Wheel of Writing I (Berge et al., 2016: 180)
Die Abbildung 5 wird wie folgt gelesen: Der äußere Ring konzentriert sich auf die sechs Schreib- bzw. Sprachhandlungen to interact, to reflect, to describe, to explore, to imagine und to convince. Der mittlere Ring fokussiert sechs Schreibzwecke: Persuasion oder Knowledge development sind nur zwei Beispiele. Das Rad wird wiederum durch die semiotische Vermittlung zusammengehalten. Es ist kulturellen und situativen Kontexten ausgesetzt und wird von diesen beeinflusst. In der folgenden Abbildung 6 des Wheel of Writing sind der äußere und innere Ring gleich, der mittlere Ring hingegen fokussiert vier tools and resources for writing.
Wheel of Writing II (Berge et al., 2016: 182)
Modalities beinhaltet einerseits die Buchstaben, aber auch die Abbildungen, Piktogramme, Tabellen und Bilder. Text structure meint die lokalen und globalen Kohäsionsmittel. Writing tools schließt die Schreibmedien ein, ob Stift oder PC sowie weitere. Vocabulary and grammar bezieht sich einerseits auf den Wortschatz und andererseits auf die Grammatik. Darin enthalten ist auch die Syntax, welche in der Schriftsprache komplexer ist als im mündlichen Gebrauch.
Zusammengefasst setzt das Wheel of Writing zunächst beim Schreiber selbst an. Dieser zielt auf eine Schreibhandlung ab, was gleichzeitig auch mit dem Schreibziel gleichgesetzt werden könnte. Für die Erreichung dieses Schreibziels stehen ihm verschiedene personale, sprachliche und mediale Ressourcen zur Verfügung, die er nutzt, um durch das Schreiben einen Schreibzweck nicht nur für sich, sondern auch im Leseinteresse eines Adressatenkreises zu erfüllen.
Für dieses Kapitel kann festgehalten werden, dass Kompetenzen ein gesichertes Wissen und Können in problembehafteten Situationen bedeuten. Sie sind entweder als Zielvorstellung oder als Operationalisierung funktional einzuordnen. Bezogen auf die Schreibkompetenz knüpfen sie an die Schreibaufgaben und die damit verbundenen Schreibanlässe an, wie durch die Aufgaben mit Profil und dem Wheel of Writing präsentiert wurde. Die Prädiktoren von Schmitt und Knopp heben jedoch hervor, dass die Schreibkompetenz durch weitere Indikatoren wie das Arbeitsgedächtnis, die Lesefähigkeit, die Perspektivübernahme, die Schreibmotivation, die Selbstregulation, die Schreibflüssigkeit, das Textmusterwissen, den Wortschatz sowie durch die Kohärenzherstellung u.a. beeinflusst wird. Bereiters Modell verdeutlicht, dass die Schreibentwicklung diverse Phasen durchläuft, die eine grobe Orientierung bieten, jedoch muss der Schüler mit seiner Schreibgenese und seinem prozeduralen sowie deklarativen Schreibwissen allein betrachtet werden. Gerade nach der Schule entwickeln die ehemaligen Schüler eine „Ich-Entfaltung“ (Koch & Pielow, 1984:82): Aus Schreibfrust kann Schreiblust werden, die für die Genese der Schreibkompetenz ein Motivationsfaktor ist. Soll die Schreibkompetenz unterstützt werden, zeigt Feilke in seiner Aufstellung, dass diese durch verschiedene Aufgabentypen, Arbeitsmodi und Schreibziele gefördert werden kann. Die Definitionen von Efing und Neumann zeigen zwar Definitionen zum Begriff Kompetenz, jedoch ist der Terminus Schreibkompetenz sehr komplex, wie dieses Unterkapitel verdeutlicht. Daher sollen die zwei folgenden Unterkapitel die Schreibkompetenz vor und während der beruflichen Ausbildung vertieft behandeln und auch zeigen, was die Schreibdidaktik für den Unterricht empfiehlt, was in Kapitel 2.1 nur angerissen werden konnte.
2.2 Schreibkompetenz vor der beruflichen Ausbildung am Ende der Sekundarstufe I
„Wer nicht schulsprachlich schreiben kann, ist in allen Fächern – auch bei inhaltlich durchaus richtigen Antworten – in der Bewertung benachteiligt, auch weil der Anteil der schriftlichen Leistungen an der Gesamtbewertung enorm hoch ist“ (Neumann, 2010:14).
