»Ähm... das Gegenstück zu eurem Alphaoberhaupt. Iret bedeutet frei übersetzt so was wie Auge und Tepey bedeutet Chef oder Anführer. Du weißt schon, das Auge des Ra war eine große Sache bei den Ägyptern, daher vermute ich, dass wir es davon abgeleitet haben. Daher kommen auch unsere anderen Titel und so was alles.«
»Das ergibt Sinn. Ich habe, na ja, ein bisschen was über Götter und Gottheiten nachgelesen. Bis in die Zeit des frühen Ägyptens hinein.«
»Ehrlich?«, fragte Quincy überrascht.
Miles errötete. »Ja. Ich dachte, na, du weißt schon, dass es nicht schaden könnte, so viel wie möglich darüber zu lernen. Ich weiß nicht, was davon nur Mythos ist und was nicht, aber ich dachte, dass ich erst mal alles darüber lese und dich frage, wenn ich die Gelegenheit bekomme.«
Für einen langen Moment starrte Quincy Miles einfach nur an, während er das Gesagte verarbeitete. Er war so lange allein gewesen – verdammt, sogar noch bevor er das College abgeschlossen hatte –, sodass es seltsam war, zu wissen, dass jemand anderes so etwas für ihn machen und das ganze Drumherum verstehen wollen würde.
Er räusperte sich und zupfte an der Bettdecke herum. »Also, das ist... das ist wirklich cool. Ich würde dir irgendwann mal gern mehr davon erzählen. Ich denke jedoch, dass wir wichtigere Dinge haben, über die wir im Moment sprechen sollten.«
»Du hast recht. Was wirst du tun, wenn du hier raus bist? Ich kann dich vermutlich morgen entlassen... oder ich könnte es rechtfertigen, dass du noch einen Tag länger bleibst, wenn du denkst, dass das helfen würde.«
»Ähm...« Quincy runzelte die Stirn. »Ich weiß es gar nicht. Lass mich darüber nachdenken. Ich werde meinen Vater anrufen müssen und – mal wieder – versuchen, ihn dazu zu bringen, diesen verfluchten Scheiß bleiben zu lassen.« Erneut verfinsterte sich Quincys Gesicht. Jedes Mal, wenn er darüber nachdachte, wuchs sein Ärger.
»Hey, hey«, sagte Miles und drückte seine Hand.
Verwirrt blinzelnd sah Quincy auf.
»Von deinem bösen Blick mal ganz abgesehen, konnte ich deine Verärgerung spüren. Ich meine, gibt dir nicht die Schuld dafür, aber...«
»Oh, das habe ich ganz vergessen.«
Miles nickte. »Im Moment... sind es nur starke Gefühle. Noch bevor du gestern eingeliefert wurdest, wusste ich, dass irgendwas bei dir nicht stimmte. Ich hab deine Wut und deinen Schmerz gespürt.«
»Das ist ein wenig... verrückt.« Quincy biss sich auf die Lippe. »Und irgendwie cool, wenn auch verwirrend.«
Miles lachte. »Ja, also, wenn wir uns irgendwann markieren, wird das stark nachlassen. Wir können die Gefühle des anderen immer noch spüren, aber es wird viel einfacher sein, es zu kontrollieren.«
»Ah, okay, ja.« Quincy wusste nicht, wie er ansprechen sollte, was er über das Markieren dachte. Er hatte keine Ahnung, wann sie überhaupt dazu kämen, keinen Schimmer, ob es bei den Wölfen anders war als bei den Jaguaren – außer, dass diese sich manchmal gar nicht markierten. Sie schliefen miteinander, bekamen Nachwuchs und das war alles. Er seufzte. »Also, äh, ja. Ich meine... ich verstehe, dass er mich zurückhaben will, doch zum Teufel, wir beide wissen, dass ich nicht die beste Besetzung für die Führung bin.«
»Hm.« Miles runzelte die Stirn. »Ich fürchte, dass ich nicht genug über die Jaguare weiß, um sagen zu können, ob das stimmt oder nicht. Vielleicht glaubt er, dass er durch dich mehr oder weniger weiterhin führen kann?«
Quincy zog eine Augenbraue hoch. »So habe ich das noch nicht gesehen. Ich bin nicht wirklich davon ausgegangen, dass er so etwas wollen würde. Ich dachte, dass er die Nase davon voll hätte, wenn er die Führung abgibt.«
Miles zuckte mit den Schultern. »Ich weiß wirklich nicht genug über deine Welt.«
»Es ist nicht meine Welt«, murrte Quincy, dann seufzte er wieder. »Ich meine, okay. Ich bin ein Jaguar, aber ich will mit ihrer Politik, ihrer Affektiertheit oder so, nichts zu tun haben. Ich glaube an unsere Götter. Ich ehre unsere religiösen Traditionen. Doch davon abgesehen, will ich einfach nur zeichnen, mit Informationen handeln und in Ruhe gelassen werden.« Er sah zu Miles auf. »Vielleicht mit meinem Gefährten zusammen.« Er hatte mit Absicht vielleicht gesagt, weil er sich nicht sicher war, wie Miles zu all dem stand. Es war begründet, anzunehmen, dass Miles ihn wollte – er hatte vorhin den Kommentar über das Markieren gebracht –, doch trotz allem, was er über die Wölfe wusste, kannte er sich mit ihren Regeln oder der Kultur nicht aus.
