Eine Person muss motiviert sein, ein Verhalten auszuführen; das heißt, es muss ein Beweggrund zum Handeln vorliegen. Die Motivation wird von der Erwartung bestimmt, durch das Verhalten eine Belohnung zu bekommen. Diese Erwartungen werden durch Erfahrungen gelernt (Winkel/Petermann & Petermann, 2006:191).
In der Sprachwissenschaft können die folgenden Definitionen festgehalten werden, die einerseits den Kompetenzbegriff und andererseits spezieller die kommunikativen Kompetenzen eingrenzen:
Kompetenzen sind per definitionem als kognitive Prozesse nicht direkt beobachtbar, sondern müssen anhand abgeleiteter Konstrukte untersucht werden. Sie werden dann an der (sprachlichen) Oberfläche in der Performanz sichtbar. Dieses ‚Zeigen‘ der Kompetenz muss in dem oben beschriebenen Rahmen für alle vergleichbar entsprechend initiiert und anhand gemeinsamer, festgelegter Indikatoren ausgewertet werden (Neumann, 2014:58f.).
Vor diesem Hintergrund lässt sich kommunikative Kompetenz als mehrmodulares Konstrukt in Teilkompetenzen untergliedern: in eine Sprachsystemkompetenz (grammatische Kompetenz), eine soziolinguistische Kompeten (Repertoire, Varietäten-, Registerbeherrschung und -bewusstheit, Fähigkeit zum flexiblen Code-Switching), eine pragmatische Kompetenz (zur Zielerreichung), eine Text-/Diskurskompetenz (Textstrukturierungskompetenz) sowie in eine strategische und eine soziale/soziokulturelle Kompetenz (Efing, 2015:21).
Zusammengefasst sind Kompetenzen nicht direkt beobachtbar, sondern erst in ihrer Performanz zu sehen. Unser Schulsystem wiederum beurteilt nicht die Kompetenz, sondern bewertet die Leistungsperformanz, ein Spezifikum der Performanz (von Saldern, 2011:38). Die Schreibkompetenz ist folglich ein latentes Konstrukt, da sie latente Merkmale besitzt, die nicht in Gänze beobachtbar sind (Grabowski, 2017:317). Darauf soll nun genauer eingegangen werden: Um die verborgene Schreibkompetenz zu messen, müssen manifeste Indikatoren gewählt werden: „Die Besonderheit der schreibdidaktischen Erforschung von Textkorpora besteht vor diesem Hintergrund darin, dass nicht einfach nur Texte untersucht werden, sondern Texte als Indikatoren für die Schreibkompetenz eines Individuums“ (Steinhoff, 2017:354) gelten. Schreibaufgaben können Textindikatoren durch die entstandenen Texte vorweisen: „Wie kompetent ein Schreiber oder eine Schreiberin ist, lässt sich am Schreibprozess, aber immer auch am Schreibprodukt erkennen“ (Steinhoff, 2017:352). Schreibkompetenz hängt somit mit der Textproduktion eng zusammen:
Der Begriff Schreibkompetenz fokussiert auf eine effektive, zielgerichtete und adressatenorientierte Textproduktion. Hierfür braucht es neben graphomotorischen und (meta- )kognitiven Prozessen, die den Kern des Schreibens bilden, eine gewisse Schreibmotivation, und Schreiben hat eine soziale Dimension insofern, dass man typischerweise für jemanden schreibt oder – zunehmend – mit jemandem (Philipp, 2015b: 9).
Die Schreibkompetenz ist somit der empirische Zusammenhang zwischen Textprodukt und Textproduktionsprozess (Philipp, 2015b: 33). So ist das auch beim Schreiben. Textsorten wie die Einladung, die im beruflichen Alltag weniger zum Tragen kommen, werden in der Schule oder im Elternhaus erlernt. Dennoch kann diese Kompetenz in der Situation einer Geburtstagsfeierplanung eingesetzt werden.
Die Deutschdidaktik berücksichtigt in den Bildungsstandards (KMK, 2004, 2005) neben der Förderung der Schreibkompetenz auch die Schreibentwicklung der Schüler. Diese wird wie folgt definiert:
Der Begriff Schreibentwicklung fasst die Entwicklung der Schreibfähigkeit als einen kontinuierlichen Prozess ,nach dem Erwerb‘ grundlegender Fähigkeiten in den ersten Schuljahren, welche für das Erstlesen und das Erstschreiben ausschlaggebend sind. Er umfasst die Prozesse und Entwicklungen, welche für das weiterführende Schreiben konstitutiv sind (Bachmann, 2002:59).
Ein bis heute grundlegendes Modell für die Schreibentwicklung ist das Schreibentwicklungsmodell nach Bereiter (1980; siehe Abb. 1).
