst rührig war und wohl sehr

      eindeutige Anweisungen gegeben hatte. Wenn er nicht gewusst hätte, dass sie

      damit nur den Traditionen des Pferdevolkes nachkam, wäre er sich

      bevormundet vorgekommen.

      »Ihr habt euch alle gegen mich verschworen«, sagte er mit halbherzigem

      Lächeln. »Und wann darf ich meinen Kerker verlassen?«

      »Die Herrin Larwyn und deine Mutter Meowyn besprechen sich gerade

      mit den Elfen, um den Ablauf der Zeremonie festzulegen.« Tasmund leckte

      sich über die Lippen. »Bedenke, dass dies auch für die Elfen ein besonderer

      Tag ist. Sie verlassen nun endgültig das Land, und ihre letzte Begegnung mit

      uns Menschen wird die Vermählung einer Elfin mit einem Pferdelord sein. Da

      geht es auch um Symbolik, Nedeam.«

      Olruk nickte ernsthaft. »Du hättest dir wirklich einen ordentlichen Bart

      zulegen sollen. Wenigstens für diesen Anlass.«

      »Unsinn, Olruk, alter Freund, was erzählt Ihr da? Einem zarten elfischen

      Antlitz kann man nicht zumuten, sich in ein Gestrüpp wie das Eure zu

      schmiegen.«

      Es war unzweifelhaft Dorkemunts Stimme, und in Nedeams Kammer

      wurde es etwas eng, als nun auch der kleinwüchsige Pferdelord zu ihnen

      hereintrat. Noch während Nedeam und Olruk ihren Freund herzlich

      begrüßten, zwängte sich eine weitere Gestalt herein. Sie war riesig, und ein

      langer brauner Umhang verhüllte ihren Körper, während eine weit

      geschnittene Kapuze das Gesicht verbarg.

      Olruk schnappte instinktiv nach Luft, und automatisch fuhren seine Hände

      hoch zu seinen Schultern. Normalerweise befanden sich dort die Griffe seiner

      Kampfäxte, die er, wie jeder Zwergenkrieger, in Futteralen auf dem Rücken

      trug. Doch an diesem Tag hatte er sein Festgewand angetan und keine Äxte

      dabei. Als ihm dies bewusst wurde, verkrampften sich seine Hände für einen

      Augenblick.

      Dorkemunt trat hastig zwischen den Zwerg und die zuletzt eingetretene

      Person.

      »Ich kenne diesen Gestank«, ächzte Olruk. »Sagt mir, dass es nicht wahr

      ist, Dorkemunt, mein Freund.«

      »Es ist wahr«, erwiderte dieser schlicht. »Es herrscht eine Art, äh, Frieden

      zwischen uns.«

      »Also stimmen die Gerüchte«, murmelte der Zwerg benommen. »Eine

      Bestie lebt unter dem Schutz des Pferdevolkes.«

      Die Gestalt in dem Kapuzenmantel versteifte sich, aber sie schwieg, wenn

      man einmal von einem leisen Knurren absah. Dorkemunt blickte den kleinen

      Freund beschwörend an. »Es gibt eine Übereinkunft zwischen ihm und mir,

      Olruk. Er heißt Fangschlag und ist ein orkisches Rundohr. Einst führte er

      mehrere ihrer Legionen. Er ist ein ehrenhafter Kämpfer.«

      »Kein Ork hat Ehre«, zischte der Zwerg.

      Das Rundohr machte eine Bewegung, als wolle es den kleinen Mann

      packen. Nun trat auch Nedeam hastig dazwischen. »Haltet Frieden«, mahnte

      er. »Dieses Rundohr hat Ehre. Darauf gebe ich Euch mein Wort, Olruk.

      Fangschlag ist nun schon seit drei Jahreswenden bei uns. Er lebt mit

      Dorkemunt draußen auf unserem alten Gehöft.«

      Dorkemunt nickte bestätigend. »Auch die brave Witwe Henelyn und ihre

      Söhne Anderim und Lenim leben dort. Sie haben sich an ihn gewöhnt.«

      Dorkemunt verschwieg die Schwierigkeiten, die es am Anfang gegeben

      hatte. Die Orks des Schwarzen Lords waren die Feinde aller Menschen. Wo

      man aufeinandertraf, floss das rote Blut der einen oder das dunkle der anderen

      Seite. Henelyn hatte ihren Mann Kelmos im Kampf gegen die Bestien

      verloren, und der kleine Pferdelord wusste noch immer nicht genau, wie er es

      vollbracht hatte, dass der Boden des eigenen Gehöfts nicht ebenfalls von Blut

      getränkt wurde, als er mit dem Rundohr dort auftauchte. Es hatte vieler

      Gespräche bedurft, und manche Tränen waren geflossen, bis Henelyn

      zustimmte, Fangschlag eine kleine Hütte auf dem Gehöft beziehen zu lassen.

      Sie betrachtete den Ork mit Misstrauen, und seit seiner Ankunft trugen ihre

      Söhne immer eine Waffe bei sich. Dorkemunt wusste, dass das riesige

      Rundohr die drei mühelos hätte töten können. Doch der Krieger hielt sich an

      das Versprechen, das er Dorkemunt und den Pferdelords gegeben hatte. Er

      würde keinem Angehörigen des Pferdevolkes etwas zu Leide tun, bis er

      seinen Schwur erfüllt und den Ork Einohr getötet hatte. Der inbrünstige Hass

      auf dieses hinterlistige Spitzohr hielt Fangschlag auch jetzt davon ab, gegen

      Olruk vorzugehen.

      Dorkemunt sah seinen Freund Nedeam bittend an. »Ich wollte ihn nicht

      allein auf dem Gehöft lassen, Nedeam. Nicht wegen Henelyn und ihren

      Söhnen. Aber du weißt, dass viele Bewohner der Mark nicht damit

      einverstanden sind, dass sich ein Rundohr unter uns befindet. Es ist besser,

      wenn ich in seiner Nähe bin und jeden Übergriff verhindern kann. Ich habe

      ihn in die Burg geschmuggelt, was bei dem Trubel nicht besonders schwer

      war. Natürlich kann er nicht an der Zeremonie teilnehmen«, schränkte

      Dorkemunt hastig ein. »Doch du könntest ihm deine Kammer zur Verfügung

      stellen. Hier kann er sich verbergen, bis die Gäste wieder abgereist sind.«

      Nedeam nickte zögernd. Auch wenn er die Ehrenhaftigkeit Fangschlags

      anerkannte, so war es doch ein unangenehmes Gefühl, eine ungezähmte

      Bestie, die nur durch ihr Wort gebunden war, in der Nähe zu wissen. »Schön,

      er kann meine Kammer benutzen, bis alles vorüber ist.«

      Sie beschworen Olruk, über die Anwesenheit des Orks zu schweigen. Ihre

      ganze Überredungskunst mussten sie aufwenden, bis der Zwerg endlich

      einwilligte. Schließlich seufzte Dorkemunt erleichtert. »Schön, dann sollten

      wir nun gehen. Du wirst hier bleiben und nichts anstellen, nicht wahr,

      Fangschlag?«