Ringeln ihm eine große und glänzende Schlange
entgegen, die trug auf dem Haupt eine goldene
Krone und im Maul ein großes Bund Schlüssel, die
glitzerten und klingelten wie Silber. Der Häcker entsetzte
sich, hob seinen Karst, um nach der Schlange
zu schlagen, da sah ihn die Schlange wehmüthig an,
und bezauberte ihn mit ihrem Blick, daß er regungslos
stand, und da sah er denn, daß sie weinte wie ein
Kind. Als das einige Minuten gedauert, schwand die
Schlange in die Erde, und war ihm aus den Augen und
hinweg und war nirgends im Boden ein Loch zu
sehen.
Kapitel 12
221. Ausgehackte Frösche.
Die vor. Schriften.
Einem Weinhäcker aus Schweinfurt begegnete unter
der Petersstirn bei der Mainleite etwas sehr Seltsames.
Er war mit seiner Frau mit Brechen des Weinbergs,
der unmittelbar unter der Trümmerstätte liegt,
beschäftigt; die Frau hackte sehr fleißig, und mit
einem Mal hackte sie bei jedem Schlag in die Erde
einen Frosch heraus. So mochte sie wohl fünf oder
sechs Frösche herausgehackt haben, als es ihr auffiel
und sie zu ihrem Manne sagte: »Pfui! Was sind das
garstige Frösche.« Und jetzt kamen keine mehr. Und
der Mann, näher tretend, bückte sich nach den Fröschen
und sah keine, wohl aber leuchteten so viele
Goldstücke, als zuvor Frösche zum Vorschein gekommen
waren, am Boden. Die hob er auf und steckte sie
ein, und zankte seine Frau, daß sie nicht stillschweigend
fortgehackt. Beide hackten und brachten den
ganzen Tag damit zu, es gab aber keine Goldfrösche
mehr.
222. Auferstandene Frau.
B e c h s t e i n S. 166.
Auf dem Schweinfurter Gottesacker ist ein alter Grabstein
mit dem lebensgroßen Bildniß einer vornehmen
Frau zu sehen, welche ein eingewickeltes Kind zu
ihren Füßen liegen hat. Diese war die Frau eines Syndikus
Albert. Man sagt von ihr, daß sie sehr schnell
und plötzlich gestorben sei, und als ihr Tod erfolgt
war, wurde sie unter einem Schwibbogen, in welchem
sich ihr Familienbegräbniß befand, beigesetzt. Ihr zurückgelassener
Gatte betrauerte sie sehr aufrichtig.
Der Todtengräber, ein habgieriger Mann, hatte jedoch
an dem Finger der Leiche einen kostbaren Ring bemerkt,
den er der Todten nicht lassen wollte; er machte
sich daher des Nachts heimlich auf, hob den Sargdeckel
ab, und wollte der Leiche den Ring vom Finger
ziehen; da richtete sich diese plötzlich auf. Entsetzt
lief der Todtengräber davon; die Frau im weißen Todtengewande
entstieg ihrem Sarg, wandelte ihm nach,
und kam ruhigen Ganges vor ihr Haus, wo sie anläutete.
Eine Magd sieht zum Fenster hinaus: »Wer da?«
»Ich bin's, die Frau! Oeffne!« Schreiend stürzt die
Dienerin zu ihrem Herrn: »Die Frau ist unten an der
Thüre, ich habe sie an der Stimme erkannt!« – Der
Herr schüttelt ungläubig den Kopf, und läßt seinen
Diener hinaussehen. »Oeffne mir um Gotteswillen!
Ich komme um vor Kälte!« Da eilt auch der Diener
rasch zum Herrn: »Es ist die Frau, ich erkenne sie an
ihrer Stimme.« – Der Herr aber sagte: »Ihr seid Thoren
und dümmer wie das Vieh! Wenn meine Pferde
zum Fenster hinaussähen, würden sie gescheidter antworten,
als ihr!« Kaum ist das Wort gesprochen, so
kommt es mit Gelärm und mit Gepolter die Treppe
herauf, und stampft und trappt und wiehert, – die
Pferde sind's – zur Stube herein, und sie stecken die
Köpfe durch die Fenster, daß die Scheiben klirren und
die Flügelbänder brechen, und beide sehen den Vorsaal
hinab zum Fenster hinaus und wiehern. Nun läßt
der Herr, erschrocken, schleunig öffnen, und die halberstarrte
Frau wird zu Bette gebracht und geneset bald
darauf eines Töchterleins. Doch Mutter und Kind lebten
nicht lange mehr, und die erste wurde zum zweiten
Male begraben, und beiden dieser Grabstein zum Andenken
gesetzt. Alle Jahre am ersten Ostertage ist eine
wahre Wallfahrt nach dem Gottesacker, der dann
prächtig mit herrlichen Blumen geschmückt ist, aber
das Erste, was man den Kindern zeigt und was sie alle
gerne sehen wollen, ist die wiedererstandene Frau mit
ihrem Kinde.
223. Die langen Schranken.
Die vor. Schrift, S. 159.
Im Bereich der alten Stadt liegt ein schöner, ebener
Platz, welcher jetzt mit Obstbäumen bewachsen ist.
Hier, sagt man, sei vor Zeiten der Turnierplatz gewesen,
daher der Name »die langen Schranken« noch bis
auf den heutigen Tag sich fortgeerbt habe. Einst war
ein glänzendes Turnier angestellt, zu dem kamen viele
fremde Ritter. Einer derselben erblickte unter den anwesenden
Damen eine, die wohl auch fremd sein
mochte, und deren Schönheit ihn so bezauberte und
umstrickte, daß er sich zu ihrem Kämpfer weihte, und
Jedem den Handschuh hinwarf, der ihr nicht den Preis
der Schönheit zugestehen wollte. Er blieb auch wirklich
Sieger, streckte alle Gegner in den Sand und
nahte nun der Holden, die ein meergrünes Kleid trug,
sittig, ihren Dank zu empfangen. Sie lächelte ihn liebreich
und holdselig an, aber wie ward ihm, als er
dabei wahrnahm, daß sie grüne Zähne hatte? Er bebte
zurück, sie stieß einen Schrei aus, verwandelte sich in
ein Seeweiblein und rutschte auf dem Schlangenleib
dem Maine zu, in den sie sich stürzte und auf dessen
Oberfläche sie eine Weile fortschwamm, bis sie niedertauchte
und den Blicken der staunenden