Abb. 1:
Schreibentwicklungsmodell (Bereiter, 1980: 85)
Bereiters Modell zeigt, dass die Schreibentwicklung nach dem Ende der Schulzeit nicht abgeschlossen ist. Dieses Schreibentwicklungsmodell sollte daher nicht linear aufgefasst werden, sondern fokussiert diverse Parameter wie den Prozess, das Produkt oder den Leser und setzt sie zu kognitiven Entwicklungsschreibphasen in Beziehung. Diese Orientierung initiiert diverse Schreibmodi – wie das assoziative, performative, kommunikative oder das epistemische Schreiben. Dabei werden verschiedene kognitive Aufgaben gelöst:
In der kognitiv orientierten Lern- und Gedächtnisforschung stehen statt einfacher Zusammenhänge zwischen Reizen und Reaktionen – wie im Behaviorismus – komplexe Konzepte wie Wahrnehmung, Problemlösen, Entscheidungsverhalten und Informationsverarbeitung im Mittelpunkt (Winkel/Petermann & Petermann, 2006:145).
Dieses Zitat kann das Modell von Bereiter in Bezug auf die kognitiven Aufgaben erklären. So kann beispielsweise der Schreiber seine Leserschaft fokussieren, dabei werden sozial-kognitive Aufgaben erfüllt, die ein kommunikativ orientiertes Schreiben hervorbringen. Bereiters Modell ist immer wieder eine Vorlage für die Schreibforschung, wie auch Fix (2000) sie aufgegriffen hat:
Fix (2000:316) bestätigt in seiner Studie, dass bei einer freien Schreibaufgabe die Schüler „epistemische Schreibfunktionen nutzen, ohne kommunikatives Schreiben zu praktizieren“. „Die einzelnen Komponenten sind prinzipiell auf allen Erwerbsstufen möglich, aber eben auf verschiedenen Niveaus“ (ebd.).
Somit ist Schreibkompetenz auch eine Form der Problemlösekompetenz, denn medial verfasste Texte beziehen sich je nach Kommunikationsrahmen auf eine Situation, ein Problem, das gelöst werden soll. In diesem Zusammenhang muss der Adressat angemessen angesprochen werden (Antos, 2008:241). Schreiben erfordert daher vielerlei Kompetenzen, wie u.a. die Textproduktion und das damit einhergehende Formulieren (Antos, 2008:242). Der schulische Schreibprozess beginnt dabei mit einer Aufgabe. Schreibaufgaben indizieren den Beginn eines Schreibprozesses. Sie steuern den Schreibvorgang durch eine geforderte Funktion, die erfüllt werden muss, Adressaten und das Problem sind erkennbar, Weltwissen und sprachliches Wissen sind angeeignet, der Text sollte im sozialen Kontext entstehen und die Wirkung auf Leser überprüft werden, z.B. mithilfe von Schreibkonferenzen (Bachmann, 2014:47). Bei Revisionen wird auf die Aufgabenstellung zurückgeblickt. Sie ist Dreh- und Angelpunkt aller Überarbeitungsschritte.
Die Aufgabendefinition bildet die Basis aller Revisionen. Der Autor muss die Schreibaufgabe innerhalb seines Wissenshorizonts (long term memory) und unter Einbezug des Aufgabenumfeldes (task environment) für sich interpretieren und daraus ein Schreibziel ermitteln, das während der Revisionsprozesse die Rolle des Monitors übernimmt. Ohne ein definiertes Schreibziel fehlt den Überarbeitungen eine klare Linie, es kann dadurch zu Textverschlechterungen kommen (Fix, 2000:29).
Dieses Zitat unterstreicht, dass die Aufgabenstellung für das Schreiben immens wichtig ist. Je konkreter die Aufgabenstellung, desto eher kann der Schreiber auf diese zurückgreifen und sich daran orientieren. Schreibaufgaben erfüllen jedoch auch noch eine andere Funktion – die Schreibmotivation kann durch sie gelenkt werden. Gerade situierte Aufgabenstellungen, die es in der beruflichen Bildung durch die Arbeit mit Lernfeldern längst gibt, führen den Schreiber in eine bestimmte Situation, in die er sich hineindenken muss. In diesem Zusammenhang führte einst Bachmann den Begriff „Aufgaben mit Profil“ in die Schreibdidaktik ein:
Unter ‚Aufgaben mit Profil‘ werden Schreibaufgaben verstanden, die das Schreiben als soziale Praxis in einen möglichst ‚authentischen‘ Kontext sozialer Interaktion einbetten, indem das Schreiben einen für die Schüler/innen erkennbaren Sinn bekommt und – auf Produktebene – in plausibler Art und Weise auf textuelle Qualitäten hin befragt und beurteilt werden kann (Bachmann, 2014:46).
Er untersuchte für das Bereiter-Modell Indikatoren für die Schreibentwicklung. Mit seinem siebenwöchigen Projekt „Aufgaben mit Profil“ ließ er Schüler (n = 78) aus dem vierten, achten und zehnten Jahrgang sechs instruktive Texte, wie z.B. Zimmerbeschreibung, Spielablauf oder Faltaufgabe verfassen. „Die Texte der Stichprobe wurden daraufhin untersucht, ob bzw. in welchem Ma[ß]e das Auftreten kohärenzstiftender Elemente und der Einsatz von Kohäsionsmitteln in den Texten Indikatoren für Schreibentwicklung sein