So mündet das Singen von der Passion Christi in eine Haltung der Hoffnung, die auf der Möglichkeit eines Lebens in Gemeinschaft mit Christus ruht.
2.4 O wir armen Sünder
HERMANN BONNUS 1560/ 1542
1. O wir armen Sünder unser Missethat/1
Darin wir empfangen und geboren sind/
Hat gebracht uns alle in solche grosse Noth/
Daß wir unterworffen sind dem ewgen Tod/
Kyrie eleison / Christe eleison / Kyrie eleison.
2. Aus dem Todt wir konten / Durch unser eigen Werck/
Nimmer werdn errettet / Die Sünde war zu starck/
Daß wir würdn erlöset / So konts nicht anders seyn/
Denn Gottes Sohn must leiden Des Todes bittre Pein/
Kyrie eleison / Christe eleison / Kyrie eleison.
3. So nicht wär gekommen / Christus in die Welt/
Und an sich genommen / Unser arm Gestalt/
Und für unser Sünde / Gestorben williglich/
So hätten wir müssen / Verdammt seyn ewiglich/
Kyrie eleison / Christe eleison / Kyrie eleison.
4. Solche große Gnad Und väterliche Gunst/
Hat uns Gott erzeiget / Lauter gar umbsonst/
Jn Christo, seinem Sohne / Der sich gegeben hat/
Jn den Todt des Creutzes / Zu unser Seligkeit/
Kyrie eleison / Christe eleison / Kyrie eleison.
5. Deß sollen wir uns trösten / Gegen Sünd und Todt/
Und ja nicht verzagen Für der Höllen Glut/
Denn wir sind errettet aus aller Fährligkeit/
Durch Christum unsern Herren / Gebenedeyt in Ewigkeit/
Kyrie eleison / Christe eleison / Kyrie eleison.
6. Darumb wolln wir loben / Und danckn allezeit/
Dem Vater und Sohne / Und dem Heiligen Geist/
Und bitten / daß er wolle Behüten uns für Gfahr/
Und daß wir stets bleiben / Bey seinem heilgen Wort/
Kyrie eleison / Christe eleison / Kyrie eleison.
7. Ehre sei dir Christe, der du littest Not,
an dem Stamm des Kreuzes für uns bittern Tod,
herrschest mit dem Vater in der Ewigkeit:
hilf uns armen Sündern zu der Seligkeit.
Kyrie eleison, Christe eleison, Kyrie eleison.
Zur Strophe 7: Bis in Gesangbücher des 19. Jh. hinein ist das Lied ohne die siebente Strophe abgedruckt worden2. Erst im EKG wurde ihm die Strophe, aus der die Strophenreihe von Hermann Bonnus mittelbar hervorgegangen ist, angefügt.
2.4.1 Einführung
Das im EG unter dem Titel „Ehre sei dir, Christe“ vorfindliche Lied ist eine verkürzte und in der Reihenfolge der Strophen umgestellte Version des Liedes „O wir armen Sünder“, das Hermann Bonnus, ausgehend von der schon vorher existierenden Einzelstrophe „Ehre sei dir, Christe“, gedichtet hat. Im EKG war es noch vollständig abgedruckt; erst für das EG ist es in der jetzt vorliegenden Weise bearbeitet worden. Es soll in der ungekürzten Fassung von 1542 untersucht werden.
Der Dichter Hermann Bonnus
Hermann Bonnus, geboren 1504 in Quakenbrück, dessen Vater dort Ratsherr war, lebte bis 1548 und starb in Lübeck.1 Unlatinisiert lautet sein Name Hermann von Bunnen, nach dem Ort Bunnen bei Löningen, dem Herkunftsort des Vaters. Nach einer humanistischen Schulausbildung studierte er von 1523 bis 1525 in Wittenberg und war 1525–27 Lehrer in Greifswald. Weil Herzog Georg von Pommern gegen den evangelischen Glauben eingestellt war, ging er nach Stralsund, war 1528 Prinzenerzieher in Kopenhagen und Gottorf, das zu dem Zeitpunkt dänisch war.
