Hoffnung, dadurch Nedeams Leben und so das Glück der beiden verlängern
zu können. Es musste ein kostbares und wohlbehütetes Geheimnis gewesen
sein, da selbst Llaranya ahnungslos gewesen war. Nedeam begriff nun auch
den Konflikt, in dem sich der Elf befand. Das Lebenswasser reichte nur für
eine Person. Fraglos hätte sich Jalan für Nedeam entschieden, doch er spürte
die tiefe Verbundenheit der Anwesenden mit der dem Tod geweihten Larwyn.
»Sie soll es erhalten«, entschied Nedeam ohne langes Zögern. »Sie muss es
erhalten.«
Jalan nickte und übergab das Gefäß an Leoryn. Diese flößte der Herrin der
Hochmark die sirupartige Flüssigkeit ein. Nun warteten alle gespannt, ob sich
Larwyns Zustand bessern würde. Nach einigen Augenblicken entspannte sich
ihr verkrampfter Körper. Sie schöpften schon Hoffnung, doch dann schüttelte
Leoryn bedauernd den Kopf.
»Das Lebenswasser wirkt«, flüsterte sie. »Es hält die Vergiftung auf oder
verzögert sie zumindest. Aber es ist nicht genug, um das Gift wirksam zu
bekämpfen und Larwyn genesen zu lassen.«
Nedeam stieß einen Seufzer der Enttäuschung aus. »Dann ist sie endgültig
verloren?«
»Nicht unbedingt.« Die elfische Heilerin richtete sich ächzend auf. »Das
Lebenswasser zögert den Tod hinaus. Wenn wir mehr davon hätten …«
Jalan erkannte die unausgesprochene Frage und schüttelte den Kopf. »Das
war alles, was ich besaß. Es tut mir leid.«
»Das Wasser muss doch von irgendwoher kommen«, wandte Llaranya ein.
»Beschaffen wir einfach mehr davon.«
»Einfach?« Jalan sah seine Tochter betrübt an. »Ich weiß nicht einmal,
woher es stammt.«
»Woher habt Ihr das Gefäß?«
»Von den Grauen Zauberern, die das Haus Deshay mit ihrem Bann
belegten«, erwiderte Jalan. »Aber nicht einmal das vermag ich genau zu
sagen. Wir fanden das Gefäß, nachdem das Haus befreit war. Ich erkannte die
Flüssigkeit anhand der alten Schriften unseres Hauses.«
»Von den Grauen? Und die elfischen Schriften enthalten Hinweise dazu?«
Nedeam schöpfte neue Hoffnung. Im Kampf um das Haus Deshay hatte er mit
Llaranyas Hilfe einen der Grauen Magier bezwungen. Und er würde sich
erneut einem dieser schrecklichen Wesen stellen, wenn er dadurch Larwyns
Leben retten konnte.
»Die Hinweise sind nur undeutlich«, erklärte Jalan. »Ihr versteht bestimmt,
dass dieses Lebenswasser für uns Elfen nicht sonderlich von Belang war. Wir
sind unsterblich und benötigen derartige Mittel nicht.«
»Ja, das verstehe ich. Doch was sagen denn nun Eure Schriften?«
»Nur, dass es das Lebenswasser gibt und sich seine Quelle irgendwo im
Süden befinden soll.«
»Das ist nicht gerade viel«, brummte Nedeam enttäuscht.
»Die Grauen kannten die Quelle, doch wir können sie schwerlich danach
fragen.«
Nein, das konnten sie nicht. Die Grauen Zauberer, die so lange
wohlwollend die Geschicke der Menschen begleitet hatten, waren
verschwunden oder dem Schwarzen Lord verfallen. Selbst die Weißen
Zauberer schienen Vergangenheit zu sein. Sollte sich die Hoffnung, Larwyn
mit dem Lebenswasser retten zu können, nun doch wieder zerschlagen?
Enttäuscht ging er zu dem Stuhl hinüber, den Larwyn wohl in dieser Nacht
benutzt hatte, und setzte sich. Er wollte sich gerade anlehnen, als Elodarion
aufschrie. Der Elf sprang vor, packte Nedeam am Arm und zerrte ihn von
dem Sitzmöbel herunter. Nedeam stieß unwillkürlich einen leisen Fluch aus,
bis er Elodarions entsetzte Miene sah.
»In der Lehne«, ächzte der leichenblasse Elf. »In dem Polster steckt
etwas.«
Nedeam wandte sich erschrocken um. Und als Elodarion auf die Stelle
wies, sah er es auch. »Bei den Finsteren Abgründen. Welch eine
Niedertracht!«
Im Rückenpolster des Stuhls steckte ein spitzer Gegenstand, den man nur
bei genauem Hinsehen erkennen konnte. Larwyn hatte ihn sicher nicht
bemerkt, als sie Platz genommen und sich angelehnt hatte, wobei sie sich die
Spitze dann selbst ins Fleisch gestoßen haben muss.
»Nicht berühren«, warnte Elodarion. »Es ist einer der Stachelpfeile der
Sandmenschen.«
»Ja, ohne Zweifel.«
Nedeam blickte auf, als im vorderen Hof der Burg ein Hornsignal ertönte.
Das Klappern von Hufen und Kommandos waren zu hören. Es war nur eine
kleine Schar, und er ahnte, wer dort zu früher Morgenstunde in die Burg
einritt. Sein Gespür sollte ihn nicht täuschen.
Einen Augenblick später pochte es an der Tür, und Kormund blickte
herein. »Der Hohe Lord Garwin ist soeben eingetroffen.«
Das Gesicht des alten Kämpen war von Sorge um die Herrin gezeichnet.
Wahrscheinlich würde er sich noch zusätzlich Vorwürfe machen, wenn er von
dem feigen Mordanschlag erfuhr, obwohl er ihn kaum hätte verhindern
können.
Als der Pferdefürst die Treppe emporkam, fuhr Kormund herum. Er
machte eine knappe Ehrenbezeugung und verließ den Raum. Garwin
bevorzugte wie sein Vater Garodem schlichte Gewänder. Er trug ein
einfaches blaues Wams und helle lederbesetzte Reithosen. Dazu die typischen
rotbraunen Stiefel und ein ebensolches Wehrgehänge, in dem Dolch und
Schwert steckten. Statt des üblichen Grüns hatte er für seinen Umhang einen
blauen Farbton gewählt, der dem der elfischen Überwürfe glich.
»Die Torwache berichtete mir, meine Mutter sei ernsthaft erkrankt«, sagte
er