Die Passion Jesu im Kirchenlied. Christina Falkenroth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christina Falkenroth
Издательство: Bookwire
Серия: Mainzer Hymnologische Studien
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783772000157
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      Das Passahfest bleibt der biblische Bezugsrahmen des Kreuzesgeschehens: „Des blut zeichnet unser thuer“ nimmt den Bericht vom letzten Mahl Israels vor seinem Auszug aus Ägypten (Ex 12,22f) auf. Und wie das Blut der geschlachteten Tiere an den Pfosten der Türen der Israeliten die Einwohner der Häuser vor dem Morden des Todesengels verschonte, so ist es Schutz vor dem Tod, der eigentlich infolge der menschlichen Sünde eintreten müßte: „das helt der glaub dem tod fuer“. Im Glauben ergriffen, begründet das Blut Jesu, der für unsere Sünde gegeben (Str.1) wurde, die Machtlosigkeit des Todes, dem das Anrecht auf den Sünder verlorengegangen ist. Der Glaubende kann dem Tod mit dem Blut Christi als Unterpfand mutig entgegentreten und ihm damit nun seine Machtlosigkeit vor Augen halten: Der „Würger“ kann dem Glaubenden nicht mehr schaden, ihn nicht „ergreifen“ oder mit einem Hieb oder Stich treffen, so wie das Verb „rueren“ im frühnhd verwendet wird.14

      Nun wird in der sechsten Strophe das „Fest“, die Feier von Ostern aufgenommen. In der letzten Strophe wird sich zeigen, daß die Aufforderung zum Feiern der Stelle 1 Kor 5, 8 entnommen ist.

      Das Herz steht nun im Mittelpunkt. Mit Herzensfreude wird gefeiert, die Herzen werden „erleuchtet“.

      Christus, die Sonne, läßt das Fest „scheinen“ und vertreibt die Nacht der Sünden aus den Herzen.

      Die Rede von Christus als Sonne, die das Herz erleuchtet und von den Sünden befreit, läßt sich bei Luther auch in seinem „schönen Confitemini“, der Auslegung des Ps 118, finden.

      „‚Dis ist der tag, den der HERR macht, Lasst uns frewen und frölich drinnen sein.‘ Das ist die zeit des newen Testaments, Ein ander tag denn so die liebe sonne teglich macht, Sondern der HERR ist selbs hie die sonne und macht diesen tag mit seinem schein und glantz …, Leucht auch nicht jnn die leiblichen augen, sondern jns hertz …, dis liecht leret gnade, friede, vergebung der sünden fur Gott …, Also heisset Christus ‚sol iustitie‘ Malachie am3.: ‚Euch, die jhr meinen namen fürchtet, sol auff gehen die Sonne der gerechtigkeit und heil unter seinen fittichen‘. Diese sonne sol gerechtigkeit an tag bringen, das ist, von sunden erlösen und gerecht machen alle, die an jhn gleuben, Und sol heil geben odder helffen vom tode allen die unter seine fittiche oder glentze sich geben und zuflucht haben, Und ist solcher glantz nicht anders denn die klarheit und offenbarung des evangelij jnn aller wellt, welchs von Christo ausgehet, scheinet und erleuchtet die hertzen der gleubigen …“15

      Das Herz wird auch im Großen Katechismus als Ort des Glaubens verstanden:

      Das erste Gebot bedeutet, „das ein Gott haben nichts anders ist denn yhm von hertzen trauen und gleuben. … Worauff du nu (sage ich) dein hertz hengest und verlessest, das ist eygentlich dein Gott. … ein Gott haben heisset etwas haben, darauff das hertz gentzlich trawet.“16

      Daß es bei Luther, wenn er hier von „Herzensfreude“ spricht, um mehr geht als um eine emotionale Bewegung, erweist sich im „schönen Confitemini“:

      „Und ist auch ein frölicher tag, wie er hie rhümet und sagt: ‚Lasst uns frölich sein‘, Denn solch liecht und lere von der gnaden macht dem hertzen friede, ruge und freude jnn Christo, weil es dadurch erkennet, das jhm seine sünde on sein verdienst vergeben und vom tod erlöset ist.“17

      Hier wird deutlich, was Luther unter „froh sein“, „fröhlich sein“ versteht: Die Grundverfassung des Herzens, das im Glauben die Vergebung der Sünden ergriffen hat und sich in ungebrochener Gemeinschaft mit Christus weiß.

      So wird in dieser Strophe im Bild des Festes – noch implizit – der Glaube, der Christi Handeln annimmt und dem Menschen Gewißheit des Heils verleiht, zum Thema.

      Mit dieser Strophe wird auch eine Verbindung zum Beginn des Liedes geknüpft, da schon dort die Aufforderung ergeht: „Des wir sollen fröhlich sein“.

