Kapitel 5
Es war dämmrig in der Höhle, und Danot’Nelat hatte die Schutzdeckel seiner
Augenstiele weit geöffnet. Aus den Schatten schälten sich klare Konturen
heraus. Nelat war einer der ältesten Irghil, und sein einst strahlend blauer
Panzer hatte sich an der Bauchseite grau gefärbt. Er faltete die Kampfscheren
auf den Rücken und schob die kleineren Arbeitsarme unter dem Maul hervor.
Sorgfältig befreite er die Augenstiele und seine kräftigen Mandibeln vom
Schmutz der Außenwelt. Zwei seiner drei Augen richteten sich auf die in der
Höhle versammelten Irghil.
Es handelte sich um zwei kampferprobte Dan, die Krieger der Irghil, und
den Tar, wie der Hüter der Eier genannt wurde. Die drei Irghil hatten heftig
miteinander diskutiert. Danot’Nelat hatte das leise Klappern ihrer
Arbeitszangen bis zum Höhleneingang gehört. Seit seinem Erscheinen
schwiegen die anderen respektvoll und nickten ihm nun zur Begrüßung mit
den Augenstielen zu.
Dan’Pharant war der Erste der Dan, der Führer der Krieger. Er kreuzte die
äußeren Augenstiele, um anzuzeigen, dass er etwas zu sagen hatte. Nelat
knickte den mittleren Stiel zustimmend ein.
Dan’Pharants Arbeitszangen begannen in einem bestimmten Rhythmus zu
klappern. Für die Irghil war diese Verständigungsform ebenso vielseitig wie
das gesprochene Wort bei anderen Völkern. »Die Gepanzerten der
Weichhäutigen haben neue Waffen.«
Danot’Nelat knickte zustimmend. »Ich habe davon gehört. Habt ihr die
ungepanzerten Weichhäuter töten können?«
Dan’Pharant erlaubte sich das Äquivalent eines bösartigen Grinsens.
»Einer konnte entkommen und rief die Gepanzerten herbei. So wie es geplant
war. Aber sie liefen uns nicht direkt zwischen die Scheren, und es waren
mehr, als wir erwartet hatten. Die Waffen sind schrecklich. Fliegende Äste,
die unsere Panzer durchschlagen, und Stachel, die sie uns in den Leib
rammen. Wir konnten einige der ihren töten, aber nicht alle.
»Nicht alle«, stimmte der andere Dan zu. »Aber die Überlebenden sind
abgezogen.«
»Sie werden wiederkommen«, klapperte Danot’Nelat unbehaglich. »Dann
müssen wir besser vorbereitet sein. Wir müssen sie alle zerschneiden.« Eher
unbewusst öffnete und schloss er seine Kampfscheren. »Keiner der
Gepanzerten darf entkommen. Alle Weichhäutigen müssen sterben.«
»Wir werden sie alle töten«, bekräftigte Dan’Pharant.
Nelat wandte sich dem Tar zu. »Wie viele sind im kommenden Wurf?«
Der Hüter der Eier kratzte sich am Bauchpanzer.
»Zweihundertdreiundsechszig. Davon fünf Weibchen.«
»Das ist gut. Mehr Weibchen als üblich. Das gibt mehr Eier.« Der Erste
der Dan kreuzte zustimmend die Augenstiele.
»Es ist unsere Natur, Dan’Pharant. Je mehr Verluste wir haben, desto mehr
Weibchen werden schlüpfen, um die Zahlen auszugleichen.« Nelat wandte
sich erneut dem Tar zu. »Sind die Dan aus dem vorletzten Wurf bereit?«
»Sie sind bereit und wetzen ihre Scheren«, versicherte der Hüter der Eier.
Danot’Nelats mittlerer Augenstiel senkte sich zustimmend. »Gut. Sehr gut.
Wir werden alle Weichhäuter töten. Nicht einer von ihnen darf überleben.«
Kapitel 6
Die elfische Heilerin Leoryn und ihre menschliche Freundin und Schülerin
Meowyn trugen kaum mehr als ihre Nachtgewänder. Die Elfin hatte sich
hastig einen Gürtel umgelegt, an dem sich zahlreiche Täschchen und
Beutelchen befanden, gefüllt mit den Utensilien ihrer Heilkunst. Meowyn, die
Heilerin von Eternas, hatte einen der Schwertmänner in ihre
Behandlungsstube gesandt, damit er von dort holte, wonach die Elfin verlangt
hatte.
Leoryn duldete sonst nur noch Nedeam und Llaranya im Raum. Alle
anderen hatte sie mit energischen Worten hinausgeschickt. Bislang wusste
man nur, dass Larwyn schwer erkrankt war, doch niemand kannte die
Ursache. Die Burg erwachte, und langsam kamen auch jene auf die Beine, die
nach dem Gelage noch nicht wieder sicher stehen konnten. Der besorgte
Tasmund scheuchte alle Schwertmänner auf die Posten und stieß immer
wieder Flüche gegen das Blor des Zwergenvolkes aus. Der alte Kämpfer
spürte Unbehagen angesichts einer Gefahr, die man nicht sehen konnte.
Obwohl er mit einer Heilerin vermählt war, blieben ihm Krankheiten
unheimlich, und es wäre ihm lieber gewesen, ein Feind hätte Eternas berannt,
denn ihm hätte man sich stellen können.
»Sie hat das Gleiche gegessen und getrunken wie wir alle«, sinnierte
Meowyn, besorgt um ihre Herrin und Freundin. »Und in geringerem Maße.«
Leoryn sah sich im Amtsraum um und deutete auf einen Krug, der auf dem
Schreibtisch stand. »Was ist damit?«
»Es ist normales Wasser«, murmelte Nedeam. Er erblasste ein wenig. »Ich
… ich habe vorhin einen Schluck davon getrunken.«
»Schön, dann muss es wohl in Ordnung sein«, sagte die Elfin beruhigt.
»Du hast schließlich keine Krämpfe und auch keinen Schaum vorm Mund.«
»Es gibt langsam wirkende Gifte«, warf Llaranya ein.
Nedeams Augen verengten sich. »Ihr meint, die Herrin wurde vergiftet?
Sie ist gar nicht erkrankt?«
»Auch Verdorbenes kann zu einem Gift werden«, versicherte Leoryn.
»Doch das scheint es nicht zu sein. Die Anzeichen deuten auf den
Giftspeichel der Eriat-Schlange.« Sie sah Meowyn an. »Wir müssen sie
entkleiden. Ich muss sehen, ob es Spuren eines Bisses gibt.«
»Hier herauf