Schulerfolg ist mit einer „[…] adäquaten Beherrschung der deutschen Sprache verbunden. Sie ist das Kommunikationsmedium in und mit der Mehrheitsgesellschaft“ (Steinmüller, 2006:322). Schreiben wie auch Lesen und Rechnen sind basale Anforderungen und Kompetenzen, die institutsgebunden und für die sogenannte Ausbildungsreife unumgänglich sind (Neumann, 2010:13). Für den Schulabschluss jeglicher Schulform sind diese Kompetenzen die Eintrittskarte in die Sekundarstufe II und damit auch für viele Schüler in die berufliche Ausbildung. Sowohl die Schreibkompetenz als auch die Textsortenkompetenz (siehe Kapitel 2.4) sind laut Bundesagentur für Arbeit Einstellungsvoraussetzungen, die zum Merkmal (Recht-)Schreiben folgende Kriterien verlangt (Bundesagentur für Arbeit, 2009:22, siehe Abb. 7):
Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife (Bundesagentur für Arbeit, 2009:22)
Die genannten Kriterien werden im Deutschunterricht auf Basis der Rahmenlehrpläne von der ersten Klassenstufe an bis zum Verlassen der Institution Schule gelehrt. Das Unterrichtsfach Deutsch vermittelt hierfür vier Grundkompetenzen in den Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss. Dabei ist die Kompetenz Schreiben eine der vier und stellt eine Basisqualifikation dar (KMK, 2004:8):
Die Schülerinnen und Schüler kennen die vielfältigen Möglichkeiten des Schreibens als Mittel der Kommunikation, der Darstellung und der Reflektion und verfassen selbst adressatengerechte Texte (KMK, 2004:8).
Die Handlungszentrierung beim Schreiben und eine prozessorientierte Deutschdidaktik im Teilbereich Schreiben werden des Weiteren von der Kultusministerkonferenz gefordert: „über Schreibfertigkeiten verfügen“ (KMK, 2004:11), „richtig schreiben“ (ebd.), „einen Schreibprozess eigenverantwortlich gestalten“ (KMK, 2004:12), „Texte schreiben“ (ebd.) und „Texte überarbeiten“ (KMK, 2004:13). An dieser Stelle wird unverkennbar deutlich, dass der Schreibprozess und nicht das Schreibprodukt allein Unterrichtsgegenstand im Deutschunterricht ist (Becker-Mrotzek & Böttcher, 2006:24f.).
Das Kerncurriculum für das Fach Deutsch in Niedersachsen greift diese Kompetenzen auf. Der heutige Schreibunterricht an Schulen orientiert sich curricular an dem ursprünglichen Schreibmodell von Hayes und Flower (1980) (siehe Kapitel 2.5). In diesem wie auch im aktuelleren Modell von Hayes (2012) wird der Schreibprozess in Phasen des Planens, Schreibens und Überarbeitens zerlegt. Diese Schritte sind auch im Rahmen des Deutschunterrichts sichtbar zu machen (Becker-Mrotzek & Böttcher, 2006:24f.; Bachmann & Becker-Mrotzek, 2010:195).
Das Wissen über Schemata ist ein Einflussfaktor für die Entwicklung der Schreibkompetenz und die damit verbundenen Strategien sowie Prozeduren. Feilke und Bachmann (2014:8) verweisen darauf, dass es dafür „textliche Handlungsschemata“ gibt. Textprozeduren werden somit auch in der Institution Schule vermittelt und gelernt. Gerade im Deutschunterricht ist das Trainieren von immer wiederkehrenden Prozeduren beim Schreiben von Texten vermittelbar, da sie zu einer Schreibroutine führen (Feilke, 2010:1, siehe Kapitel 2.1). Ein systematisches Vorgehen sei es zunächst, die in der Schreibaufgabe bezogene Textsorte zu erkennen und den „Texthandlungstyp“ (Feilke, 2014:26), z.B. das Argumentieren, einzuordnen. Darauf folgen bestimmte „Handlungsschema“ (Feilke, 2014:23), wie das Begründen. Abschließend sei der Einbau von „Prozedurausdrücken“ (Feilke, 2014:26), z.B. „ich finde, dass“ (ebd.), als sprachliche Texthandlung zu implementieren. Somit seien „genrespezifische Ansätze“ (ebd.) im Schreibunterricht gefragt.
Die Verwendung von Textbausteinen kann dabei unterstützend helfen: „Textbausteine als Handlungseinheiten können im Klassen- und Gruppengespräch an einschlägigen Prozedurausdrücken erkannt und unterschieden werden“ (Feilke, 2014:28). Weitere Gründe für dieses Vorgehen sind in den folgenden Zitaten fachlich erläutert:
Das zentrale Argument für dieses Vorgehen ist, dass die Textbausteine relativ selbstständige Einheiten sind, aus denen Texte einer Textsorte auf unterschiedliche Weise komponiert werden können, wie dies das englische Wort ‚composition‘ treffend ausdrückt. Während die traditionelle Didaktik schulischer Textarten globale Textmuster normativ fixiert und die Anpassung an diese Muster und deren Nachahmung fördert, besteht über die Fokussierung der mittleren Ebene der Textbausteine die Chance, Textkreativität