In Betrieben sind das Vorzeigen bestimmter Fertigkeiten und das Nachahmen mit mehreren Übungsphasen und verbalen Wiederholungen üblich (Pätzold, 1995:164). Im Gegensatz zur Berufsschule kann das entdeckende Lernen ein Risiko sein, wenn betriebliche Abläufe dadurch gestört werden. Das Vorführen von neuen Arbeitsabläufen erfordert vom Auszubildenden eine hohe Aufmerksamkeit und weckt seine Sinne durch das Hören und Sehen. Die verbale Wiederholung memoriert jeden Arbeitsschritt und das Nachahmen selbst ergänzt somit das Lernen mit allen Sinnen. „Häufige Wiederholungen des Lernvorgangs führen dazu, dass sich das Lernergebnis – das heißt das neu gelernte Verhalten – stabilisiert“ (Winkel/Petermann & Petermann, 2006:119). Die praktische Unterweisung am Arbeitsplatz erfolgt u.a. durch eine Vielzahl an Methoden, wobei die Vier-Stufen-Methode von Ch. R. Allen (USA) aus dem Jahr 1919 bis heute benutzt wird, gerade in kleineren handwerklichen Betrieben. Die vier Schritte der Unterweisung lauten wie folgt:
„1. Vorbereitung des Auszubildenden und des Arbeitsplatzes,
2. Vormachen des Ausbildungsinhaltes durch den Ausbilder,
3. Nachmachen des Ausbildungsinhaltes durch den Auszubildenden,
4. Üben der erworbenen Fertigkeiten durch den Auszubildenden“ (Schaper et al., 2000:123).
Immer mehr haben sich gerade in Großbetrieben als Vorreiter auch andere handlungsorientierte Methoden durchgesetzt, z.B. die Simulation oder Rollenspiele. So gibt es in vielen Betrieben das Projekt, dass die Auszubildenden ein Unternehmen für einen Tag im operativen Geschäftsbereich leiten. Das selbstständige Lernen gilt dabei als Grundprinzip der Handlungsorientierung, welche seit 1995 Leitbild in der beruflichen Bildung ist (Schaper et al., 2000:134). Schlüsselqualifikationen während der Berufsbildung sind insbesondere: 1. Berufliche Handlungsfähigkeit, 2. Problemlösefähigkeit, 3. Kooperations- und Beteiligungsfähigkeit (Schaper et al., 2000:132). Im Beruf wird somit ein Bündel an Kompetenzen gefordert, die auf eine Weiterentwicklung nach der Schule abzielen: „Wenn Bildung auf Persönlichkeitsentfaltung und Selbstverwirklichung und Kompetenz auf gesellschaftliche Handlungsfähigkeit zielt, dann ist jedem Individuum beides zu wünschen“ (Efing, 2013a: 13).
Die Handlungskompetenz ist folglich der Indikator für beruflichen Erfolg. Diese wird u.a. durch das Modell der vollständigen Handlung gefördert: 1. Informationsphase, 2. Planungsphase, 3. Entscheidungsphase (wer macht was im Team), 4. Ausführungsphase (oft Vier-Stufen-Methode), 5. Kontrollphase mit Selbstkontrolle und 6. Bewertungsphase (Ausbildungsnachweis wie Lerntagebuch als Zeichen der Reflexion) (Schaper et al., 2000:140).
Damit die Ausbildung rechtlich abgesichert ist, ist folgender Ablauf sehr gängig: In einem Berichtsheft hält der Auszubildende den Ausbildungsablauf als Wochen- oder Tagesbericht schriftlich fest. Dieses Heft wird dem Prüfungsausschuss sowohl bei der Zwischenprüfung in der Mitte der Ausbildungszeit als auch zur Abschlussprüfung vorgelegt. Alle staatlichen dualen Berufsausbildungen werden nach den jeweiligen Ausbildungsverordnungen vollzogen. Der Ausbildungsbetrieb plant die Ausbildung nach dieser Verordnung und muss dies transparent im Berichtsheft dokumentieren, damit der Auszubildende weiß, in welchem Ausbildungsjahr welche Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben sind (BMBF, 2010a: 3, 13; § 13 BBiG, 2005).
Die Berufsschulen hingegen orientieren sich an den Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz (§§ 4,5; § 25 HwO, 1998). In den meisten Fällen dauert die duale Berufsausbildung zwischen zwei und vier Jahren und endet nach dem Bestehen der Abschlussprüfung (§ 37 BBiG, 2005; § 31 HwO, 1998). In dieser wird die berufliche Handlungsfähigkeit der Auszubildenden geprüft (BMBF, 2010:25).
