durch das Küchenfenster in den Hof hinabsah, einen
Haufen glühender Kohlen und ging eilend hinab, um
davon um so schneller für ihr Herdfeuer Brand zu gewinnen.
Drunten lagen um das Kohlenfeuer einige ihr
unbekannte fremde Männer, sie aber fuhr, ohne sich
an diese Männer zu kehren, mit ihrer Schaufel in die
Kohlen hinein und kehrte mit der Schaufel voll in das
Haus zurück. Aber als sie die Kohlen auf den Herd
schüttete, so glühten sie nicht mehr, sondern waren
erloschen. Sofort lief die Magd noch einmal hinaus
und holte wieder eine Schaufel voll – es ging aber gerade
wie beim ersten, die Kohlen waren tot. Und
nochmals rannte die geschäftige Magd hinaus, da
sprach einer der Männer mit tiefer Stimme: Du, höre,
dieses ist das letzte Mal! – Die Magd erschrak, und
befiel sie ein Bangen, doch sprach sie kein Wort und
eilte nur, daß sie wieder an ihren Herd kam. Aber die
Kohlen waren abermals erloschen – und jetzt hob die
Turmuhr auf der Stadtkirche aus und schlug – und die
Magd horchte und wollte gern wissen, wie früh es
wäre, und zählte drei – vier – sechs – sieben – so spät
konnt' es doch noch nicht sein – acht – neun – was ist
das? – und die Uhrglock' schlug immer zu, und schlug
Zwölf – und im Hof verschwand das Kohlenfeuer,
verschwanden die Männer. Der Magd gruselte fürchterlich
– sie eilte in ihre Bettkammer, kroch tief unter
die Decke und betete so viele Seufzerlein und Reimgebetlein,
als sie konnte und wußte. Am Morgen verschlief
sie sich in aller Form, und statt ihrer trat der
Müller zuerst in die Küche, der traute seinen Augen
kaum, als er auf dem Herd statt glühender Kohlen
einen Haufen glitzender Goldstücke liegen sah, nahm
den Schatz und erbaute sich davon ein neues Haus zu
Lorch, gab auch der Magd ihren guten Anteil vom
durch sie gewonnenen Reichtum.
77. Taube zeigt den Tod an
Zu Armsheim auf dem Kirchhof steht ein Grabstein,
darauf ist ein Pflug, auf dem eine Taube sitzt, eingehauen.
Vor vielen Jahren hat dort ein junges Ehepaar
gelebt, und die Frau hatte eine zahme Taube, die war
ihr Liebling und nahm ihr aus dem Munde, was sie
der Taube darbot. Die junge Frau war in guter Hoffnung,
und eines Frühlingsmorgens befiel sie ein Bangen,
als eben ihr Mann hinaus an den Acker gehen
wollte zur Saat, denn es war Säezeit und der Morgen
windstill und heiter. Aber die Frau bat gar herzlich
ihren Mann: Bleibe bei mir! – Doch er entschuldigte
sich mit seiner Arbeit Dringlichkeit und verhieß sich
zu eilen und baldige Heimkehr. – Er hatte aber den
Samen noch nicht zur Hälfte ausgestreut, da kam die
Lieblingstaube seiner Frau geflogen, und flatterte
umher, und setzte sich auf den Pflug, der auf dem
Acker stand, und sah den Sämann an, und schlug mit
den Flügeln. Und da er nicht abließ von seiner Arbeit,
so flog ihm die Taube gegen die Brust und pickte ihn
in das Kinn, und da gedachte er an seine Frau und
eilte heim. Da fand er seine junge schöne Frau tot im
Bette, denn sie hatte ohne Hülfe geboren, und zwei lebende
gesunde Kinder lagen in ihren Armen. Es war
niemand da gewesen, den sie nach Hülfe senden
konnte, und er hatte ihre zarte Bitte nicht verstanden.
Und war die treue Taube nicht, so wären auch die
Kindlein Todes verblichen. Der Mann trauerte, solange
er lebte, freite nie wieder und zog die Zwillinge mit
Liebe auf. Auf der Gattin Grab ließ er das Bild der
Taube meißeln und betete oft um Mitternacht auf dem
Grabe seiner Entschlafenen.
Mehr andere Sagen gehen von Tauben, deren eine
einen Schatz angezeigt, die andere den Feind abgehalten,
eine Stadt zu beschießen.
78. Der Affe zu Dhaun
Hoch über dem Städtlein Simmern liegt der alte rheingräfliche
Burgsitz Dhaun, das war ein gar stattliches
und schönes Grafenschloß mit herrlichem säulengezierten
Palas – und über dem Eingang zum Palas wird
ein Wahrzeichen in Stein erblickt, ein Affe, der einem
Kinde einen Apfel darbeut, von welchem Bilde diese
Sage geht. Es hatte ein Burggraf ein junges Kind gehabt,
das hatte eine Wärterin, die wiegte das Kindlein
im schattigen Burghof, und da der Tag ein Sommertag
und schwül war, so nickte sie ein, und als sie aufwachte,
war das Kindlein aus der Wiege und fort. Da
ward ihr angst und bange, denn wie sie es auch ringsum
suchte und in alle Winkel lugte – es war und blieb
verschwunden. Da schlug ihr der Schreck in alle Glieder,
zitternd vor dem Zorn der Gräfin und des Grafen
dachte sie nichts Besseres tun zu können, als ihr
Leben zu retten, und stürzte in den Wald, um auch da
vielleicht noch eine Spur zu finden. Da kam sie in ein
dunkles Dickicht, und siehe, da saß der Affe, den der
Graf hielt, und hatte den jungen Grafensohn auf seinen
haarigen Armen und küßte ihn gar zärtlich und
schaukelte ihn, legte ihn dann sanft auf ein Lager von
Moos, bot ihm einen Apfel dar, und als es den nicht
annahm, sondern einschlief, wehrte der Affe eine Zeit-
lang die Fliegen von ihm ab, und dann entschlief er
selbst. Des war die Amme froh, schlich leise hinzu
und nahm das Kind und trug es fröhlich wieder zur
Feste Dhaun hinauf, wo schon alles unruhig war und
nach ihr rief und suchte. Da verkündete sie laut die
Tat des Affen, und die erst entsetzten, nun hocherfreuten
Eltern beschlossen, dieselbe in Stein ausgehauen
und überm Torbogen ihres herrlichen Palas verewigen
zu lassen.
79. Das