Wein. – Viele meinen, daß dieser Fels selbst der Altar
des Bacchus sei, und mit Figuren verziert, und vielleicht
hat noch im schwachen Nachhall sich altheidnischer
Kult darin erhalten, daß die Schiffleute, wenn
der Elterstein sich zeigt, eine Strohpuppe als Bacchus
aufputzen und auf dem Stein befestigen, so ist der Sagenglaube
im Volke lebendig, wenn auch die Gelehrten
ungläubig den Kopf dazu schütteln.
Zu Caub, nahe der alten Burg Pfalzgrafenstein mitten
im Rheinstrom, darin vorzeiten aller Pfalzgrafen
Wiege stand, weil aller Pfalzgräfinnen Wochenbette
darinnen aufgeschlagen werden mußte, lebt noch eine
Sage von einem wunderlichen Heiligen, Theonest, des
Name wie eine Verstümmelung des griechischen
Wortes Dionysos (Bacchus) klingt. Dieser Theonest
soll aber doch nicht ein heidnischer Weingott gewesen
sein, sondern ein christlicher Martyrer, der in
Mainz bis auf den Tod gequält wurde, und dem es gelang,
in einer Weinkufe statt Nachens auf dem Rheinstrom
zu entkommen und sich abwärts tragen zu lassen.
Je weiter Theonest fuhr, um so wohler wurde ihm
zumute, und bei Caub landete er in seiner Kufe an,
predigte das Christentum und pflanzte Weinreben,
und zwar süße Trauben tragende, die kelterte er zuerst
in seiner Kufe, und davon nahm der Ort, den er hier
am Strome gründete, den Namen Caub an, und in das
Stadtsiegel nahmen hernach dankbar die Cauber das
Bild des heiligen Theonest, in seiner Kufe sitzend, als
ihr Stadtwappen und führen es in ihrem Siegel. Und
ist auch hernachmals Caub ein wichtiger Ort geworden
durch Rheinzoll und Stromreederei.
94. Die sieben Schwestern
Am Rhein unterhalb dem Pfalzgrafenstein steht eine
hochragende Burgtrümmer, Schloß Schönberg. Darauf
sollen sieben so schöne Ritterfräulein gewohnt
haben, daß ihre Schönheit selbst dem Schlosse, darinnen
sie hausten, den Namen lieh. Aber die Fräulein,
welches sieben Schwestern waren, so groß ihre
Schönheit war, so kalt und gefühllos waren sie gegen
die Minne. Keines Ritters Bewerbung erhörten sie,
einen Freier nach dem andern wiesen sie ab, manches
junge edle Herz brach an den Felsenherzen der sieben
schönen Schwestern. Aber das Geschick beschloß
ihre Strafe. Eines Tages landete ein Nachen unten am
Fuße des Berges, darinnen sieben herrliche Jünglinge
saßen, in ritterlicher Tracht und von vornehmem Gebaren.
Sie kamen zur Burg, sie stellten sich den Fräulein
dar, sie warben um Herzen und Hände. Es war
vergebens, die sieben Schwestern blieben kalt. Mit
einem Male verdunkelte sich der Himmel, eine höllische
Musik ertönte, die Jünglinge umschlangen die
sieben Schwestern, jeder eine, wie zum Tanzreigen,
und schwangen sie tanzend und drehend aus der Burg,
über die Zugbrücke, den Berg hinab in den Strom hinein,
der stürmisch unter Donnern und Blitzen
wogte. – Als es wieder hell und friedlich am reizen-
den Stromesufer geworden war, siehe, da ragten sieben
Felsenspitzen aus dem Strome, in diese waren die
Jungfrauen mit den Felsenherzen zur Strafe ihrer unnatürlichen
Härte verwandelt. Größere Flut überwogt
sie, kleinere läßt sie sichtbar werden. Die Rheinschiffer
kennen sie unter dem Namen der sieben Jungfern
und haben unter sich die Sage: Wenn einst ein Mächtiger
diese Felsen dem Strombette enthübe und sie zu
Säulen einer Betkapelle am Ufer bilde, so würden die
Jungfrauen erlöst werden, wieder auf die sich erneuende
Burg zurückkehren und jede nach der jahrhundertelangen
harten Buße einen Mann beglücken.
95. Lurlei
Wo das Stromtal des Rheins unterhalb Caub am engsten
sich zusammendrängt, starren hoch und schroff
zu beiden Seiten echoreiche Felsenwände von Schiefergestein
schwarz und unheimlich hoch empor.
Schneller schießt dort die Stromflut, lauter brausen
die Wogen, prallen ab am Fels und bilden schäumende
Wirbel. Nicht geheuer ist es in dieser Schlucht,
über diesen Stromschnellen; die schöne Nixe des
Rheins, die gefährliche Lurlei oder Lorelei, ist in den
Felsen gebannt, doch erscheint sie oft den Schiffern,
strählt mit goldenem Kamme ihr langes flachsenes
Haar und singt dazu ein süß betörendes Lied; mancher,
der davon sich locken ließ, der den Fels erklimmen
wollte, fand seinen Tod in den Wellenwirbeln.
Rheinab und -auf ist keine Sage so in aller Mund als
die von der Lurlei, aber sie gleicht dem Echo der
Uferfelsen, das sich mannigfach rollend bricht und
wiederholt. Viele Dichter haben sie ausgeschmückt –
bis fast zur Unkenntlichkeit.
Lurlei ist die Rhein-Undine. Wer sie sieht, wer ihr
Lied hört, dem wird das Herz aus dem Busen gezogen.
Hoch oben auf ihres Felsen höchster Spitze steht
sie, im weißen Kleide, mit fliegendem Schleier, mit
wehendem Haar, mit winkenden Armen. Keiner aber
kommt ihr nahe, wenn auch einer den Felsgipfel erstiege,
sie weicht vor ihm – sie schwebt zurück, sie
lockt ihn durch ihre zaubervolle Schönheit – bis an
des Abgrunds jähen Rand, er sieht nur sie, er glaubt
sie vor sich auf festem Boden, schreitet vor und stürzt
zerschmetternd in die Tiefe.
Eine Sage von heitrerer Färbung als alle die andern,
die, wenn sie sich auch sonst nicht gleichen,
doch in der melancholischen Färbung und dem trüben
Ausgang einander ähnlich sind, ist diese. Einst schiffte
auch der Teufel auf dem Rhein und kam zwischen
die Lurleifelsen; der Paß schien ihm zu enge, er wollte
ihn weit haben und den