nach des Vaters Anblick. Da winkte das Weib den
dunkeln Männern, und diese hießen den Jüngling
ihnen folgen. Nach einer Weile kamen sie an ein
schönes Haus, und in einem Gemach desselben sah
der Jüngling seinen Vater, ganz so gekleidet, wie er
von Hause hinweggeritten war, auch fast von solchem
Aussehen, nur lag auf seinem Gesicht der Ausdruck
eines namenlosen Leidens. Wie geht es Euch, Vater?
fragte der Jüngling. Ist Euch wohl oder wehe? – Der
Vater seufzte und sprach: Sohn, ich habe um irdisches
Gut Gott entsagt und seinem Anteil an mir und habe
dem Teufel Leib und Seele zu eigen gegeben. Tut
euch beide ab eures ererbten Gutes, denn es würde
dessen Nutzung euch schaden und euch der gleichen
Pein überliefern, die ich dulde. – Leidet Ihr Pein,
Vater? fragte der Sohn. Ich sehe doch nichts von einer
Flamme! – Rühre an mich mit der Spitze deines kleinen
Fingers, Sohn! antwortete der Vater, zucke aber
schnell wieder hinweg. Da tat das der Jüngling und
rührte seinen Vater nur so lange an, als ein Blitz
zuckt, und verbrannte sich alsbald den Finger und die
Hand und den Arm bis zum Ellenbogen und empfand
den allerglühendsten Schmerz. Voll Entsetzen rief er
nun: O armer, armer Vater! Können wir nichts für
Euch tun, das Euch fromme und helfe? – In Ewigkeit
nichts, sagte der Vater, als daß ihr euch des Höllengutes
abtut. – Da nahm der Jüngling trauernd Urlaub
von seinem Vater, und die Männer brachten ihn zurück
zu dem Hexenweibe, dem zeigte er den verbrannten
Arm, und wer ihn sonst sehen wollte, und
gab alles vom Vater ererbte Gut nebst seinem Bruder
an ein Kloster, das nahm es willig an, und schadete
ihm mitnichten etwas, die Brüder aber sind Mönche
geworden und haben ihr ganzes Leben hingebracht,
für ihres Vaters Erlösung aus der Flammenpein zu
beten.
87. Die getreue Frau Florentina
Zu Metz lebte ein edler Rittersmann, der hieß Alexander,
der hatte eine gar tugendsame Ehewirtin, die hieß
Florentina. Der Ritter gelobte sich zu einer Bußfahrt
zum Heiligen Grabe, und sein Ehegemahl fertigte ihm
ein feines neues Hemde, das zeichnete sie mit einem
roten Kreuze und hieß es ihm stetig tragen. Es sei also
gefeit und geweiht, daß es immer rein bleibe, zum
Zeichen ihrer steten Reinheit und Treue, die sie ihm
bewahren wolle bis zu seiner Wiederkehr. Im Heiligen
Lande aber geriet Ritter Alexander aus Metz in
Gefangenschaft und mußte mit anderen als Knecht
den Pflug ziehen und Geißelhiebe und ein Joch auf
seinem Nacken dulden wie ein Stier. Das Hemd aber
blieb trotz harter Arbeit, trotz Staub und Schweiß und
Blut stets rein und weiß, wie Schnee. Das verwunderte
die Aufseher, und sie brachten es vor den Sultan.
Da erkundigte sich der Sultan, welche Bewandtnis es
mit des Sklaven Hemde habe, und Alexander erzählte
ihm von der Treue und Reinheit seiner Florentina.
Solches dünkte dem Sultan eine Lügenmäre zu sein,
und er ward sehr neugierig, ob dem in der Welt nur so
sein könnte, und ließ auf seine Kosten einen vertrauten
Eilboten ins Abendland reisen, der kam auch
glücklich nach Metz, erkundete die Frau, erzählte ihr
von ihres Herrn harter Gefangenschaft und warb, da
er sie zumal besonders schön fand, mit starker Versuchung
um ihre Minne. Allein da er ganz vergebens
sich um die Gunst der Frau bemühte, so zog er wieder
ab und brachte seinem Herrn die Nachricht von Florentinas
unwandelbarer Treue. Diese aber kleidete
sich in Pilgrimtracht, nahm eine Harfe mit, die sie
meisterlich zu spielen verstand, und reiste dem Heiden
nach, holte zu Venedig ihn ein und fuhr mit ihm,
ohne daß er sie wiedererkannt hätte, in das Heidenland.
Als sie nun an des Heidenkönigs Hofe ankamen,
meldete der Abgesandte, was er zu Metz ausgerichtet,
und rühmte seines Reisegefährten kunstreiches Harfenspiel.
Da wurde der Pilgrim an den Hof gefordert
und durfte sich hören lassen und wurden ihm große
Geschenke für sein Spiel dargeboten. Er weigerte
aber, solche anzunehmen, und bat nur um die Freilassung
eines der Sklaven, die im Pfluge gingen. Das
ward ihm zugestanden, und nun ging Florentina zu
den Sklaven und suchte unter ihnen ihren Mann, den
bat sie los, gab sich ihm aber nicht zu erkennen,
weder zu Lande, noch zur See, sondern blieb in ihrer
Verkleidung als Mann und fuhr mit ihrem Manne der
Heimat zu. Da sie noch zwei Tagereisen von Metz
waren, sprach Florentina: Mein lieber Wandergesell,
nunmehr gehen unsere Wege voneinander. Gib mir
dafür, daß ich dich befreit, doch auch etwas zum An-
denken. – Was soll ich dir geben, der ich so viel wie
nichts habe? fragte der befreite Ritter. – Du hast ein
sonderbares Hemde an, von dessen Wunder habe ich
im Heidenlande reden hören, schneide mir ein Stück
heraus, damit ich auf meiner Pilgerschaft auch andern
von dem Wunder singen und sagen kann. – Weil du
es bist und ich so großen Dank dir schuldig geworden,
sprach der Ritter, so will ich's tun, keinem anderen
auf der Welt gäbe ich vom Hemde, das mir meiner
Frauen Reine und tugendsame Zucht so wunderbar
verbrieft. – Schnitt ihm also ein Stücklein, nicht gar
groß, aus dem Hemde heraus und schied so dankend
von dem Pilgrim. Florentina eilte ihrem Gatten
schnell voraus nach Metz, legte ihre Frauenkleidung
wieder an, und als er nun, einen ganzen Tag später
wie sie, daheim ankam, empfing sie ihn mit herzlicher
Liebkosung und Freude, des ward er sehr glücklich.