sprachen untereinander: Was kann diese Frau verbrochen
haben? Und was hat sie uns getan? Sollte ihr zu
sterben bestimmt sein, brauchen wir ihr doch nicht
das Leben zu nehmen. Wir wollen dem Hund, der da
mit uns läuft, die Zunge ausschneiden und Golo zeigen,
zum Wahrzeichen, daß wir die Frau getötet, und
sie gehen lassen.
Und so taten die Knechte und ließen die arme Genofeva
mit ihrem Kinde trostlos und weinend und betend
in öder Wildnis zurück. Das Kind nannte Genofeva
Schmerzenreich, es zählte noch keine dreißig
Tage, und der Schmerz vertrocknete alle Milch in sei-
ner Mutter Brust. Da flehte die arme junge Mutter zur
Mutter aller Schmerzen und aller Seligkeiten, und die
ewige Jungfrau neigte der Verlassenen liebend ihre
Gnade zu. Aus dem Waldesdickicht trat eine Hindin,
die lagerte sich vor Genofeva hin, und Genofeva legte
ihr Söhnlein an die Zitzen des Tieres, sich selbst aber
nährte sie mit dem, was der Wald bot, und baute auch
für sich und ihren Sohn eine Hütte aus Holzstämmen,
Reisig, Dornen und Moos, da blieb sie sechs Jahre
und drei Monate und sah kein anderes Wesen als die
treue Hindin.
Da geschah es, daß der Pfalzgraf Siegfried einmal
in dieser Gegend des Waldes jagte, und da trieben die
Hunde die Hirschkuh auf, welche mit ihrer Milch Genofeva
und ihren Knaben ernähren half. Jäger und
Hunde folgten dem Wild, und die Hinde floh zur
Hütte Genofevas und kniete zu dem Knaben hin, und
Genofeva wehrte mit einem Stock die nachhetzenden
Hunde ab. Jetzt kam der Pfalzgraf, mit Staunen sah er
das Weib im Walde, fast aller Kleidung entblößt
durch diese lange Zeit, und der Pfalzgraf vermeinte, es
sei etwa ein verlaufenes heidnisches Weib oder eine
Zigeunerin, und rief sie an: Bist du eine Christin? –
Sie antwortete: Ich bin eine Christin, aber gib mir deinen
Mantel, daß ich mich bedecke. Das tat Siegfried
und fragte sie, warum sie keine Kleider habe und so
einsam im wilden Walde hause. – Meine Kleider sind
vor Alter zerschlissen, sagte sie. – Wie lange wohnest
du in diesem Walde? Und wes ist dieser Knabe? Wer
ist sein Vater? Und wie heißest du? – Auf diese Fragen
antwortete Genofeva: Sechs Jahre und drei Monate
wohne ich einsam in diesem Walde! Der Knabe ist
mein Sohn, und seinen Vater kennt Gott so gewiß, als
ich ihn kenne. Und Genofeva ist mein Name! – Bei
diesem letzten Wort erschrak der Pfalzgraf, und ein
Kämmerling trat zu ihm und sprach: Herr, trügt mich
nicht die Erinnerung, so ist das wahrhaftig unsere
Frau, die schon so lange gestorben sein soll – schaut
doch nach dem Muttermal an ihrem Halse. – Und
siehe – sie hatte das Mal. Der Pfalzgraf war abseit getreten
und wußte nicht, was er beginnen solle, und
sprach: Sehet doch, ob sie auch den Trauring noch
trägt! – Und sie trug ihn noch. Und es kam über den
Pfalzgrafen ein unsaglicher Schmerz und eine tiefe
Reue, und er eilte zu Genofeva hin, und schlang die
Arme um sie, und küßte sie, und herzte den Knaben,
und rief: Ja, das ist mein Weib! Das ist mein Sohn! –
Und Genofeva erzählte, wie es ihr ergangen durch
Golos Teufelstücke und Verrat, und da kam dieser,
sich nichts von diesem Ereignisse versehend, da zürnten
ihm die Mannen des Pfalzgrafen und wollten ihn
niederstoßen. Aber der Pfalzgraf gebot ihnen Einhalt
und sagte, daß dieser Verräter des Todes von Ritterhand
nicht wert sei. Vier Ochsen, die noch an keinem
Pfluge gezogen, wurden genommen, und an jeden Fuß
und an jede Hand des Missetäters wurden Seile gelegt
und an die Ochsen gespannt, und diese dann nach vier
Seiten getrieben. So ward Golo lebendigen Leibes in
vier Teile zerrissen.
Nun wollte Siegfried seine Gemahlin auf sein
Schloß führen und aller Ehren teilhaft werden lassen,
allein sie willigte nicht ein, sondern sprach: Hier an
diesem Ort hat die heilige Jungfrau mich beschirmt
und behütet, die wilden Tiere unsichtbar abgewehrt,
durch die Hinde mein Kind erhalten, dieser Ort soll
meine Stätte bleiben und der Königin aller Engel geweiht
werden. Dem willfahrete der Pfalzgraf Siegfried,
sandte zu Hildulf, dem Bischof, und ließ durch
ihn die Stätte weihen und ordnete auf Genofevas Bitten
den Bau einer Kirche an. Die Pfalzgräfin wohnte
nun unter besserm Dach, allein sie konnte keine
künstliche Speise mehr vertragen, sondern nur die gewohnte
Waldkost, und lebte nach dem Wiederfinden
nur noch wenige Tage; sie starb froh und selig, und
ruhte in der neu erbauten Waldkapelle zu Unser Frauen
Kirche, ohnweit Mayen, und es sind allda manche
Wunder geschehen, und ist die Geschichte von der
frommen Genofeva durch alle Lande gegangen. Aber
nicht allein in Pfalzel, sondern auch in Mayen, das im
Maifelde liegt, wird ein Genofeventurm gezeigt, und
die Frauenkirche alldort soll die rechte sein. Biswei-
len soll man noch Genofeva hinter dem Hochaltar sitzen
und spinnen sehen.
93. Die Weingötter am Rhein
Zu Bacharach am Rhein, wo nach altem deutschen
Reimspruch der besten Weine einer wächst, soll vorzeiten
ein Altar des Bacchus, des Weingottes, gestanden
haben, und des Ortes Name soll von diesem
Altar, Bacchi ara, herrühren, diesen Altarstein nannten
die Winzer umher auch den Elterstein. Dort ist
auch ein Fels im Rhein, der wird nur bei ganz kleinem
Rhein, bei großem Wassermangel und heißem dürren
Sommerwetter, sichtbar und stets für eine dem Weinjahr
günstige Prophezeiung genommen, denn