Miles enttäuschte ihn nicht. Erneut drückte er Quincys Hand. »Ich hoffe doch, dass du mit deinem Gefährten zusammen sein möchtest.«
Quincy schluckte. Es war schön, gewollt zu werden. Selbst wenn er und Miles noch nicht viel übereinander wussten, hatte er das nicht gesagt, weil es von ihm erwartet wurde. Es war einfach so – noch dazu ein Geschenk Bastets – und das machte für Quincy den Unterschied.
»Ja, das... hört sich wirklich gut an.« Er grinste verschmitzt. »Solange ich immer noch Zeit für mich selbst bekomme.«
Miles grinste ebenfalls. »Ich weiß nicht. Vielleicht verwandele ich mich einfach und lege mich neben deine Füße.«
Das entlockte Quincy ein überraschtes Lachen. »Solange du dich von meinen Hausschuhen fernhältst.«
»Ich denke, das bekomme ich hin.« Miles stand auf, setzte sich neben Quincy aufs Bett und strich über seine Haare. »Ich habe nicht vor, dich zu bedrängen, weißt du. Mir ist klar, dass Katzen Einzelgänger sind.«
Quincy wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er wusste, dass Wölfe keine Einzelgänger waren, und hoffte, dass sie eine Balance finden würden... irgendwann. Wenn er sich darüber Gedanken machen konnte. »Also, vielleicht rufe ich meinen Vater von hier aus an und überlege mir dann, was ich mache. Ich vermute jedoch, dass ich mich immer noch für eine Weile werde verstecken müssen. Das war die Botschaft: Komm zurück und übernimm meinen Platz oder noch Schlimmeres wird passieren. Ich kann nicht zulassen, dass du da mit reingezogen wirst. Und ich weigere mich, zu irgendwas gezwungen zu werden. Ich meine... wenn ich auch nur für eine Minute glauben würde, dass du sicherer wärst, wenn ich –«
»Denk nicht mal dran«, knurrte Miles und Quincy konnte deutlich den Hauch eines Wolfs in seiner Stimme hören.
Abwehrend hob Quincy eine Hand. Bei dem beschützenden Tonfall stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen. »Okay, okay. Ich will das sowieso nicht wirklich.«
»Gut.« Miles nahm Quincys Hand und küsste sie. Er betrachtete Quincy für einen Moment, dann lehnte er sich ohne Vorwarnung zu ihm herüber. »Bitte sag mir, dass ich dich küssen darf... Ich will das jetzt schon so lange.«
Quincy schluckte, denn sein Hals war plötzlich trocken, nickte jedoch. »Ja«, flüsterte er.
Miles umfasste Quincys Wangen und überwand die letzten paar Zentimeter zwischen ihnen, sodass sich ihre Lippen sanft berührten. Quincy schloss die Augen, beugte sich ein Stück vor und erwiderte den Kuss. Als er Miles' Zunge an seiner Lippe fühlte, öffnete er den Mund und zum ersten Mal durfte er den wundervollen Geschmack seines Gefährten kosten. Ihre Zungen umspielten einander. Sie erkundeten den Mund und die aufkeimenden Gefühle des jeweils anderen, die über ihr Band übertragen wurden. Quincy schob seine Hände auf Miles' Schultern und hielt sich an ihm fest, vertiefte den Kuss weiter, kostete Miles, wobei er leise stöhnte, weil sich der Kuss so gut anfühlte.
Sein Gefährte. Miles war wahrhaftig sein vorbestimmter Gefährte. Das Verlangen nacheinander wurde stärker und Quincy konnte nicht mal im Entferntesten so tun, als wäre es nicht mehr wahr. Während sie sich küssten, fühlte er, wie ihr Band stärker wurde. Dicker. Etwas Unsichtbares schien sich um sie zu legen und sie näher zueinander zu bringen.
Als sie den Kuss lösten, starrte Quincy Miles mit großen Augen an. »Wow.«
Miles sah genauso überwältigt aus. »Ja, das... kann man wohl so sagen. Wow.«
»Haben wir... haben wir unser Band