Das Maß der Orientierung an Merkmalen von Textsorten – ob sich ein Schreiber mehr auf inhalts-, adressaten- oder eben textsortenbezogene Schreibstrategien stützt – hängt enger mit der konkreten Schreibfunktion zusammen. Wer ein Bewerbungsanschreiben verfasst, orientiert sich stärker an einer Vorlage und arbeitet eher Normvorgaben ab als jemand, der einen privaten Brief schreibt, obwohl bei beiden Schreibaufgaben die Adressatenorientierung ebenfalls entscheidend ist (Fix, 2000:49).
Neben dem Einsatz von Textbausteinen wird im Folgenden auf weitere schreibdidaktische Maßnahmen zurückgegriffen: Die Textplanung soll anhand einer Stoffsammlung und Ideengenerierung bis hin zur Entwicklung eines expliziten Schreibplans führen. An Texten werden Textmerkmale gelehrt und darauf basierend Texte produziert. Die Vermittlung des expliziten Textsortenwissens wirkt beim Schreiben entlastend auf das Arbeitsgedächtnis, da auf vorhandene Textroutinen zurückgegriffen werden kann. Routinen/Prozeduren entwickeln sich durch alltägliche Situationen und gleiche Handlungsabläufe (Djik, 2008:68). Dieser Kompetenzaufbau entwickelt sich im Laufe der Schreibentwicklung ständig weiter.
Im Rahmen der Textüberarbeitung werden u.a. die „Schreibkonferenz“ (Spitta, 1992:13), die Nutzung von Kriterienlisten sowie weitere Methoden zur Unterstützung eines Feedbackverfahrens curricular gefordert. Die Methode Schreibkonferenz steht als Methode häufig im Kerncurriculum Deutsch und soll daher kurz erläutert werden, um den Begriff nicht mit den Peergroup-Gesprächen in dem hier vorzustellenden Schreibprojekt zu verwechseln: Ursprünglich geht der Begriff auf die Forschungsarbeit von Graves (1983) zurück. Die Texte werden zunächst von Mitschülern gelesen und anschließend wird Feedback gegeben. Spitta adaptierte dieses Verfahren in Deutschland und befürwortet es, da sich die Textqualität durch die Überarbeitungshinweise verbessere (Spitta, 1992:13). Der Austausch der Schüler über ihre Texte sei wichtig, denn dies führe zu einer „Annäherung an die literalen Normen beim Überarbeiten“ (Dehn et al., 2011:89).
Die Nutzung von Kriterienlisten schränkt zwar eine Textsorte als „prototypisches Konzept“ (Adamzik, 2004:47) ein, soll jedoch auch Impulse der Überarbeitung anbieten, um die Textqualität zu erhöhen. Des Weiteren können Kriterienlisten als Gesprächsleitfaden in kooperativen Schreibsettings für ein sachliches Feedback benutzt und somit, wie im Rahmen des Qualitätsmanagements in Betrieben, auch für die Textqualität gewinnbringend eingesetzt werden:
Beim kooperativen Schreiben geht es um Kontexte und Arrangements, in denen zwei oder mehr Personen bei der Textproduktion zusammenarbeiten. Die Zusammenarbeit kann sich auf die gemeinsame Planung, Formulierung und Überarbeitung eines Textes beziehen. Sie kann sich aber auch auf die Rückmeldung zu einem nicht selbst produzierten Text beschränken, für den Ideen und Optimierungsvorschläge formuliert werden (Lehnen, 2017:299).
Dabei sollten die Kriterienlisten nicht starr sein, sondern immer wieder überprüft und gegebenenfalls ergänzt werden. Somit sind Kriterienlisten auch Basis der Diskussion per se.
Feedbackgespräche bedeuten in jeder Situation immer eine Herausforderung für die Betreffenden, die darauf meist emotional reagieren. Sachliches und nicht personenbezogenes Feedback sollte daher schon in der Schule geübt werden, denn es erfordert von den Feedbackgebern und Feedbacknehmern das Einhalten von Gesprächsregeln, wie z.B. den angemessenen Ton zu finden, den Sprecherwechsel zu berücksichtigen, das Gespräch adäquat zu beginnen und zu beenden (Wagner, 2003:754). Des Weiteren ist der Einsatz von Feedbacks im Unterricht zeitintensiv und erfordert von den Mitschülern kognitive sowie sprachliche Fähigkeiten, die jedoch einen positiven Einfluss auf die Textqualität haben (Lehnen, 2017:299). Daran wird deutlich, dass der Schreibprozess, orientiert am Schreibprozessmodell von Hayes und Flower (1980), in die Teilbereiche Planen, Schreiben und Überarbeiten gegliedert und unterrichtet wird. Die didaktische Einbindung des Textfeedbacks durch die Mitschüler ist ein gängiges Verfahren im Schreibunterricht.
