Kapitel 4 zielt darauf ab zu illustrieren, wie Medien familienpolitische Diversität/Komplexität/Mehrdeutigkeit und auch deren unterschiedliche Eingrenzung herausgehoben arrangieren. Das folgende Kapitel stellt demnach eine metapraktische Erweiterung derjenigen einschlägigen Studien dar, die Diversität und reduktive Einschränkung im Kontext von Familialität lediglich deskriptiv behandeln. Familiale Mehrdeutigkeit in unserer gegenwärtigen Medienkultur ist bestenfalls tolerante Vielfalt und schlechtestenfalls Oxymorie. Bevor die gegenwärtige medienkulturelle Konfiguration familienpolitischer Vielfalt (und Eingrenzung) anhand verschiedener Medien dokumentiert wird (Unterkapitel 4.2 und 4.3), werden zunächst diejenigen Elemente herausgearbeitet, die autokonstitutiv mit dem Diskursphänomen Familienpolitische Mehrdeutigkeit bis hin zu Oxymorie verbunden sind (Unterkapitel 4.1). Es sind die Elemente Unsicherheit, Sorge und Angst, die für Unbehagen im Kontext von Familialität verantwortlich zeichnen. Inwiefern aber, warum und auf welche Weise erscheint Familialität der Gegenwart unbehaglich? Um familiale Malaise charakterisieren zu können, werden Begründungshorizonte im Umfeld von Pränataldiagnostik untersucht und analysiert. Als Grundlage hierfür dienen Erzählungen von Eltern und Experten im Dokumentarfilm Am Anfang – Vor der Geburt. Um allerdings einen diskursiven Einblick in familiales Unbehagen der Gegenwart gewährleisten zu können, wird die Objektebene erweitert. Die Gemeinsamkeit der betrachteten Aushandlungen (Artikelüberschriften, Sachtexte und der Roman Angst) besteht darin, dass sie einen konstitutiven Bezug zu familialer Unbehaglichkeit aufweisen. In Links’ Dokumentarfilm (Unterkapitel 4.2) wird Hybridität bei Fragen rund um Schwangerschaft ostentativ visualisiert. Welche filmischen Strategien und welche kommunikativen Elemente ermöglichen die Heraushebung von Hybridität? Um die familienpolitische Hybridität der Gegenwart in unserer Medienkultur besser fassen zu können, wird Bruno Latours Theorie in seinem Essay Wir sind nie modern gewesen herangezogen. Die von Frischs Protagonisten Walter Faber kommunizierte Klarheit, seine eindeutige Positionierung im Hinblick auf den Schwangerschaftsabbruch (»Schwangerschaftsunterbrechung: eine Konsequenz der Kultur, nur der Dschungel gebärt und verwest, wie die Natur will«92) ist in unserer gegenwärtigen Medienkultur unter familientechnologischen Bedingungen unterlaufen. Aber was ist geschehen? – kann mit Latour gefragt werden? Eingetreten ist jene wissenschaftlich vielerorts konturierte Vermischung von Gegensätzen, die sich metapraktisch auch zeigt. So fokussiere ich im Rückgriff auf neueste Medientheorien auf den existenten, manifesten, ja auf den ostentativen Charakter der familienpolitisch ambivalenten Zwischenräume in unserer Medienkultur. Ein interessantes zwischenräumliches Spektakel ist etwa das Schaufenster93 im Seed Brand Store München. Weiterhin bildet die Babywelt-Messe (MOC Veranstaltungscenter) eine Topografie mehrdeutiger Vielfalt. Die Babywelt-Messe ist somit ein Konzentrat der bunten konzeptionellen Diversität von Familialität. Diese komplexe Vielfalt zeigt sich gleichfalls, ist demnach augenfällig, ostentativ und herausgehoben. Butler zufolge macht gelebte Familialität in komplexer Daseinsform die Idealität der Norm zunichte94. Familiale Komplexität mündet in Entgrenzung und impliziert (produktive) Mehrdeutigkeit. Abschließend (Unterkapitel 4.3) wird problemorientiert ein Kalender mit Texten von der Ärztin Maya Fehling und Illustrationen von der Schauspielerin Ina Gercke zur Veranschaulichung der Manifestationen familienpolitischer Diversität und zur Vergegenwärtigung machtförmiger familienpolitischer Reduktionismen herangezogen und analysiert. Dieser Kalender für das Jahr 2016 stellt »12 Wege zum kindlichen Glück« aus.
Kapitel 5 zeigt in Familialität eingeschobenes Konfliktpotenzial, welches strenggenommen dramatisch ist. In den Unterkapiteln wundere ich mich diskuranalytisch darüber, dass und wie95 persistent das Funktionieren von Familialität in unserer Medienkultur unterlaufen wird. Was sich anhand der jeweiligen Medienangebote illustrieren lässt, sind Konfliktfelder in ihren je spezifischen Kontexten. Kälter als der Tod, eine Episode der TV-Krimiserie Tatort entfaltet in mehrfacher Hinsicht Familiendramen (Unterkapitel 5.1). Er fungiert in einer Gesamtsicht als ein Medium, das familiale Problemhorizonte als Problemhorizonte antinormativ verhandelt. Hinsichtlich der Analyse der Tatort-Episode lässt sich gerade kein Fazit formulieren: Weder lassen sich Aussagen über soziale Elternschaft noch über biologisch-leibliche Verwandtschaft machen. Jener schlussfolgernde Gestus bezüglich Familialität ist filminhärent ausgehebelt. Schmerzlich und narratologisch brillant dargeboten ist jedoch Familialität als katastrophales Monster. Familiale Monstrosität beinhaltet Ausgrenzung und Entgrenzung, Gewalt, Idealität, Naturalisierung, Macht, Verschleierung und Maskerade, Verleumdung, Perfektion und Bürgerlichkeit. Es wird filmanalytisch illustriert, dass die Tatort-Episode vordergründig diese Monstrosität als eine chiastisch-antithetische Familienkonstellation inszeniert, die in ihrer Tragik und Drastik verdeutlicht, dass familiale Positionen synchron eben nicht eindeutig bestimmbar sind. Weiterhin zeigt sich, dass fehlende familiale Positionalität als katastrophal aushandelbar ist. Im Rekurs auf die Butlersche Lévinas-Lektüre wird die These formuliert, dass die visuelle Darstellung der Familienmitglieder (speziell von Lydia Sanders) deren erfahrenes (Familien)Leid verdeutlicht. Das Gewahrwerden des Gesichts des Anderen ermöglicht die Berücksichtigung der Verletzlichkeit