der Sandmenschen hat. Jemand, der mit den Gepflogenheiten der Hohen
Dame Larwyn vertraut ist und bei den Bewohnern der Burg kein Misstrauen
erweckt.«
Nedeam seufzte betrübt, denn die Konsequenzen waren fatal. »Einige der
Pferdelords, die vor Jahreswenden unter Garodems Befehl nach dem alten
Banner des Ersten Königs forschten, brachten zur Erinnerung Waffen der
Clans mit in die Hochmark. Eine der Schädelkeulen hängt sogar in Malvins
›Donnerhuf‹. Unter diesen Erinnerungsstücken befinden sich auch
Stachelpfeile und vielleicht sogar das Gift des Sandstechers.«
Garwin runzelte die Stirn. »Ihr meint, es war ein Pferdelord? Einer der
unseren? Unmöglich!«
Nedeam nickte bedrückt. »Ich würde mein Leben für jeden verpfänden, der
damals in die Wüste ritt, und doch kann es nicht anders sein.« Er zuckte die
Schultern. »Es gibt Handel mit den Turiks, aber ihre Stachelpfeile und das
Gift hüten sie gut. Vor allem das Gift. Es ist sehr wertvoll für sie, denn es ist
schwer zu bekommen. Also muss es damals jemand mit in die Mark gebracht
haben.«
»Ihr verwahrt nicht zufällig selbst ein solches Andenken?«
»Nein«, knurrte Nedeam empört. »Glaubt Ihr etwa, ich würde …?«
»Natürlich nicht.« Garwin machte eine beschwichtigende Handbewegung.
»Ich kenne Eure Treue zu meiner Mutter. Auf Euch fällt nicht der Schatten
eines Verdachts.« Der Pferdefürst legte die Fingerspitzen aneinander. »Ich
kann und will nicht glauben, dass ein Pferdelord oder gar ein Schwertmann zu
solcher Niedertracht fähig wäre. Meine Mutter wird vom einfachen Volk
verehrt und besitzt den Respekt jedes einzelnen Pferdelords. Niemand hat
Grund, ihr ein Leid zuzufügen. Aber sagt einmal, Nedeam, ritt damals nicht
auch der Nagerjäger Barus mit Euch hinaus?«
»Ja, und er hat sich bewährt«, bestätigte Nedeam. »Auch er wäre zu einer
solchen Tat nicht fähig.«
Wer Barus kannte, wusste, dass der Nagerjäger mit seiner Keule gegen die
Sandmenschen gezogen war. Die Vorstellung, er würde eine andere Waffe
auch nur anrühren, war vollkommen abwegig.
»Schön, schön, aber irgendjemand war offensichtlich dazu fähig.« Garwin
warf einen nachdenklichen Blick aus dem Fenster und trat dann hinter den
Schreibtisch zurück. Geistesabwesend musterte er abermals die elfische
Karte. Seine Finger folgten dem Verlauf der Schraffuren, so, wie es die seines
Vaters oft getan hatten. Sein Zeigefinger verharrte auf dem Dünenland. Dann
wandte er sich abrupt um. »Ah, wartet. Wartet … Sagt einmal, Nedeam,
waren in jene Kämpfe nicht auch Orks verwickelt? Ja, jetzt fällt es mir wieder
ein. Mein Vater berichtete mir davon. Ihr und Euer Freund Dorkemunt, Ihr
wurdet in einem Lager der Sandmenschen von den Bestien angegriffen, nicht
wahr?«
»Ja. Die Bestien wurden besiegt. Wem von ihnen die Flucht aus der Wüste
gelang, der wurde von den Zwergenkriegern König Balruks niedergemacht.
Nur eine Handvoll entkam …« Nedeam verstummte nachdenklich.
Garwin lächelte, als er das Zögern seines Ersten Schwertmanns bemerkte.
»Ja, nur eine Handvoll. War nicht auch das Rundohr Fangschlag darunter?«
Nedeam verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Unbewusst wippte er
auf den Füßen.
»Er könnte Gift und Stachelpfeile eines Sandmenschen erbeutet haben«,
sagte Elodarion leise.
»Und es mit sich führen? Über so viele Jahreswenden?« Nedeam schüttelte
den Kopf. »Nein, das entspräche nicht seiner Art. Auf seine Weise ist er ein
ehrenhafter Krieger.«
»Er ist eine Bestie!«, schrie Garwin auf und schlug mit der flachen Hand
auf den Schreibtisch. »Vergesst das nicht, Erster Schwertmann! Eine wilde
Bestie, dazu bestimmt, Menschen abzuschlachten!«
»Er hat sich uns ergeben und geschworen, uns kein Leid zuzufügen, bis
…«
Garwin sah Nedeam spöttisch an. »Ja, sprecht nur weiter. Aber glaubt
nicht, ich würde die Wahrheit nicht kennen. Jeder in der Hochmark hat von
dem Schwur der Bestie gehört.«
Elodarion sah Nedeam fragend an. »Ich verstehe nicht. Ich hörte Gerüchte,
doch erklärt mir bitte, was es damit auf sich hat.«
Garwin blickte auffordernd zu Nedeam. »Erklärt es dem Hohen Lord der
Elfen, Erster Schwertmann. Erzählt ihm, was sich in der nördlichen Öde
zutrug.«
Und so berichtete der Pferdelord von dem Zweikampf zwischen
Dorkemunt und Fangschlag in der Öde des toten Reiches Rushaan. »Die
beiden trafen vorher schon einmal aufeinander, bei der Schlacht um
Merdonan«, fuhr er fort. »Dorkemunt verlor damals seine Waffe, doch das
Rundohr wartete, bis er sie wieder aufgehoben hatte. Mein alter Freund ist der
beste und tapferste Pferdelord, den ich kenne, Hoher Lord Elodarion, doch er
kommt allmählich in die Jahre«, sagte Nedeam entschuldigend. Der Elfe
nickte verständnisvoll. Kaum jemand kannte das langsame Vergehen der
Menschen besser als das elfische Volk. Nicht zuletzt aus diesem Grund
pflegte es auch kaum Beziehungen zu den Sterblichen, denn man wollte ihr
Verwelken nicht betrauern müssen. »Fangschlag hätte ihn im ehrlichen
Zweikampf bezwungen. Bei allen Abgründen, er hätte ihn wahrhaftig besiegt.
Aber dann schlossen beide einen Waffenstillstand. Sie wollen ihren
Zweikampf fortsetzen, wenn das verräterische Spitzohr Einohr tot zu ihren
Füßen liegt. Fangschlag hasst Einohr aus tiefstem Herzen und hat dem Dienst
des Schwarzen Lords entsagt, um ihn zur Strecke zu bringen. Seitdem ist er in
Dorkemunts Obhut.«
»Er