Fix (2000) konnte in seiner Forschung zu Textrevisionen von Achtklässlern (n = 63) empirisch nachweisen, dass gerade die Überarbeitungsphase im Unterricht sehr komplex ist, da die Schüler oftmals nicht die Motivation dafür aufbringen wollen:
Schwierigkeiten im sozialen Umgang miteinander erschwerten das gemeinsame Überarbeiten in Schreibkonferenzen, das gegenseitige Zuhören und faire Diskutieren klappte noch nicht. Es ergaben sich auch große Unterschiede im zeitlichen Aufwand der einzelnen Schreiber, weshalb vielfältige Differenzierungsangebote organisiert werden mussten. Vor allem das nochmalige Schreiben von Hand (da die Arbeit am Computer nur sehr eingeschränkt möglich war) wurde ungern akzeptiert (Fix, 2000:6).
Der Schreiber werde bei der Überarbeitung noch einmal seinen Text und die Aufgabenstellung lesen, sofern sie oder er vorhabe, den Text zu überarbeiten. Nur mit Motivation gelinge Revision, daher sei auch die Rolle der Schreibaufgabe im Hinblick auf die Überarbeitung wichtig (Fix, 2000:45). Wie komplex das Überarbeiten trotz aller methodischen und didaktischen Empfehlungen ist, zeigt zusätzlich folgendes Zitat:
Die Untersuchung hat gezeigt, dass das Überarbeiten von Texten in der Schule didaktisch sinnvoll ist, mehrheitlich zur Textoptimierung führt, Leistungsunterschiede zwischen den Schülern nicht nivelliert, von den Schülern insgesamt positiv aufgenommen wird […].
Zugleich wurden Schwierigkeiten deutlich: Die Fähigkeit zur Problemdiagnose ist bei vielen Schülern schwach ausgeprägt, sie erkannten – auch trotz der Zusammenarbeit in Schreibkonferenzen – tiefer liegende Probleme in ihren Texten nicht, es fehlte ihnen an geeigneten Revisionsstrategien und an exekutiven Fähigkeiten, die durchgeführten Revisionen bezogen sich häufig nur auf lokale Korrekturen und auf Textsortennormen, wobei es klare Unterschiede zwischen den beiden Schreibaufgaben gab (Fix, 2000:320).
Ein Grund für die Komplexität des Überarbeitens ist u.a. die Sprache selbst, denn die Schulsprache steht im Spannungsfeld zwischen Bildungssprache, Schriftsprache sowie weiteren Sprachfeldern (Feilke, 2012a, siehe Abb. 8).
Die Schriftsprache beeinflusst dabei die Sprachfelder in der Schule. Andererseits beeinflussen auch die Normen wie die der Literatursprache und der Wissenschaftssprache von außen die Anforderungen an die Schriftsprache. In diesem Zusammenhang spricht sich Feilke für die „Transitnormen-These“ (Feilke, 2012b: 155) aus. Er argumentiert, dass die Schulsprache an sich schon ein Anforderungsbereich sei, die ein Schüler zu leisten habe und ihn dadurch vor eine zu überbrückende Barriere beim Schreiben stelle:
Sprachnormen für den didaktischen Gebrauch sind insofern transitorische Normen. Im Sinne eines sozialkonstruktivistischen Denkansatzes sind sie nicht als Ziel, sondern als unterstützendes Mittel (Scaffolding) der Kompetenzentwicklung intendiert (Feilke, 2012b: 155).
Es ist hier anzumerken, dass der Schüler einen Text nicht einfach in seiner individuellen eigenen Sprache schreiben kann und darf, sondern sich der Schüler im Kontext seiner Schule, seiner Klasse, seines Lehrers und seines Faches befindet. Daher ist der Schreibunterricht aus der Schülerperspektive zu lenken, um ihn angemessen zu begleiten.
Sprachfelder in der Schule (nach Feilke, 2012a: 6, 2011: o. S., vereinfachte Darstellung)
Die dafür in den 1960er Jahren herbeigeführte „kommunikative Wende“ (Eichler & Henzel, 1998:105) forderte dazu auf, den Blick auf die umgebende Situation zu richten, was verstärkt in den 1980er Jahren in der Sprachdidaktik weiterverfolgt wurde. Unterricht, und damit auch der Deutschunterricht, sollte eine Handlungs- und Schülerzentrierung als Merkmale einer guten Didaktik integrieren (Eichler & Henzel, 1998:109), was heute Eingang in die Unterrichtsentwürfe von Staatsexamensarbeiten im Referendariat, aber auch in die Kerncurricula für das Fach Deutsch findet. Eine weitere Anforderung neben den vorgestellten Methoden in der Schreibdidaktik ist der Einsatz Neuer Medien.
Das Zeitalter der Neuen Medien ist auch in den Schulen angekommen. Längst wird die Arbeit mit Computern in den Rahmenlehrplänen der Schulen und damit