Zugelassen werden die Auszubildenden zur Abschlussprüfung, wenn sie erfolgreich an der Zwischenprüfung teilgenommen haben, die schriftlichen Ausbildungsnachweise durch den Berichtshefter vorweisen können und die Ausbildung in der vorgeschriebenen Ausbildungsdauer absolviert haben (BMBF, 2010:25). Die Abschlussprüfung setzt sich aus einer schriftlichen und einer praktischen Prüfung zusammen (BMBF, 2010:26). Die schriftlichen Abschlussprüfungen der kaufmännischen Prüfungen der Industrie- und Handelskammern werden z.B. zentral und bundeseinheitlich durch die Aufgabenstelle für kaufmännische Abschlussprüfungen und Zwischenprüfungen (kurz: AkA), die Zentralstelle für Prüfungsaufgaben der Industrie- und Handelskammern (ZPA-Nord-West) sowie von der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart (IHK, 2010) geplant:
Die AkA ist eine Gemeinschaftseinrichtung zur überregionalen Erstellung von Prüfungsaufgaben für kaufmännische und kaufmännisch-verwandte Ausbildungsberufe, wie zum Beispiel der Ausbildungsberuf Kaufmann für Versicherungen und Finanzen. Die Geschäftsführung hat die IHK Nürnberg für Mittelfranken inne (AkA, 2011). Die Mehrheit der IHKs bezieht ihre schriftlichen Abschlussprüfungen von dieser Stelle. So sind dem AkA-Verbund schon 45 IHKs von 10 Bundesländern beigetreten (ebd.). Auch die Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg nutzt von dieser Einrichtung einen Teil ihrer Prüfungen (ebd.).
Die Zentralstelle für Prüfungsaufgaben der Industrie- und Handelskammern (ZPA-Nord-West) ist eine Gesellschaft mit Sitz in Köln, die mit den Bundesländern Berlin, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein bundeseinheitliche Zwischen- und Abschlussprüfungen für die IHKs erstellt. Des Weiteren organisiert sie auch den Druck und die Verteilung dieser Aufgaben an die IHKs (ZPA-Nord-West, 2011).
Die Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart erstellt im Rahmen der Prüfungsaufgaben- und Lehrmittelentwicklungsstelle (PAL) Aufgabensätze für die gewerblich-technischen Berufe, wie zum Beispiel für den Elektroniker für Automatisierungstechnik (IHK Region Stuttgart, 2011) (Giera, 2010:24).
Während der Ausbildung werden sowohl vom Rahmenlehrplan für die Berufsschulen der Kultusministerkonferenz als auch von der Ausbildungsverordnung durch das Bundesministerium der Justiz das Schreiben in bestimmten beruflichen Situationen und die damit verbundenen Textsorten vorgeschrieben (BMJ, 1998). Auch in bestimmten Abschlussprüfungen kommt das Schreiben von Textsorten zum Tragen. Ergänzend dazu soll der Ablauf einer Abschlussprüfung näher veranschaulicht werden – der Ablauf und Inhalt der Abschlussprüfung der Hotelfachleute im IHK-Bezirk Lüneburg-Wolfsburg:1
Beispiel: Zunächst müssen die angehenden Hotelfachleute an einem Tag eine schriftliche Abschlussprüfung ablegen. Diese Prüfung besteht aus mehreren Prüfungsteilen, u.a. WISO (Wirtschaft und Soziales), Fachrechnen sowie Fachtheorie. Mehrere Wochen danach beginnt der praktische Teil der Prüfung. Am zweiten Prüfungstag erhalten die Prüflinge eine komplexe Prüfungsaufgabe, welche vom Prüfungsausschuss erstellt wird. Es wird eine Situation im Beruf vorgegeben. Die Prüflinge müssen zunächst ein Marketingkonzept für ein Arrangement mit zwei Übernachtungen, Verpflegung und Extras für ein bestimmtes Datum und eine Zielgruppe mit einer genauen Preisangabe und Auflistung aller Aktivitäten erstellen. Daraufhin muss im nächsten Schritt ein unverlangtes Angebot (in der Aufgabe Werbebrief genannt) am PC erstellt und ausgedruckt werden. Des Weiteren kann eine weitere Aufgabe, wie z.B. die Erstellung einer Zimmercheckliste, ergänzt werden. Der Prüfungsausschuss bewertet zeitnah am gleichen oder darauffolgenden Tag dieses Marketingkonzept sowie die Erfüllung der weiteren genannten Aufgaben. Für das Bewerten des unverlangten Angebots gibt es eine Checkliste. Zwei Prüfer bewerten unabhängig diese Briefe und führen ihre Ergebnisse zusammen. Ein paar Tage später erscheint der Prüfling zum dritten Tag. An diesem muss er zwei fachpraktische Aufgaben an einem Vormittag lösen. Das kann das Checken (mit seiner selbsterstellten Checkliste) eines Zimmers mit dazugehörigen Fragen, das Arbeiten an der Rezeption mit einer berufstypischen Situation wie das Ein- oder Auschecken oder ein Telefonat mit