Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig Bechstein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ludwig Bechstein
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742749215
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gibt guten

       Wein. – Viele meinen, daß dieser Fels selbst der Altar

       des Bacchus sei, und mit Figuren verziert, und vielleicht

       hat noch im schwachen Nachhall sich altheidnischer

       Kult darin erhalten, daß die Schiffleute, wenn

       der Elterstein sich zeigt, eine Strohpuppe als Bacchus

       aufputzen und auf dem Stein befestigen, so ist der Sagenglaube

       im Volke lebendig, wenn auch die Gelehrten

       ungläubig den Kopf dazu schütteln.

       Zu Caub, nahe der alten Burg Pfalzgrafenstein mitten

       im Rheinstrom, darin vorzeiten aller Pfalzgrafen

       Wiege stand, weil aller Pfalzgräfinnen Wochenbette

       darinnen aufgeschlagen werden mußte, lebt noch eine

       Sage von einem wunderlichen Heiligen, Theonest, des

       Name wie eine Verstümmelung des griechischen

       Wortes Dionysos (Bacchus) klingt. Dieser Theonest

       soll aber doch nicht ein heidnischer Weingott gewesen

       sein, sondern ein christlicher Martyrer, der in

       Mainz bis auf den Tod gequält wurde, und dem es gelang,

       in einer Weinkufe statt Nachens auf dem Rheinstrom

       zu entkommen und sich abwärts tragen zu lassen.

       Je weiter Theonest fuhr, um so wohler wurde ihm

       zumute, und bei Caub landete er in seiner Kufe an,

       predigte das Christentum und pflanzte Weinreben,

       und zwar süße Trauben tragende, die kelterte er zuerst

       in seiner Kufe, und davon nahm der Ort, den er hier

       am Strome gründete, den Namen Caub an, und in das

       Stadtsiegel nahmen hernach dankbar die Cauber das

       Bild des heiligen Theonest, in seiner Kufe sitzend, als

       ihr Stadtwappen und führen es in ihrem Siegel. Und

       ist auch hernachmals Caub ein wichtiger Ort geworden

       durch Rheinzoll und Stromreederei.

       94. Die sieben Schwestern

       Am Rhein unterhalb dem Pfalzgrafenstein steht eine

       hochragende Burgtrümmer, Schloß Schönberg. Darauf

       sollen sieben so schöne Ritterfräulein gewohnt

       haben, daß ihre Schönheit selbst dem Schlosse, darinnen

       sie hausten, den Namen lieh. Aber die Fräulein,

       welches sieben Schwestern waren, so groß ihre

       Schönheit war, so kalt und gefühllos waren sie gegen

       die Minne. Keines Ritters Bewerbung erhörten sie,

       einen Freier nach dem andern wiesen sie ab, manches

       junge edle Herz brach an den Felsenherzen der sieben

       schönen Schwestern. Aber das Geschick beschloß

       ihre Strafe. Eines Tages landete ein Nachen unten am

       Fuße des Berges, darinnen sieben herrliche Jünglinge

       saßen, in ritterlicher Tracht und von vornehmem Gebaren.

       Sie kamen zur Burg, sie stellten sich den Fräulein

       dar, sie warben um Herzen und Hände. Es war

       vergebens, die sieben Schwestern blieben kalt. Mit

       einem Male verdunkelte sich der Himmel, eine höllische

       Musik ertönte, die Jünglinge umschlangen die

       sieben Schwestern, jeder eine, wie zum Tanzreigen,

       und schwangen sie tanzend und drehend aus der Burg,

       über die Zugbrücke, den Berg hinab in den Strom hinein,

       der stürmisch unter Donnern und Blitzen

       wogte. – Als es wieder hell und friedlich am reizen-

       den Stromesufer geworden war, siehe, da ragten sieben

       Felsenspitzen aus dem Strome, in diese waren die

       Jungfrauen mit den Felsenherzen zur Strafe ihrer unnatürlichen

       Härte verwandelt. Größere Flut überwogt

       sie, kleinere läßt sie sichtbar werden. Die Rheinschiffer

       kennen sie unter dem Namen der sieben Jungfern

       und haben unter sich die Sage: Wenn einst ein Mächtiger

       diese Felsen dem Strombette enthübe und sie zu

       Säulen einer Betkapelle am Ufer bilde, so würden die

       Jungfrauen erlöst werden, wieder auf die sich erneuende

       Burg zurückkehren und jede nach der jahrhundertelangen

       harten Buße einen Mann beglücken.

       95. Lurlei

       Wo das Stromtal des Rheins unterhalb Caub am engsten

       sich zusammendrängt, starren hoch und schroff

       zu beiden Seiten echoreiche Felsenwände von Schiefergestein

       schwarz und unheimlich hoch empor.

       Schneller schießt dort die Stromflut, lauter brausen

       die Wogen, prallen ab am Fels und bilden schäumende

       Wirbel. Nicht geheuer ist es in dieser Schlucht,

       über diesen Stromschnellen; die schöne Nixe des

       Rheins, die gefährliche Lurlei oder Lorelei, ist in den

       Felsen gebannt, doch erscheint sie oft den Schiffern,

       strählt mit goldenem Kamme ihr langes flachsenes

       Haar und singt dazu ein süß betörendes Lied; mancher,

       der davon sich locken ließ, der den Fels erklimmen

       wollte, fand seinen Tod in den Wellenwirbeln.

       Rheinab und -auf ist keine Sage so in aller Mund als

       die von der Lurlei, aber sie gleicht dem Echo der

       Uferfelsen, das sich mannigfach rollend bricht und

       wiederholt. Viele Dichter haben sie ausgeschmückt –

       bis fast zur Unkenntlichkeit.

       Lurlei ist die Rhein-Undine. Wer sie sieht, wer ihr

       Lied hört, dem wird das Herz aus dem Busen gezogen.

       Hoch oben auf ihres Felsen höchster Spitze steht

       sie, im weißen Kleide, mit fliegendem Schleier, mit

       wehendem Haar, mit winkenden Armen. Keiner aber

       kommt ihr nahe, wenn auch einer den Felsgipfel erstiege,

       sie weicht vor ihm – sie schwebt zurück, sie

       lockt ihn durch ihre zaubervolle Schönheit – bis an

       des Abgrunds jähen Rand, er sieht nur sie, er glaubt

       sie vor sich auf festem Boden, schreitet vor und stürzt

       zerschmetternd in die Tiefe.

       Eine Sage von heitrerer Färbung als alle die andern,

       die, wenn sie sich auch sonst nicht gleichen,

       doch in der melancholischen Färbung und dem trüben

       Ausgang einander ähnlich sind, ist diese. Einst schiffte

       auch der Teufel auf dem Rhein und kam zwischen

       die Lurleifelsen; der Paß schien ihm zu enge, er wollte

       ihn weit haben und den