Als Lehrer an der Stadtschule in Treptow an der Rega lernte er Johannes Bugenhagen kennen. Als 1531 in Lübeck die Reformation eingeführt wurde und Bugenhagen eine Kirchenordnung für Lübeck ausgearbeitet hatte, wurde Bonnus erster Rektor der neu gegründeten Lateinschule, des Katharineum, das nach den Räumen des Franziskanerklosters St. Katharinen benannt war, in dem sie angesiedelt worden war.
Als Superattendent in Lübeck führte er die Zusammenarbeit der geistlichen Ministerien von Lübeck, Hamburg und Lüneburg ein (Ministerium Tripolitanum), was zu der Entwicklung des lutherisch-konfessionellen Kirchenwesens in den norddeutschen Städten beitrug.
1543 berief ihn Graf Franz von Waldeck (Bischof von Osnabrück und Münster, Administrator des Bistums Minden) nach Osnabrück zur Ausarbeitung einer Kirchenordnung, um in Stadt und Land (Hochstift Osnabrück, Ämter Cloppenburg und Vechta, auch Grafschaft Delmenhorst) die Reformation einzuführen. Bis 1613 ist die Region schließlich evangelisch geblieben.
Bonnus hat ein lateinisch-niederdeutsche Grammatik verfaßt, eine Übertragung der Bibelübersetzung ins Niederdeutsche (32/33) und einen Katechismus, außerdem hielt er exegetische Vorlesungen. Er bearbeitete das Rostocker Gesangbuch, das ab 1545 zum Gesangbuch der Lübecker Kirche wurde. Hier taucht auch sein niederdeutsches Lied „Och wy armen sünder“ auf.2
Vorgeschichte und Werden des Liedes
Das vorliegende Lied entstammt einer vielfältigen Überlieferungsgeschichte: die Quellen bieten die Einzelstrophe „Ehre sei dir Christe“, die lat Fassung „Laus tibi christe“, eine Einzelstrophe „O du armer Judas“ auf dieselbe Melodie, dazu verschiedene Strophenreihen, in denen diese vorkommen.1
Aus dem 14. und 15. Jh liegen Quellen so zeitnaher Entstehung vor, daß es nicht einfach íst, die literarischen Abhängigkeiten bzw. die mündlichen oder nicht mehr vorliegenden schriftlichen Traditionsstränge zu eruieren. Die Literatur bietet verschiedene Theorien an, die letztlich nicht lückenlos beweisbar sind.
Eindeutig ist sein liturgischer Ort: Die Strophe „Ehre sei dir Christe“ wurde in der Passionszeit als Strophe der Gemeinde am Schluß der Trauermetten am Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag, alternierend zu den Strophen des Hymnus Rex christe factor omnium gesungen. Zu dieser Strophe entstanden später längere Strophenreihen, die sich ihr inhaltlich anschließen und Dank für das Leiden Christi formulieren und Momente des Leidens bedenken.
Der früheste Beleg für „Ehre sei dir Christe“ findet sich bei dem Mönch von Salzburg, was aber kein Hinweis auf seine Verfasserschaft sein muß.
Aufgrund dieser und anderer Quellen im 14. Jh. kann man auf die Entstehung der Leise laus tibi christe / Ehre sei dir, Christe spätestens in der Mitte des 14. Jh., evtl. in Salzburg2 schließen.
Vielfältige Versuche, zu erkennen, ob die deutsche oder die lateinische Fassung die ursprüngliche ist, haben keine eindeutigen und unwiderlegbaren Ergebnisse erbracht.
Nach Lipphardt legt ein Vergleich der lateinischen und der deutschen Fassung nahe, daß die deutsche Fassung die ältere ist, die vermutl. von böhmischen Klerikern latinisiert wurde. Argumente