Wonne und Weide und aller Zubehör! – Des verwunderten
sich die Mannen und mocht sich's keiner vermessen,
schien ihnen allen der Schluck doch zu groß,
und selbst der Burgpfaff, der etwas zu leisten vermochte
in guten Trünken, und mancher andere Wakkere
wagten sich nicht daran. Da saß auch ein alter
Zecher im Kreise, Ritter Boos von Waldeck, der sah
die andern alle der Reihe nach an und wartete, ob
einer den Stiefel leeren wolle, und da es keiner tat, da
faßte er ihn in die Hand, und ließ den Wein rinnen in
seinen Schlund, und trank ihn leer bis auf die Nagelprobe,
und dann sagte er: Lieber Rheingraf, dein Hüffelsheim
schmeckte gut, wie wär' es nun mit Waldbö-
kelheim? Der Mensch kann doch nicht in einem Stiefel
gehen? – Aber der Rheingraf wollte nicht noch
einen Ort an eine Rittergurgel verlieren und schwieg
stille. Darnach ist das Sprüchwort aufgekommen: Der
verträgt einen guten Stiefel.
81. Der wilde Jäger
Der Wild- und Rheingrafen einer war ein gewaltiger
Jäger, aber nicht wie Nimrod vor dem Herrn, sondern
so recht vor dem Teufel. Einen Tag und alle Tage
ging es hinaus in die Forste, mit wildem, wüstem Gefolge.
Werktag und Feiertag, das war dem Grafen
alles gleich, in die Kirche ging er nicht, und die Pfaffen
achtete er nicht, nur Jagen war seine Freude. Da
geschah es eines Sonntagmorgens, daß der Wild- und
Rheingraf abermals vom hohen Stein mit dem Gefolge
seiner Jagdknechte und Rüden herab zu Tale zog,
mit Horrido und Hussassa, wie der Dichter singt,
durch Felder und Saaten, nichts achtend, niederstampfend
in den Boden junge Saat und reife Ähren. Es
währte nicht lange, so brachten die Hunde einen großen
weißen Hirsch auf, dessen Spur sie nun mit lautem
Kliffen und Klaffen folgten, und die Hifthörner
klangen, die Hetzpeitschen knallten, daß es nur so
sauste und brauste, immer dem Hirsch nach. In allen
Tälern riefen die Kirchenglocken zu Gebet und Amt,
der Wildgraf hörte es gar nicht. Ein Bäuerlein, in dessen
Feld der fliehende Hirsch sich zu bergen suchte,
sah den Troß auf sein Feld losjagen und fiel auf die
Knie und flehte, seines Ackers, des einzigen, welchen
es besitze, doch gnädiglich zu schonen – der Wild-
und Rheingraf überritt den Bauer und stürmte mit
dem ganzen Jagdtroß über den Acker hin. Der fliehende
Hirsch mischte sich unter eine weidende Herde, da
Sicherheit zu suchen – der Hirte sah die wilde Jagd
annahen und flehte um Barmherzigkeit für das ihm
anvertraute Vieh – der Wild- und Rheingraf knallte
ihm mit der Peitsche um die Ohren und schrie: Hui
hatz! hui hatz! – da fiel die blutgierige Meute mit wütenden
Bissen den Hirten an, und rissen ihn nieder,
und bissen die Rinder tot, und jagten den Hirsch weiter.
Dieser gewann einen Wald, dessen friedliche
Sonntagsstille jetzt gellend laut der Zug des wilden
Jägers durchtobte.
Im Walde stand eine Einsiedlerklause, und in diese
floh jetzt der auf den Tod gehetzte Hirsch. Der Wildund
Rheingraf stürmte mit seinem Troß gegen die
Klause an – der Klausner, ein Greis mit schneeweißem
Bart, trat heraus und hob warnend die Hand.
Nicht weiter! rief er mit starker Stimme. Hier ist das
Asyl der Kreatur! – In der Hölle ist dein Asyl, du alter
Hund und Narr! schnaubte der Wild- und Rheingraf
den Klausner an und hob die Peitsche hoch gegen ihn
auf. Aber die aufgehobene Rechte fiel nicht mehr zum
Schlage nieder. – Nacht ward es plötzlich – der
Klausner und die Hütte, der Hirsch und die Hunde,
die Jäger und die Knechte – alles schwand, und des
Wild- und Rheingrafen keuchendes Roß brach zusam-
men. Und da zuckte ein Blitz, und da fuhr des Teufels
Faust riesengroß aus der Erde und drehte dem wilden
Jäger den Hals um, und eine Stimme donnerte: Jage
so fort, bis an der Welt Ende! – Und also geschieht
es, wie viele viele Sagen melden, daß von Zeit zu Zeit
die wilde Jagd durch die Lüfte und über Felder und
Wälder fährt mit gräßlichem Geschrei, mit dem Kliffen
und Klaffen der Hunde, mit gespenstischem Wild,
und der wilde Jäger selbst als Wild gehetzt vom wilden
Heere der Hölle.
82. Spanheims Gründung
Es war vordessen ein Graf von Vianden und Ravenzierburg,
der liebte eine Gräfin des Nahegaues, welche
eine Witwe war, und auch sie war ihm als dem
zweiten Bewerber um ihre Hand nicht abhold – aber
der Graf hatte in einer Fehde einen nahen Verwandten
der Gräfin erschlagen, und so konnte und mochte sie
ihm, schon der Verwandtschaft wegen, die Hand zum
Ehebunde nicht so bald reichen, sondern band die Erfüllung
seines Wunsches an eine Bedingung, welche
Zeit vergönnte, jenen Fehdehandel mehr in Vergessenheit
kommen zu lassen. Sie sprach zum Grafen
von Vianden, er möge zur Sühne des Erschlagenen
eine Pilgrimfahrt in das Heilige Land antreten und
von dort ihr ein Zeichen von den heiligen Orten mitbringen,
das geweiht und beglaubigt sei, daran werde
sie seine aufrichtige Liebe und den Willen des Himmels
zugleich erkennen. – Der Graf schied vom Heimatlande,
und es währte wohl über Jahr und Tag,
bevor er an die Rückkehr denken konnte. Er kämpfte
gegen die Ungläubigen, betete an allen heiligen Orten
und erwarb, sein Gelübde zu lösen, auch einen Span
vom Kreuze des Herrn, dessen Echtheit der Patriarch
von Jerusalem durch einen Pergamentbrief mit bleiernem
Siegel beglaubigte. Der Graf von