      In der letzten Strophe nimmt Luther ein neues Bildwort auf, das sich aber dennoch an das vorangegangene Bild vom Passah anschließt: „Wir leben wohl im rechten Osterfladen.“ Dieser wird dem „alten Sauerteig“ gegenübergestellt, der auf dem Hintergrund von 1Kor 5,7f verständlich wird: „Darumb feget den alten Sawrteig aus / Auff das jr ein newer Teig seid / gleich wie jr vngesewert seid. Denn wir haben auch ein Osterlamb / das ist Christus / fur vns geopffert. Darumb lasset vns Ostern halten / nicht im alten Saurteig / auch nicht im Saurteig der bosheit vnd schalckheit Sondern in dem Süsteig der lauterkeit vnd der warheit.“18

      Das Bild vom „rechten Osterfladen“ steht für die rechte Predigt des Wortes Gottes. Luther bietet eine Deutung des Osterfladens in seiner Auslegung der Stelle 1Kor 5,7f vom Osterdienstag 1524: „… ne praedicetur aliud quam illud pascha et puram fidem“. Es genügt nicht, den Sauerteig auszufegen, sondern „nihil contra agendum nisi verbum dei, das sin unser oster fladen“19.

      An dieser Stelle löst sich Luther von dem ethischen Kontext, in dem Paulus schreibt, stellt Passah und Ostern in enge Verbindung, nimmt den schon zuvor im Lied bestehenden Zusammenhang der beiden Feste auf und macht sein Verständnis vom Osterfest als eine Überhöhung des „alten Ostern“, des Passahfestes, deutlich. Der alte Sauerteig und damit das Passahfest selber, ist nun ersetzt durch die Predigt von Christus, dem reinen Glauben und dem Wort Gottes.

      Die Rede vom „alten Sauerteig“ scheint an dieser Stelle direkt 1 Kor 5, 6ff entnommen zu sein, aber die paulinische Deutung als „bosheit vnd schalckheit“ entspricht in ihrer eher auf der Handlungsebene liegenden Bedeutung nicht der, die Luther hier impliziert20. Schweizer weist auf ein der Deutung Luthers vergleichbares Verständnis hin: Der Begriff des Sauerteiges bezeichnet in der Verwendung durch die Rabbinen „etwas Böses, besonders den bösen Trieb der Sünde“, die gefährlichen „weiterwirkenden Charakter“ hat.21 Dem entspricht das Thema des Liedes, das die Entmachtung der Sünde und das Ende ihrer Wirksamkeit an dem Menschen besingt.

      Hier wird nun implizit das Abendmahl zum Thema: „Christus will die Kost uns sein und speisen die Seel allein“. Die Rede von der Seelenspeise verweist auf das Abendmahl, das bei Luther als „Seelenspeise“ verstanden wird: „Darümb heisset es wol ein speisse der seelen, die den newen menschen neeret und sterckt.“22 verstanden wird, die der Erlösung der Seele dient: eine „liplich speis … dir zw gut und trost und stercke, zw erlosung animae tuae“23.

      Das ungesäuerte Brot, das Wort der Gnaden, beides wird nun mit Christus selbst identifiziert, der sich im Abendmahl dem Menschen gibt, ihm zur Speise wird. Er bewirkt, daß nun der Glaubende sich mit seinem ganzen Leben auf Christus ausrichtet, allein ihm lebt.

      Die Begriffe, die später zu zentralen Begriffen der lutherischen Theologie werden werden, sind hier miteinander in Zusammenhang gebracht: Der Glaube, Christus allein, das Wort, die Gnade.

      In dieser Strophe hat das Lied sein Ziel gefunden: Die Überwindung des Todes durch Christus wird präsent in der Feier des Osterfestes und noch mehr, in der Feier des Abendmahles. In ihm wird Christus den Glaubenden zur Speise, zum Leben, denn die Sünde ist nun überwunden.

      Auffällig ist der Tempuswechsel, der sich in der Wende zur 5. Strophe vollzieht: Zu Beginn ist von dem Geschehen in Vergangenheitsform berichtet worden. „Christ lag“, „den Tod niemand zwingen konnt“, „es war ein wunderlicher Krieg“. Dagegen „ist“ hier das Osterlamm, wir „feiern“ das Fest, „wir leben wohl“, „der Glaub will keins andern leben“. Die Todesverfallenheit des Menschen und der Kampf zwischen Leben und Tod gehört der Vergangenheit an; gegenwärtig ist der Sieg Christi, das Blut, das der Glaube dem Tode vorhalten kann, die Sonne, die unsere Herzen erleuchtet, und Christus, die Seelenspeise. Gegenwärtig ist das Leben, das uns aus dem Geschehen am Kreuz erwachsen ist.

      2.2.2.2 Der inhaltliche Bezug auf die Sequenz

      Martin Luther hat zur Grundlage seines Liedes die Sequenz Victimae paschali laudes des Wipo von Burgund gemacht. Deren Text lautet:

      1.Victimae paschali1

      laudes immolent Christiani.

      2.Agnus redemit oves:

      Christus